Gefechte bei Kundus:Bundeswehr tötet irrtümlich afghanische Soldaten

Nur wenige Stunden nach dem Tod von drei Deutschen nahe Kundus haben Soldaten der Bundeswehr irrtümlich mehrere afghanische Sicherheitskräfte erschossen. Sie hatten an einer Sicherheitskontrolle nicht angehalten.

Nur wenige Stunden nach dem Tod von drei deutschen Soldaten im Norden Afghanistans haben Bundeswehrsoldaten irrtümlich mehrere afghanische Sicherheitskräfte erschossen. Nach Angaben des Einsatzführungskommandos in Potsdam starben dabei am Freitagabend in der Nähe von Kundus fünf afghanische Soldaten. Vertreter von NATO und afghanischen Streitkräften sagten, es waren sechs.

"Die deutschen Soldaten eröffneten das Feuer auf ein Fahrzeug der afghanischen Armee und töteten sechs Soldaten", sagte Gouverneur Mohammad Omar der Nachrichtenagentur dpa. Nach Angaben der Bundeswehr bewegten sich zwei zivile Kraftfahrzeuge am Freitagabend in der Nähe von Kundus auf eine Gruppe von Bundeswehrsoldaten zu.

Die Afghanen hielten nicht an, um sich überprüfen zu lassen. Daraufhin eröffnete ein deutscher Schützenpanzer das Feuer auf eines der Fahrzeuge. Ein Sprecher der Bundeswehr sagte, man bedauere den Vorfall zutiefst. Das Geschehen werde überprüft.

Der neue Zwischenfall ereignete sich nach Angaben der Bundeswehr, als am Freitagabend deutsche Soldaten das Feldlager in Kundus verließen, um die vorher im Gefecht eingesetzten Kräfte abzulösen.

Auf dem Weg dahin fuhren die beiden zivilen Autos auf die Bundeswehr zu und hielten auch nach allen "von deutscher Seite durchgeführten Sicherheits- und Identifizierungsverfahren" nicht an. Später stellte sich heraus, dass es sich um zivile Fahrzeuge der afghanischen Armee gehandelt habe.

"Gefährlich, gleichwohl notwendig"

Zuvor waren bei einem Gefecht mit radikalislamischen Taliban am Freitag drei deutsche Soldaten getötet worden. Es war das folgenschwerste Gefecht für die Bundeswehr seit ihrem Bestehen. Drei Soldaten wurden getötet, vier Soldaten schwer verletzt, vier weitere leicht. Die getöteten deutschen Soldaten stammen aus einem Verband in Niedersachsen, bestätigte der Sprecher des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr in Potsdam.

Nach Angaben des Sprechers sollten die schwer verletzten deutschen Soldaten am Samstagnachmittag nach Deutschland ausgeflogen werden. Eine Patrouille hatte am Freitagmittag eine Straße in Schahar Dar routinemäßig nach versteckten Sprengsätzen abgesucht, als sie von Taliban-Kämpfern angegriffen wurden. Sie erwiderten das Feuer. Dabei fuhr eines der gepanzerten Fahrzeuge der Bundeswehr über eine Sprengladung. Die Soldaten wurden teilweise durch die Explosion getötet und verletzt, andere von Aufständischen aus einem Hinterhalt mit Handfeuerwaffen tödlich beschossen oder verwundet. Die schweren Gefechte waren am späten Abend beendet.

Mit Bestürzung und Betroffenheit hatten Regierung und Opposition auf den Tod der drei deutschen Soldaten reagiert. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verurteilte den "hinterhältigen Angriff" scharf.

Seit Beginn des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan 2002 sind dort 39 deutsche Soldaten getötet worden. Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) unterbrach seinen Osterurlaub in Südafrika und wird nach Angaben seines Ministeriums früher nach Deutschland zurückkehren. "Mit großer Betroffenheit habe ich heute von den gefallenen und verwundeten deutschen Soldaten in Afghanistan erfahren müssen", hieß es in einer schriftlichen Stellungnahme des Ministers. "Angesichts von Gefechten dieses Ausmaßes wird deutlich, wie gefährlich der gleichwohl notwendige Einsatz in Afghanistan ist."

SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier sprach von einem "feigen und hinterhältigen Anschlag". Die Linksfraktion im Bundestag verlangte den sofortigen Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan.

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