Gefechte in Afghanistan:Zu gefährlich für den Minister

Erstmals wollte Verteidigungsminister Guttenberg bei einem Afghanistan-Besuch die sicheren Mauern der Feldlager verlassen. Doch dann griffen die Taliban an.

Es wäre wohl die bisher gefährlichste Dienstreise von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg geworden. Am Freitagmorgen brach der CSU-Politiker mit einem Hubschrauber vom nordafghanischen Kundus auf, um erstmals einen Truppenteil außerhalb der schützenden Mauern der Feldlager zu besuchen.

Verteidigungsminister Guttenberg in Afghanistan

Musste seine Pläne ändern: Verteidigungsminister Guttenberg am Freitag im Feldlager Masar-i-Scharif. 

(Foto: dpa)

Daraus wurde aber nichts. Nach zehn Minuten Flugzeit drehte der Helikopter um und flog zurück nach Kundus. Der Grund: Die schnelle Eingreiftruppe (Quick Reaction Force), die Guttenberg in der Unruheprovinz Baghlan besuchen wollte, war plötzlich in schwere Kämpfe mit den radikalislamischen Taliban verwickelt worden. "Sicherheit geht vor, auch für die Männer vor Ort", sagte der Minister nach der Rückkehr.

Der Zeitplan für die Reise war schon zuvor durcheinandergekommen: Wegen eines Maschinenschadens hatte Guttenberg das Regionalkommando der Internationalen Schutztruppe Isaf im nordafghanischen Masar-i-Scharif in der Nacht auf Freitag erst mit 16 Stunden Verspätung erreicht, wie der Sprecher des Verteidigungsministeriums, Steffen Moritz, sagte. Von Masar-i-Scharif war Guttenberg am Freitagmorgen dann in das deutsche Feldlager bei Kundus weitergereist.

Guttenberg wünscht sich trotz aller Skepsis seiner Sicherheitsleute schon lange einen Ausflug in eines der Gebiete, in der deutsche Soldaten Tag für Tag ihr Leben riskieren. Der zeitliche und der logistische Aufwand ließen es bei seinen ersten Afghanistan-Touren aber nicht zu. Jetzt wurde es aus anderen Gründen wieder nichts. Nur wenige Minuten vor dem Abflug hatte Guttenberg erneut gewarnt, dass sich die Sicherheitslage in den nächsten zwei Monaten vor den Parlamentswahlen in Afghanistan weiter verschlechtern könnte. "Es ist eine Situation, die uns sehr viele Sorgen macht", sagte er.

Der Bundeswehrkommandeur in Kundus, Oberst Reinhardt Zudrop, zeigte sich kaum verwundert über den Taliban-Angriff in Baghlan, wo vor drei Monaten vier deutsche Soldaten getötet wurden. "Es passt in das Gesamtbild der hohen Aktivität, die wir hier zur Zeit im Nordbereich haben." Tatsächlich hat sich die Lage in Afghanistan seit dem Frühjahr zusehends verschlechtert. Im Juni wurden 102 Isaf-Soldaten getötet, mehr als in jedem anderen Monat seit Beginn des Einsatzes Ende 2001.

Auch im Zuständigkeitsbereich der Bundeswehr im Norden sind Gefechte fast schon an der Tagesordnung. Neben den Kämpfen in Baghlan gab es am Freitag in Kundus einen Sprengstoffanschlag, bei dem glücklicherweise niemand verletzt wurde. Welche Wucht die Sprengfallen der Taliban haben, konnte Guttenberg im Feldlager besichtigen.

Zudrop zeigte ihm einen Fuchs-Panzer, dessen Boden von einem Sprengsatz teilweise zerfetzt worden war. Wären Soldaten im Laderaum gewesen, sie hätten es wohl nicht überlebt. Noch gefährlicher könnte es für die deutschen Soldaten durch die Umsetzung der neuen Afghanistan-Stratagie werden. Dieser Tage beginnt die Truppe mit der verstärkten Ausbildung der afghanischen Armee in der Fläche, dem sogenannten Partnering. Das heißt, deutsche Kräfte werden noch häufiger und noch länger in gefährlichen Einsätzen sein und die Afghanen noch enger begleiten. "Wir gehen in den Wald hinein und scheuchen das Wild auf", beschreibt der Isaf-Kommandeur für Nordafghanistan, Generalmajor Hans-Werner Fritz, die Strategie.

Ein solches Vorgehen rufe eben auch Reaktionen hervor. Die Isaf hat in Nordafghanistan mächtig aufgerüstet. Auch davon konnte Guttenberg sich am Freitag ein Bild machen. Am Morgen nahm er in Masar-i-Scharif an einer Zeremonie zur Übergabe von 40 amerikanischen Kampf-, Transport- und Sanitätshubschraubern an das Regionalkommando teil. Ein amerikanischer Oberst überreichte ihm dabei die Hülse eines 30-Millimeter-Geschosses, das ein Apache-Hubschrauber am Vortag bei einem Gefecht abgeschossen hatte.

Die Amerikaner sind mit rund 5000 Soldaten im Norden inzwischen genauso stark präsent wie die Deutschen. Insgesamt sind 12.000 Soldaten aus 19 Ländern in der Region stationiert, doppelt so viele wie noch vor einem Jahr.

Guttenberg ist inzwischen wieder auf der Heimreise nach Deutschland, wo er am Abend ankommen soll.

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