Gegenkandidaten:Rangelei unter Verlierern

Russlands Opposition ist schwach, aber sie könnte ihre Kräfte bündeln. Doch dazu ist sie viel zu zerstritten, selbst das liberale Lager.

Von Frank Nienhuysen

Mit Tränen verließ sie das Studio, es war ein bitterer Moment für Xenia Sobtschak, nach all den anderen, die sie schon erlebt hatte an diesem Wahlsonntag in Russland. Sobtschak, liberale Journalistin, Moderatorin und Präsidentschaftskandidatin, erreichte nur 1,7 Prozent der Stimmen. Selbst in den verhältnismäßig liberalen Millionenstädten Moskau und Sankt Petersburg schaffte sie kaum mehr als vier Prozent. Doch die wohl noch größere Niederlage erlitt sie, als sie gegen 19 Uhr bei Alexej Nawalny antichambrierte.

Sobtschak ging in seine Youtube-Sendung "Nawalny live", und dort versuchte sie, den von der Wahl ausgeschlossenen Oppositionsführer Nawalny zu einer Zusammenarbeit zu bewegen. "Freiheit" stand auf ihrem schwarzen Kapuzenpulli. Sie sagte, das größte Problem der Opposition sei ihre Zersplitterung. "Alexej, ich will dich einladen", um Gespräche zu führen, Schritte zu unternehmen "gegen den ungerechten Staat", sagte sie. "Interessant", antwortete Nawalny. Dann nannte er Sobtschak "heuchlerisch", warf ihr "rituelle Phrasen" vor, "Lügen", und dass sie dieses Spiel überhaupt mitgemacht habe - also bei der Wahl antrat, während er selber zum Boykott aufgerufen hatte.

Eine liberale Partei habe ein Potenzial von zwölf Prozent, sagt ein Politologe

Der Antikorruptionskämpfer Nawalny, der bei der Moskauer Bürgermeisterwahl vor fünf Jahren fast 30 Prozent der Stimmen bekommen hatte, zeigt, wie schwer Russlands Opposition ihre Kräfte bündeln kann. Sobtschak hatte kurz vor der Präsidentenwahl mit dem ehemaligen Duma-Abgeordneten Dmitrij Gudkow eine neue Partei gegründet, um die Regierungskritiker zu einen. Ihr Berater Witalij Schkljarow, der schon in den USA für den Demokraten Bernie Sanders gearbeitet hatte, setzt vor allem auf die jungen Russen; die hatten sich schon mehrmals zu Tausenden auf die Straße getraut. "Wir wollen die Politik sexy für die Jugend machen", sagte Schkljarow der Moscow Times. Trotz Wladimir Putins Triumph - Veränderungen wollen viele Russen: mehr Demokratie, eine neue Führung, mehr Freiheiten. Doch unterhalb der großen Begriffe wird es schon schwierig für die Oppositionellen. Allein beim Thema Krim liegen etwa Sobtschak ("Die Krim ist ukrainisch") und Nawalny weit voneinander entfernt. Dass nun nach Gemeinsamkeiten gesucht und diese betont werden, um künftige Wahlchancen zu erhöhen, ist derzeit nicht abzusehen.

"Das Land geht auf einen Abgrund zu", sagt zwar der liberale Präsidentschaftskandidat Grigorij Jawlinskij von der Partei Jabloko. Aber er kritisiert, dass andere Kandidaten "einen Hype und eine billige Show" gemacht hätten, während er versucht habe, über die Probleme des Landes zu reden und Alternativen vorzuschlagen. Er dürfte auch Sobtschak gemeint haben, die ihm im liberalen Lager sicher Stimmen abgenommen hat. Für Jawlinskij stimmte gerade mal ein Prozent der Russen. Mit ihrer neuen Partei werde Sobtschak die Opposition nur noch weiter zersplittern, sagt der Politologe Alexej Makarin. Dabei gebe es für eine liberale Partei ein Potenzial von etwa zwölf Prozent.

Die Kommunisten haben mit alldem nichts zu tun. Sie sind zwar zweitstärkste Partei, aber ihre Kritik am Kreml beschränkt sie stets auf den Wahlkampf. Danach fällt sie weitgehend sanft auf Regierungslinie zurück.

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