Gauck gegen Klarsfeld:Bundesversammlung tritt an

Um zwölf Uhr kommt die Bundesversammlung im Reichstag zusammen. Die Wahl des Fünf-Parteien-Kandidaten Joachim Gauck zum Bundespräsidenten gilt als sicher. Der ehemalige DDR-Bürgerrechtler kündigt für den Wahltag nur Dankesworte und keine politische Rede an.

Die Bundesversammlung wählt heute in Berlin einen neuen Bundespräsidenten. Die Wahl des früheren DDR-Bürgerrechtlers Joachim Gauck gilt als sicher, denn der 72-jährige parteilose Theologe wird von einer beispiellosen Fünf-Parteien-Koalition aus CDU, CSU, FDP, SPD und Grünen unterstützt. Für die Linke kandidiert die Nazi-Jägerin Beate Klarsfeld, die 73-Jährige ist aber chancenlos. Die Bundesversammlung tritt um zwölf Uhr im Reichstag zusammen. Zuvor wird es Fraktionssitzungen sowie einen ökumenischen Gottesdienst geben.

Joachim Gauck und Daniela Schadt

Der künftige Bundespräsident Joachim Gauck und seine Lebensgefährtin Daniela Schadt wollen nicht "nur aus protokollarischen Gründen" heiraten.

(Foto: Getty Images)

Von seinem Leben als normaler Bürger nahm Gauck am Samstag mit "sehr gemischten Gefühlen" Abschied, wie er erklärte. "Ich kann Ihnen die nicht beschreiben", sagte er auf die Nachfrage von Journalisten am Rande von kurzen Besuchen bei Fraktionen der Bundesversammlung.

Die Bundesversammlung besteht aus den Mitgliedern des Bundestages und einer gleichen Anzahl von Delegierten, die von den Landesparlamenten gewählt werden. Von den insgesamt 1240 Delegierten werden voraussichtlich 1238 anwesend sein. Dazu gehören auch Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens.

Unions-Fraktionschef Volker Kauder sagte, er sei zuversichtlich, dass Gauck eine breite Mehrheit bekomme. "Das ist eine große Ermunterung, diese nicht leichte Aufgabe zu übernehmen." SPD-Fraktionschef Fran-Walter Steinmeier sagte, er freue sich über die große Zustimmung für den von Rot-Grün vorgeschlagenen Kandidaten. Gauck werde ein Bundespräsident sein, "an dem sich viele reiben werden", manchmal auch die SPD. "Aber gerade deshalb ist es der richtige Präsident." FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle erklärte, Gauck werde "unserem Land guttun". Er sei integer, überzeugend und glaubwürdig. Die Liberalen hatten Gauck gegen Widerstand der Union in der Koalition durchgesetzt.

Gauck geht mit großem Vertrauensvorschuss der Bürger und Parteien in die Wahl. Das voraussichtliche neue Staatsoberhaupt halten 80 Prozent der Deutschen für glaubwürdig, wie eine Umfrage für die ARD-Sendung Günther Jauch ergab. Gut ein Drittel (37 Prozent) weiß aber noch nicht, wofür der 72-Jährige steht. Neben dem großen Thema der Freiheit wird von Gauck erwartet, zu anderen Fragen wie dem Euro oder dem Rechtsextremismus Position zu beziehen.

Gegenkandidatin Beate Klarsfeld rief am Vorabend der Bundesversammlung zum Kampf gegen den Rechtsextremismus auf. "Ich betrachte meine Kandidatur als große Ehre und verbinde damit das politische Signal, im Kampf gegen alte und neue Nazis nicht nachzulassen", sagte Klarsfeld am Samstagabend in Berlin nach einem Treffen der Linke-Fraktion der Bundesversammlung.

Voraussichtlich an diesem Montag soll Gauck in sein Amt eingeführt werden. Die Vereidigung des 11. Präsidenten vor Bundestag und Bundesrat ist für kommenden Freitag vorgesehen. Offiziell im Amt ist der Präsident aber bereits, sobald er die Wahl durch die Bundesversammlung annimmt. Ein politische Rede will Gauck am ersten Tag noch nicht halten: "Morgen gibt es nur Dankesworte und noch keine politische Rede. Die gibt es vielleicht am 23., da müssen Sie sich noch ein paar Tage gedulden", sagte Gauck am Samstag zu Journalisten.

Deutschlands künftige First Lady Daniela Schadt will Joachim Gauck nicht heiraten, nur weil er Staatsoberhaupt geworden ist. "Nur aus protokollarischen Gründen zu heiraten, das fände ich auch nicht richtig", sagte Schadt der Zeitung Bild am Sonntag. Zu der Forderung, Gauck solle sich von seiner Ehefrau scheiden lassen, von der er seit mehr als 20 Jahren getrennt lebt, sagte Schadt: "Nachdem nicht nur Jochen und ich, sondern die ganze Familie mit unserer Regelung gut leben können, kann vielleicht auch der Rest der Gesellschaft damit leben." Sollte es doch einmal ein protokollarisches Problem bei einer Reise geben, "dann erkenne ich das natürlich an und komme nicht mit".

"Ich bin ganz zuversichtlich, dass ich mich auch in Zukunft mit Freunden treffen und einkaufen gehen kann", sagte Schadt zu ihrer künftigen Rolle als Präsidentengattin. Sie wolle Gauck zu einigen Reisen und Termine begleiten. "Wie oft es sein wird, hängt von meinem eigenen ehrenamtlichen Engagement ab, das ich mir aufbauen möchte", sagte sie.

Wofür sie sich genau einsetzen werde, wolle sie in den nächsten Wochen entscheiden. Schadt sagte, ihr Lebensgefährte werde sich nicht groß ändern. "Er wird weiter Probleme in der Gesellschaft ansprechen. Und das bestimmt nicht in glatten, nichtssagenden Worten", sagte sie.

Wo in Berlin das Präsidentenpaar künftig leben wird, ist nach den Worten Schadts noch nicht entschieden. Einen Umzug ins Schloss Bellevue schloss sie jedoch aus. "Es gibt eine Dienstvilla in Dahlem, wahrscheinlich macht es Sinn, dass wir die nutzen", sagte Schadt. "Denn für unsere Nachbarn in Schöneberg ist es nicht besonders lustig, dass sie durch die Sicherheitsvorkehrungen nicht mehr vorm Haus parken können", fügte sie hinzu.

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