Gazastreifen:Israelische Armee darf Hunderte Häuser zerstören

Aus Rache für die fünf getöteten Soldaten soll die Armee einen israelischen Korridor in Rafah verbreitern - und dabei Wohnhäuser dem Erdboden gleich machen.

Wie der israelische Hörfunk unter Berufung auf ranghohe Militärquellen berichtete, erteilte Ministerpräsident Ariel Scharon der Armee die Genehmigung, einen "Philadelphia" genannten Korridor an der Grenze zu Ägypten zu "erweitern" und die dortigen Häuser dem Erdboden gleich zu machen. "Zunächst werden verlassene Gebäude zerstört, anschließend weitere bewohnte Häuser", hieß es in dem Bericht.

Israel werde für betroffene Palästienser Ersatzwohnraum bereit stellen. Die Armeeführung und das Verteidigungsministerium wollten den Bericht zunächst nicht kommentieren.

Leichensuche fortgesetzt

Bisher verläuft an der Grenzlinie nur eine von Stahlbarrieren und Zäunen abgesicherte Straße. Der Ausbau solle es militanten Palästinensern künftig unmöglich machen, Fahrzeug mit Gewehren oder Panzerfäusten zu treffen.

Unterdessen wurde am Freitag die Suche nach sterblichen Überresten einer Panzerbesatzung fortgesetzt. Das Fahrzeug mit den fünf Israelis war am Mittwoch in Rafah nach einem palästinensischen Angriff explodiert, wobei geladener Sprengstoff die Wirkung enorm verstärkte. Seit Dienstag sind 30 Palästinenser und 11 Soldaten im Gazastreifen in Kämpfen getötet worden.

Bulldozer im Flüchtlingslager

Ins Flüchtlingslager Rafah rückten am Freitag erneut Bulldozer ein, nach palästinensischen Angaben wurde mindestens ein Haus zerstört. Das Ausmaß des Schadens sei jedoch nicht absehbar, da die israelischen Truppen das Areal abgesperrt hätten.

Der palästinensische Kabinettsminister Sajeb Erakat rief die USA zur Intervention auf. "Dies ist eine Katastrophe", sagte er. Während Israel von einem Rückzug aus dem Gazastreifen spreche, rücke es stattdessen ein. "Ich hoffe, dass Präsident Bush, der sich über einen Abzug ermutigt geäußert hat, eingreift, um die Zerstörungen zu stoppen."

Anschlag auf jüdische Siedlung

Die Armee teilte unterdessen mit, in der Nacht zum Freitag sei ein Anschlag auf eine jüdische Siedlung im südlichen Gazastreifen vereitelt worden. Zwei Palästinenser hätten versucht, in der Nähe der Siedlung Rafah Jam einen Sprengsatz zu deponieren. Soldaten hätten einen Mann erschossen und den anderen verletzt. Das 22-jährige Todesopfer gehörte den Komitees des Volkswiderstands an, wie die bewaffnete Palästienserorganisation mitteilte.

71 Prozent der Israelis für Rückzug aus Gazastreifen

Nach der jüngsten Gewalteskalation im Gazastreifen stellen sich immer mehr Israelis hinter Regierungspläne zu einem einseitigen israelischen Rückzug. Mittlerweile liegt die Rückendeckung für den Vorschlag von Ministerpräsident Ariel Scharon bei 71 Prozent, wie eine am Freitag veröffentlichte Umfrage in der Zeitung "Jediot Ahronot" ergab. Vor gut einer Woche unterstützten 62 Prozent den einseitigen Abzug aus dem Gazastreifen, 32 waren dagegen. In der neuen Umfrage unter 503 Israelis lehnen nur noch 24 Prozent den Rückzug ab.

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