Gehälter:Gewerkschafter gegen Gewerkschaft

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...Prozent mehr Gehalt bekommen die Verdi-Bediensteten, wenn man die vereinbarte Erhöhung auf eine Tarifvertrags-Laufzeit von zwölf Monaten umrechnet.

Bei der Bezahlung ihrer eigenen Mitarbeiter folgen die Arbeitnehmerverbände meistens festen Regeln - doch das klappt nicht bei allen. Das hat sich nun im Fall der intern recht knausrigen Gewerkschaft Verdi gezeigt.

Von Simon Pötschko

Wenn Gewerkschaften mit ihrer Belegschaft Entgeltverhandlungen führen, kommt es vor, dass sich einige in einer ungewohnten Rolle wiederfinden. Arbeitnehmervertreter sind plötzlich Arbeitgeber. So geschehen zuletzt bei der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi. Da Gewerkschaften natürlich nicht mit sich selbst Entgeltverhandlungen für die eigene Belegschaft führen können, setzen sich Vorstand und Gesamtbetriebsrat zusammen und treffen eine Betriebsvereinbarung.

Doch so einfach geht das nicht immer: Bei Verdi führten die Gewerkschafter vor, wie so ein Konflikt auch im eigenen Laden eskalieren kann: Ungefähr 1000 der etwas mehr als 3000 Verdi-Bediensteten legten Anfang dieser Woche die Arbeit nieder. So etwas kommt selten vor. Entgeltverhandlungen innerhalb von Gewerkschaften wie auch in den Arbeitgeberverbänden laufen meistens ohne großes Aufsehen ab. Das liegt daran, dass beide Seiten im eigenen Haus bereits auf einer Basis aufbauen können, wenn sie sich an den Verhandlungstisch setzen. Bei den meisten Gewerkschaften gilt nämlich das sogenannte Referenzmodell. Das bedeutet, dass die von der Gewerkschaft in ihren Branchen abgeschlossenen Tarifverträge als Verhandlungsgrundlage für die eigene Belegschaft herangezogen werden.

Sechs Prozent Plus forderte Verdi im öffentlichen Dienst. Intern ist man knausriger

Bundesvorstand und Gesamtbetriebsrat orientieren sich entweder an den durchschnittlichen Abschlüssen in den eigenen Branchen; oder der umfangreichste Tarifvertrag, den die Gewerkschaft abgeschlossen hat, wird als Verhandlungsgrundlage verwendet. Bei der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) etwa orientieren sich die Forderungen des Gesamtbetriebsrates an den durchschnittlichen Abschlüssen in den NGG-Branchen. Konkret werden mit dem Geschäftsführenden Hauptvorstand jährlich die Gehaltserhöhungen verhandelt. Diese gelten für das Kalenderjahr. Ähnlich verfährt die IG Metall, deren Betriebsvereinbarung dann für etwa 2500 Beschäftigte bundesweit gilt. Sie orientiert sich an den Vorgaben aus der Metall- und Elektroindustrie und bescherte ihrer Belegschaft in diesem Jahr somit eine Entgelterhöhung von 2,8 Prozent.

Nach einem anderen Ansatz wird in den Verbänden der Arbeitgeberseite bestimmt, was die Mitarbeiter des Hauses verdienen: Bei der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) werden die Gehälter der Beschäftigten einzelvertraglich festgelegt - unter Berücksichtigung von Kriterien wie Qualifikation oder Berufserfahrung, wie es beim BDA heißt.

Verdi ist allerdings eine Ausnahme unter den acht Einzelgewerkschaften im Deutschen Gewerkschaftsbund. Hier gilt das Referenzmodell eben nicht. Während die Bediensteten anderer Einzelgewerkschaften also vor jeder Verhandlungsrunde eine Orientierungshilfe haben, können sich die Verdi-Bediensteten nicht darauf verlassen.

"Wir sind mit unserem Modell bisher immer gut gefahren", sagt Ulli Heinsch, Vorsitzender des Verdi-Gesamtbetriebsrates. Diesmal aber ist er mit seiner Forderung nach einer fünfprozentigen Entgelterhöhung abgeprallt. Geeinigt hat man sich auf ein Prozent Plus jetzt zum September, weitere zwei Prozent zum November 2017. Die geforderten fünf Prozent wären ein Prozent weniger gewesen, als Verdi selbst im Frühjahr im öffentlichen Dienst gefordert hatte.

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