Gaza-Streifen:Ägypten will gegen Hamas vorgehen

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Erst wurden die Muslimbrüder in Ägypten zur terroristischen Vereinigung erklärt, nun will das Militär auch den palästinensischen Ableger der Islamisten im Gaza-Streifen - die Hamas - entmachten. Allerdings mit eher indirekten Methoden.

Das ägyptische Militär hat sich vorgenommen, gegen die Hamas im benachbarten Gaza-Streifen vorzugehen, um die Islamisten dort langfristig loszuwerden.

Während im vergangenen Jahr allerdings sogar bereits militärische Optionen erwogen wurden, ist der Nachrichtenagentur Reuters zufolge nun von eher indirekten Maßnahmen die Rede. So will Ägypten ökonomischem Druck ausüben und die politische Opposition in dem Küstenstreifen zwischen Ägypten und Israel stärken.

Die Hamas ist ein palästinensischer Ableger der Muslimbrüder, die in Ägypten inzwischen als terroristische Organisation eingestuft sind. 2007 hatten die radikalen Islamisten die Macht im Gaza-Streifen nach einem kurzen und blutigen Kampf mit der moderateren Fatah von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas an sich gerissen. Seitdem herrscht sie in dem verarmten Küstenstreifen, der gleichermaßen von Israel wie Ägypten isoliert wird.

"Gaza ist als nächstes dran", sagt ein hochrangiger ägyptischer Sicherheitsmann. "Ihre Zeit wird kommen", fügt er mit Blick auf das Ende der Hamas-Herrschaft hinzu. Der Kampf gegen den Muslimbruder-Ableger wird in den oberen Etagen des Sicherheitsapparates in Kairo offenbar als strategische Priorität für die kommenden Jahre angesehen.

Dies könnte eine Zuspitzung im Konflikt der beiden Länder mit weitreichenden Folgen in der ganzen Region sein.

Als das Volk in Ägypten 2011 den langjährigen Machthaber Husni Mubarak stürzte und der Muslimbruder Mohammed Mursi zum ersten frei gewählten Präsidenten aufstieg, schien der Ableger in Gaza am Ziel. Mursi empfing Hamas-Ministerpräsident Ismail Hanijeh im Präsidentenpalast - sehr zum Missfallen der Armee, die damals aber nicht eingriff.

Nach dem Sturz Mursis hat sich die strategische Situation für die Hamas entscheidend verschlechtert: Ihr Mentor sitzt im Gefängnis, die Muslimbrüder sind als terroristische Organisation eingestuft und verboten, und die Armee denkt darüber nach, wie sie langfristig ein Wiedererstarken der Islamisten verhindern kann.

"Wir können uns nicht vom Terror der Bruderschaft in Ägypten befreien, wenn wir ihn nicht auch in Gaza beenden, das an unserer Grenze liegt", begründet der hochrangige Vertreter des Sicherheitsapparats den Entschluss zum Vorgehen gegen Hamas.

Die Konturen einer Strategie zum Sturz der Islamisten umreißt er auch: "Alles, was die Menschen wollen, ist etwas zu essen und zu trinken und ein anständiges Leben führen", sagte der Informant aus der Spitze des Sicherheitsapparates in Anspielung auf den wachsenden Unmut der Bevölkerung in Gaza mit den Herrschenden. "Wenn eine Regierung nicht schafft, das zu liefern, werden sich die Leute früher oder später auflehnen."

Der Sturz der Hamas könne Jahre dauern, räumt er mit Blick auf die 20.0000 Hamas-Leute unter Waffen und weitere 20.000 Polizisten unter Kontrolle der Islamisten ein. Aber Ägypten scheint entschlossen, ihn soweit zu beschleunigen wie möglich: Seit die Armee in Kairo das Sagen hat, wurden bereits die meisten der 1200 Tunnel zwischen dem Gaza-Streifen und Ägypten zerstört. Die Versorgung mit Lebensmitteln, aber auch Waffen wird dadurch weiter erschwert, die Unzufriedenheit dürfte wachsen.

Das Vorgehen gegen Hamas soll auch die weitere Destabilisierung auf der Sinai-Halbinsel verhindern. Den Beteuerungen der Gaza-Herrscher, nicht hinter Anschlägen auf dem Sinai zu stehen, glaubt man in Kairo nicht. "Sie können erzählen, was sie wollen. Wir verlassen uns auf unsere eigenen Informationen. Wir wissen, Hamas ist die Bruderschaft, und die sind Terroristen. Und kein Land kann sich mit Terroristen in seinen Reihen entwickeln."

"Jemand wird einschreiten"

Neben ökonomischem Druck will Ägypten auch auf den Druck durch politischen Opposition setzen. So unterstützen die neuen Machthaber die Bildung einer Hamas-kritischen Jugendorganisation nach dem Vorbild jener Gruppe, die in Ägypten maßgeblich die Anti-Mursi-Proteste trug: Tamarud-Rebellen. Eine Konferenz der Gaza-Jungrebellen fand bereits in Ägypten statt. "Tamaruds kosten nicht viel", erläutert der Sicherheitsmann einen weiteren Vorteil der Strategie.

Sollte die Hamas unter weiterem Druck noch gewaltsamer als bislang gegen die Opposition vorgehen, könnte dies auch in die Hände ihrer Gegner spielen, so das Kalkül in Ägypten. "Die Welt wird nicht stillhalten und der Hamas erlauben, Palästinenser umzubringen. Jemand wird einschreiten", hofft man im ägyptischen Sicherheitsapparat. "Wir arbeiten derzeit daran, den ersten Funken zu entfachen."

Dritte Säule zur Schwächung von Hamas soll die politische Stärkung der moderateren Fatah sein, die nur im Westjordanland das Sagen hat. Es habe dazu bereits Gespräche mit der Fatah gegeben, um auszuloten, wie eine Unterstützung aussehen könnte, heißt es in Kairo.

Ein Sturz der Hamas würde auch für den Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern neue Chancen eröffnen. Die Hamas hat in ihren Statuten die Vernichtung Israels verankert und mit ihren Raketenangriffen mehrere Kriege mit Israel ausgelöst. Die Teilung der Palästinensergebiete gilt zudem als eines der Probleme bei einer künftigen Friedensregelung. Zu ihrer Überwindung einen Beitrag geleistet zu haben, würde sicher auch dem Ansehen Ägyptens im Westen nicht schaden - schon gar nicht bei seinem Hauptgeldgeber USA. Dies dürfte ein weiteres - wenn auch nicht ausgesprochene Motiv hinter der neuen Entschlossenheit in Kairo sein.

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