Gefährlicher Straßenverkehr:Die Prüfung nach der Prüfung

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Die beiden Risikogruppen auf der Straße liegen weit auseinander: Fahranfänger und Senioren. Junge Autofahrer sind allerdings am meisten gefährdet - zwei Projekte sollen in Deutschland die hohen Unfallzahlen senken.

Von Marion Zellner

Von Alkohol und Drogen umnebelt, von Selbstüberschätzung getrieben, mit Unwissenheit gestraft - junge Autofahrer haben in Deutschland ein verheerendes Image. Dieser schlechte Ruf beruht auf erschreckenden Unfallzahlen: Jahr für Jahr weist das Statistische Bundesamt junge Fahrer zwischen 18 und 24 Jahre als Risikogruppe Nummer eins im Straßenverkehr aus. So starben vergangenes Jahr 1150 junge Männer und Frauen dieser sieben Jahrgänge im Auto.

Ein Polizist schaut am Mittwoch in den völlig zerstörten Wagen der Mercedes S-Klasse eines 14-jährigen Unfallverursachers. (Foto: Foto: dpa)

Insgesamt wurden 17 900 junge Leute schwer und 78.700 leicht verletzt. Damit gehören jeweils 21 Prozent aller im Straßenverkehr Getöteten und Verletzten dieser Altersgruppe an, obwohl ihr Anteil an der Bevölkerung nur acht Prozent ausmacht. Erschreckend ist auch ihr hoher Anteil als Hauptverursacher. Denn bei 64,1 Prozent aller Unfälle mit Personenschaden, an denen junge Leute beteiligt sind, sind sie auch alleiniger Auslöser. Häufigste Ursachen: zu hohe Geschwindigkeit, zu geringer Abstand und Fahren unter Alkoholeinfluss.

Auch im internationalen Vergleich nimmt Deutschland bei den jungen Fahrern eine negative Spitzenstellung ein. Wie eine aktuelle Studie der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) über die Absenkung des Unfallsrisikos bei jungen Fahrern zeigt, sind 18- bis 20-Jährige, also die Fahranfänger, in Deutschland besonders gefährdet. Deren Risiko, bei einem Autounfall tödlich zu verunglücken, ist auf deutschen Straßen doppelt so hoch wie etwa in Schweden oder Frankreich.

"Das Unfallrisiko junger Fahrer ist unmittelbar nach der Führerschein-Prüfung am größten: Nach neun Monaten hat es sich bereits halbiert", sagt Georg Willmes-Lenz, Leiter der BASt-Studie. Da Führerschein-Novizen aufgrund ihrer mangelnden Erfahrung besonders gefährdet sind, konzentrieren sich die Bemühungen, das Unfallrisiko zu senken, vor allem auf sie. "Nach der Führerscheinprüfung sollen junge Leute perfekte Fahrer sein. Es gibt aber keinen Schonraum für sie," so der Verkehrspsychologe Bernhard Schlag von der TU Dresden. "In Wahrheit sind sie verunsichert."

In Deutschland laufen derzeit zwei Projekte, die Fahranfängern mehr Erfahrung und damit mehr Sicherheit bringen sollen. Seit diesem Jahr wird in 13 Bundesländern eine "zweite Fahrausbildungsphase" auf freiwilliger Basis angeboten. Ein halbes Jahr nach der Prüfung können Fahranfänger damit beginnen. Die Ausbildung beinhaltet drei Gruppentreffen von jeweils 90 Minuten.

Dabei wird über die persönlichen Erfahrungen im Straßenverkehr, die Einschätzung eigener Stärken, Schwächen und Ängste gesprochen. Dazu gibt es eine einstündige Übungsfahrt und ein Sicherheitstraining. Begleitet werden die Führerscheinneulinge von speziell ausgebildeten Fahrlehrern. Manko dabei ist: Zu den heute üblichen Führerscheinkosten von 1500 bis 2000 Euro kommen weitere 250 bis 300 Euro für diese zweite Ausbildungsphase hinzu. Der Anreiz, daran teilzunehmen, ist die Verkürzung der zweijährigen Führerschein-Probezeit auf ein Jahr. Dieser wurde bereits 1986 eingeführt und sieht Nachschulungen vor, wenn Fahranfänger die Regeln brechen.

Prinzip Zuckerbrot und Peitsche

Die "zweite Ausbildungsphase" stößt allerdings nicht auf großes Interesse. Anders beim begleiteten Fahren, das als Projekt im Frühjahr in Niedersachsen startete. "Das Interesse hat unsere Erwartungen weit übertroffen. Statt der erhofften fünf Prozent Anmeldungen, sind es jetzt zwischen 15 und 20 Prozent", sagt Dieter Hartmann vom Niedersächsischen Verkehrsministerium. Bayern, Nordrhein-Westfalen, Hamburg und Bremen wollen in Kürze nachziehen.

Beim begleiteten Fahren kann der Führerschein mit 17 gemacht werden; allerdings dürfen die jungen Fahrer im ersten Jahr nur in Begleitung eines Elternteils hinters Steuer. Für den Psychologen Bernhard Schlag das Prinzip von "Zuckerbrot und Peitsche".

Doch Erfahrungen im Ausland, etwa in Schweden, hätten gezeigt, dass die positiven Auswirkungen durch begleitetes Fahren "um ein Vielfaches höher" seien, als durch den Führerschein auf Probe, so Willmes-Lenz. Sanktionen, wie sie junge Autofahrer in den USA in Kauf nehmen müssen -- etwa Tempolimit, Nachtfahrverbot oder PS-schwache Autos - seien keine Lösung, denn: "Junge Leute müssen ihre Erfahrungen gleich sammeln können."

© SZ vom 21.8.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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