Gastkommentar:Amerikas Schattenbilanz

Die Sicherheitsgarantien der USA für die Nato und die führende Rolle des Dollars in der Welt sind zwei Seiten derselben Medaille. Jetzt gefährdet Donald Trump mit seiner Politik diese Rolle. Die Amerikaner müssen dafür einen hohen Preis zahlen.

Von Rolf J. Langhammer

Für Präsident Donald Trump ist eines der Mittel zum Zweck America first, Druck auf amerikanische Verbündete auszuüben, damit diese mehr für ihre eigene Sicherheit leisten. Er ist nicht mehr bereit, Trittbrettfahrer - oder Verbündete, die er als solche empfindet - zu akzeptieren. Zunächst einmal scheint an diesem Argument etwas dran zu sein. Aus ökonomischer Sicht haben sich die Verbündeten im Kalten Krieg die technische Unteilbarkeit des US-Nuklearschilds zunutze gemacht. Dieser Schild musste eine bestimmte Mindestgröße haben, um das gegnerische Lager vom Risiko eines Erstschlages zu überzeugen. Er war daher ausreichend für den Schutz der gesamten Nato und mehr als ausreichend für den Schutz, den die USA für ihr Territorium allein gebraucht hätte. Damit produzierten die USA das, was der amerikanische Ökonom Charles Kindleberger eine "internationale öffentliche Dienstleistung" nannte - globale Sicherheit.

Wenn Präsident Trump nun aber behauptet, die Verbündeten hätten dafür nicht bezahlt, dann ist das falsch. Als Gegenleistung dafür, dass sie ihre eigenen Verteidigungsausgaben kleiner halten konnten, halfen sie den USA, ihre Binnennachfrage (einschließlich der Rüstungsausgaben) zu finanzieren. Sie hielten mehr Dollar in ihren Reserven im Vergleich zu einer Situation, in der sie selbst mehr für die eigene Verteidigung gezahlt hätten. Damit ermöglichten sie es den USA, eine zweite internationale öffentliche Dienstleistung zu produzieren, nämlich die Leitfunktion der globalen Währung Dollar. Beide Dienstleistungen stehen also auf beiden Seiten einer Art unsichtbaren Schattenbilanz der USA. Schrumpft die eine Dienstleistung, muss auch die andere schrumpfen. Die Bilanz verkürzt sich, wie Buchhalter sagen.

Die Altersversorgung der Wähler Trumps hängt von internationalen Märkten ab

Die Bedrohung durch einen Nuklearkrieg ist (hoffentlich) vorbei. Konventionelle Verteidigung ist leichter teilbar; damit lässt sich also die Forderung nach mehr Eigenleistung der Verbündeten nicht mehr so leicht vom Tisch fegen. Aber: Präsident Trump wird dafür einen Preis zahlen müssen: die Schwächung des Dollar als globale Währung. Dieser Zusammenhang wird in den öffentlichen Debatten fast immer vergessen. Unabhängig vom kurzfristigen Auf und Ab des Dollarkurses könnte dieser Zusammenhang dazu führen, dass sich der seit Jahrzehnten zu beobachtende Abwertungstrend des Dollar fortsetzt und die USA zukünftig mehr Risikozuschläge für ihre Schulden bezahlen müssen als früher.

Dies mag sie nicht stören, solange ihr Nettoauslandsvermögen, das in fremden Währungen gehalten wird, höhere Erträge abwirft, als die USA für ihre Nettoschulden an Dollar-Zinsen zahlen müssen. Der riesige Vorteil eines Leitwährungslandes, Schulden mit Geld bezahlen zu können, das man selbst schafft, und zudem einen Risikobonus zu genießen, würde kleiner. Die USA müssten also auf einen dauerhaften Aufschwung der weltweiten Aktienmärkte hoffen, denn die Gewinne an diesen Märkten bräuchten sie, um die mit der Schwächung des Dollar als globale Währung verbundenen Mehrkosten zu decken.

Ob Präsident Trumps isolationistische und protektionistische Wirtschaftspolitik dafür der Garant ist, sollte man bezweifeln, denn das Vermögen ist ja im Wesentlichen die finanzielle Kehrseite der grenzüberschreitenden Lieferketten, an denen amerikanische Unternehmen beteiligt sind und die Präsident Trump ein Dorn im Auge sind. Zwingt er Unternehmen dazu, diese Ketten zu verkürzen und Produktion zurück in die USA zu verlagern, mindert er das Vermögen Amerikas im Ausland und schmälert den Gewinn der verbleibenden Anlagen. Aus einer verschlechterten Schattenbilanz würde ein sichtbarer Verlust. Die globale politische Rolle der USA als militärischer Schutzpatron mag Präsident Trump egal sein. Die globale wirtschaftliche Rolle als Garant einer Leitwährung kann er aber nicht ignorieren, es sei denn, er wäre bereit, beispielsweise die Pensionsansprüche seiner Wähler, die von den Anlagemärkten abhängen, aufs Spiel zu setzen und diese Wähler gegen sich aufzubringen. Es ist nur zu hoffen, dass er rechtzeitig den Wert und die Verflechtung der beiden internationalen öffentlichen Güter für eine florierende amerikanische Wirtschaft erkennt.

Rolf Langhammer, 69, ist Handelsexperte und war bis 2012 Vizepräsident des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel.

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