Geert Wilders in Berlin:Lektionen für die "Endlich sagt es mal jemand"-Fraktion

Menschenmassen und große Reden - so hat sich die Partei "Die Freiheit" den Auftritt des Rechtspopulisten Geert Wilders in Berlin vorgestellt. Geboten wurden: dumpfe Reden und einfache Antworten auf komplizierte Fragen. Viele Stühle im Saal blieben leer.

Thorsten Denkler, Berlin

Gegenüber dem Bendlerblock - ausgerechnet. Dort, wo die Hitler-Attentäter des 20. Juli 1944 um Graf von Stauffenberg hingerichtet wurden. Widerstandskämpfer, wie es nicht allzu viele gab im Nazi-Reich. Heute steht genau auf der gegenüberliegenden Seite ein prunkvolles Maritim-Hotel.

Dutch right-wing politician Wilders of Freedom Party delivers speech in Berlin

Vermeintliche Lichtgestalt bei einer kleinen grauen Partei: Der niederländische Rechtspopulist Geert Wilders.

(Foto: REUTERS)

Die Partei "Die Freiheit" des Berliner Islamgegners René Stadtkewitz hält dieses Hotel, diesen Ort, für geeignet, um an einem sonnigen Spätsommertag Geert Wilders zu einem Vortag einzuladen. Weil es auch heute gelte, Widerstand zu leisten, sagt Stadtkewitz später in seiner Rede. Gegen den "Volksverrat" an Staat und Bürgern, begangenen von den derzeit Regierenden.

"Abendland wird abgebrannt! Gestern Paris, heute London, morgen Berlin?", so lautet der Titel dieser Messe der Rechtspopulisten - was übrigens kein Schimpfwort ist. Als Rechtspopulisten lassen sie sich gerne bezeichnen. Weil "wir das Recht wieder populär machen", wie die Jugendorganisation der Partei "Die Freiheit" verkündet.

Darum auch Wilders, der "Star", der "bekannteste Politiker Europas". So wird er hier von Parteivorstandsmitglied Felix Strüning angekündigt. Seinetwegen stünden "Menschenmassen" vor der Tür Schlange und erwarteten sehnsüchtig seine "große Rede".Von einem Massenevent ist die Veranstaltung jedoch weit entfernt. Viele der 800 Sitzplätze im Saal sind noch frei.

Anfangs wollte die Partei noch 100 Euro haben für einen Platz ganz vorne, ganz nahe bei den "großen Freiheitskämpfern", wie sich Wilders, Stadtkewitz und der Schweizer Oskar Freysinger gerne nennen lassen. Das war wohl doch etwas hoch gegriffen. Zuletzt wurden die Karten für fünf Euro verramscht. Man muss sagen: ein angemessener Preis.

Wilders hat mit islamfeindlichen Thesen in den Niederlanden große Wahlerfolge erzielt. Seine "Partei für die Freiheit" ist bei den Parlamentswahlen so stark geworden, dass die Minderheitsregierung aus Christ- und Freidemokraten sich von ihr tolerieren lassen muss.

So weit will Stadtkewitz auch kommen, jetzt erstmal in Berlin, wo am 18. September das Abgeordnetenhaus neu gewählt wird. Später auch im Bund. Das ist die Vision. Nur: Stadtkewitz ist kein Wilders, sondern nur ein kleiner, grauer Mann mit überschaubaren rhetorischen Fähigkeiten. Er war bis vor gut einem Jahr Hinterbänkler der CDU-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus. Dann schmiss ihn die Fraktion raus, weil er zum ersten Mal Wilders für einen Vortrag nach Berlin geholt hatte.

Eine "Endlich sagt es mal einer"-Stimmung

Vor dem Maritim versammeln sich die Anhänger von Stadtkewitz und seiner Partei, die sich "Bürgerrechtspartei" nennt. Dass muss nicht wundern. Die DDR hat sich auch immer demokratisch genannt.

Wortfetzen schwallen herüber. Die "Araber und die Perser" und "der Sarrazin". Erstaunlich breitbeinig stehen manche da, das Becken nach vorne gedrückt, die Unterarme auf den alles überwölbenden Bauch gelegt, Zigarette in der Rechten. Ein anderer mit stählern zurückgegeelten Haaren, rosa Krawatte und farblich abgestimmtem Einstecktuch. Einer der wenigen bunten Vögel unter den Gästen. Die meisten sind so grau wir der Vorsitzende.

Das hindert sie nicht, die Haltung derer einzunehmen, die es immer schon besser gewusst haben. Sie werden gleich hineingehen in den Konferenzsaal - um sich bestätigt zu sehen, von diesem Holländer mit dem wallenden, wasserstoffblond gefärbten Haar.

Eine "Endlich sagt es mal einer"-Stimmung erfüllt den Saal. Wie bei einer Lesung von Thilo Sarrazin. Der streitbare Sozialdemokrat gehört mit seinem umstrittenen Buch "Deutschland schafft sich ab" zu den Ikonen dieser Bewegung. Er wird hier viel zitiert von den selbsternannten Freiheitskämpfern.

Frenetisch wird schon der Einzug von Wilders, Stadtkewitz und Freysinger gefeiert. Die Leute springen von den Stühlen und reißen die Arme hoch zum Applaus. Auf Versammlungen von Sekten dürfte es ähnlich zugehen.

Sie klatschen besonders gerne, wenn es gegen den Islam und seine vermeintlichen Verbündeten geht. Ausgewiesen werden sollten jene, die als "türkisch-arabische Großfamilien hier ihn Unwesen treiben", sagt Stadtkewitz. Und auch die, die "rotzfrech mit dem 7er BMW beim Jobcenter vorfahren". Was das mit dem Islam zu tun hat? Eine Antwort darauf gibt es nicht.

Sind das Faschisten, Rechtsradikale, Nazis? Stadtkewitz sieht sich davon weit entfernt. Ein klares Bekenntnis zu Israel soll ja wohl reichen. Alles andere ist von den Medien gemacht.

Wilders will mit den Schmuddelkindern vom rechten Rand nichts zu tun haben: "Deutschland braucht eine rechte Partei, die nicht belastet ist mit Neonaziverbindungen und Antisemitismus", sagt er in gestochenem Deutsch.

Ein paar Sätze später aber verrät er sich doch. Der "Kulturrelativismus" müsse beendet werden, sagt er. Und setzt hinterher: "Unsere westliche Kultur ist anderen Kulturen weit überlegen". Viel Applaus gibt es für diesen Satz. Auch von Stadtkewitz. Genau diese Überlegenheitsphantasien waren ein fester Bestandteil der nationalsozialistischen Ideologie.

Der Islam gehört zu Deutschland? Als Wilders Bundespräsident Christan Wulff damit zitiert, wird gebuht und gepfiffen. Diese Bewegung will den Islam in Europa ausmerzen. Wilders zählt seine Erfolge auf, seit er in den Niederlanden quasi mitregiert: Burkas werden verboten, die Einwanderung aus nichtwestlichen Ländern um bis zu 50 Prozent reduziert. Wer mit doppelter Staatsbürgerschaft mehrfach schwere Verbrechen begeht, dem werde die niederländische Staatsbürgerschaft entzogen.

Da staunen einige, was möglich ist, wenn einer wie Wilders in der ersten Reihe steht. Aber die Berliner Freiheitsbewegten haben eben nur Stadtkewitz und der ist nach Umfragen weit davon entfernt, ins Berliner Abgeordnetenhaus einzuziehen. Ein kleiner grauer Mann für eine kleine graue Partei.

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