Gastkommentar:Wie es sein soll

Psychisch kranke Menschen brauchen Hilfe, nicht staatliche Aufsicht und polizeilichen Gewahrsam. Ihre Freiheit darf nur eingeschränkt werden, wenn es gar nicht anders geht. Diesem Grundsatz muss nun auch das Bayerische Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz folgen.

Von Thomas Pollmächer

Am Dienstag dieser Woche kam die bayerische Staatsregierung zur Einsicht, dass psychisch kranke Menschen vor allem Hilfe brauchen, nicht staatliche Aufsicht und polizeilichen Gewahrsam. Es ist nicht überliefert, welche Rolle dabei göttliche Eingebung und der massive öffentliche Druck der vergangenen Tage gespielt haben. Überliefert ist nur, dass zuvor die guten Argumente von Betroffenen, Angehörigen und Fachleuten wirkungslos verpufft sind.

Aber man soll gegenüber der Regierung ja nicht nachtragend sein, und so freut sich das Volk, dass es keine zentrale Datei zur Erfassung Untergebrachter geben wird. Damit ist der Weg frei für ein modernes Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz. Und genau dieser Weg muss nun beschritten werden, damit sich der Spitzenreiter Bayern auch an die Spitze einer Bewegung setzt, die bundesweit psychische Erkrankungen als ein Phänomen innerhalb der Gesellschaft begreift, das jeden von uns treffen kann. Ein Phänomen, das tatsächlich gefährlich werden kann. Vor allem für die Betroffenen, selten aber auch für andere. Der Verzicht auf die Unterbringungsdatei signalisiert, dass man begriffen hat, wie Gefahrenabwehr geht: durch Prävention, Hilfe und Behandlung. Diesem Grundsatz folgend, muss nun das Bayerische Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz ohne Zeitdruck neu gestaltet werden.

Eine Unterbringung in einer Klinik darf nur dann erfolgen, wenn eine Behandlung auch tatsächlich möglich ist und der Patient die Gefahr, die abgewendet werden soll, krankheitsbedingt nicht erkennen kann. Das Gesetz muss auf alle sprachlichen Parallelen zum Maßregelvollzug verzichten und den Kliniken aufgeben, die Behandlung ganz in den Vordergrund zu stellen. Einschränkungen der Freiheit des Patienten dürfen nur dann als Ultima Ratio angewandt werden, wenn es wirklich nicht anders geht. Es muss sichergestellt werden, dass keine Behörde ohne Zustimmung der Patienten oder ihrer Vertreter Zugang zu medizinischen Daten erhält.

Regelungen zum Ausgang müssen großzügig sein und in die Verantwortung der Ärzte fallen, ohne dass diese sich vorher mit Sicherheitsbehörden abstimmen müssen. Keinesfalls darf die Ausübung hoheitlicher Gewalt durch die Mitarbeiter außerhalb der Klinik erlaubt sein, so als wären sie Häscher mit polizeilicher Befugnis. Die Belange von Kindern, Jugendlichen und deren Eltern, die im aktuellen Entwurf nahezu nicht beachtet werden, müssen spezielle Berücksichtigung finden. Und es muss die Regelung fallen, dass ausgerechnet die Universitätskliniken, in der gesamten Medizin zuständig für die schwierigsten Patienten, von der Verpflichtung ausgenommen werden, untergebrachte Patienten zu behandeln.

Die vorgesehenen Krisendienste sind eine wichtige Errungenschaft. Weitere gesetzlich geregelte Angebote zur Prävention sowie zur Unterstützung, Behandlung und Teilhabe psychisch kranker Menschen sind die Voraussetzung dafür, dass Krankenhausaufenthalte seltener notwendig werden.

Wenn der Entwurf in diesem Sinne umfassend revidiert wird, dann werden die Betroffenen die Hilfe gerne annehmen und damit das hohe Ziel des Freistaats Bayern unterstützen, Freiheit und Sicherheit seiner Bürger zu garantieren.

Wenn nicht, dann wird sich mit großer Sicherheit das Bundesverfassungsgericht später darum kümmern müssen.

Thomas Pollmächer ist Vorsitzender des Verbandes der Chefärzte psychiatrischer Kliniken.

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