Gegenentwurf von Bertolt Brecht:Die "Kinderhymne"

Die "Kinderhymne" schrieb Bertolt Brecht in der Nachkriegszeit als Gegenstück zur Nationalhymne, die er nach der Zeit des Nationalsozialismus als nicht mehr verwendbar empfand. Zur Zeit der Wiedervereinigung war sie als neue deutsche Nationalhymne im Gespräch.

In Brechts Kinderhymne kommen gar keine Kinder vor. Der Dichter hat den Text 1950 als eine Art Gegenentwurf zur bundesdeutschen Nationalhymne entworfen. Brecht und Hanns Eisler ging es mit ihren Kinderliedern darum, beispielhaftes Verhalten in der neuen Gesellschaft vorzuführen, freundlich und nicht belehrend.

Nach der Wiedervereinigung 1990 gab es es diverse Versuche, das Gedicht als neue gesamtdeutsche Ode zu etablieren, sozusagen als Distanzierung vom Nationalismus, aber doch mit nationalbewusster Aussage: "Anmut sparet nicht noch Mühe / Leidenschaft nicht noch Verstand / Dass ein gutes Deutschland blühe / Wie ein and'res gutes Land."

Die zweite Strophe kann als Plädoyer für Völkerverständigung verstanden werden: "Dass die Völker nicht erbleichen / Wie vor einer Räuberin / Sondern ihre Hände reichen / Uns wie andern Völkern hin."

In der dritten Strophe persifliert Brecht die von den Nationalsozialisten missbrauchte erste Strophe des Deutschlandliedes. Statt "von der Maas bis an die Memel, von der Etsch bis an den Belt" heißt es in der Kinderhymne: "Und nicht über und nicht unter / Andern Völkern wolln wir sein / Von der See bis zu den Alpen / Von der Oder bis zum Rhein."

Die Hymne schließt mit der Aufforderung, stets den Fortschritt zu suchen, sowie der Betonung des Rechtes eines jeden Volkes, sein Land zu schützen: "Und weil wir dies Land verbessern / Lieben und beschirmen wir's / Und das liebste mag's uns scheinen / So wie andern Völkern ihrs."

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