Gambia:Nichts wie weg

Das westafrikanische Gambia ist ein winziges Land. Trotzdem belegt es bei den Herkunftsländern der Flüchtlinge, die übers Mittelmeer kommen, den dritten Platz. Schuld ist ein paranoider Diktator.

Von Isabel Pfaff

Noch vor wenigen Wochen warb der Tourismusverband Gambias für den Start der Ringkampf-Saison. "Bereit für November?", lautete die Frage auf Facebook, darunter ein Foto von vier knapp bekleideten Männern beim Ringen. Die Sportart ist ziemlich populär in Gambia, dem winzigen westafrikanischen Küstenstaat, der vom Nachbarn Senegal umschlossen ist.

Doch selbst die Stars dieser Disziplin hält offenbar zu Hause nichts mehr. Wie jetzt bekannt wurde, ist Ali Mbengu, ein berühmter Ringer des Landes, vergangene Woche im Mittelmeer ertrunken. Der 22-Jährige mit dem Kampfnamen "Mille Franc" soll sich nach Angaben seines Trainers schon 2014 auf den Weg nach Libyen gemacht haben. Erst Ende vergangener Woche bestieg er dort ein Flüchtlingsboot, das auf dem Weg nach Italien kenterte. Wie Trainer Pateh Nying der Nachrichtenagentur AFP berichtete, hat ein Überlebender des Unglücks die Familie des Sportlers kontaktiert.

Gambia hat eine Bevölkerung von nur knapp zwei Millionen Menschen, trotzdem nimmt es unter den Herkunftsländern der Flüchtlinge, die seit Januar 2016 übers Mittelmeer kommen, den dritten Platz ein. Und nicht nur die Perspektivlosen machen sich auf den Weg. Wenige Wochen vor dem Tod des jungen Ringers ertrank Gambias 19-jährige Nationaltorhüterin Fatim Jawara im Mittelmeer.

Wenn selbst junge, aussichtsreiche Sportler ihr Leben auf dem Mittelmeer riskieren, anstatt in Gambia zu bleiben, muss es dort schlimm zugehen. Tatsächlich ist das Land nicht nur arm und verschuldet. Man kann es zudem als eine der letzten kompromisslosen Diktaturen Afrikas bezeichnen. Präsident Yahya Jammeh hat sich im Lauf seiner 22-jährigen Amtszeit vom volksnahen Offizier zum paranoiden Gewaltherrscher gewandelt. Ein für die Größe des Landes gewaltiger Überwachungsapparat kontrolliert die Bevölkerung, Regierungskritiker landen regelmäßig im Gefängnis, nicht selten sterben sie dort auch. Jammeh lässt Homosexuelle verfolgen und einsperren, genau wie Menschen, die sich angeblich der "Hexerei" verdächtig machen.

Allerdings ist Gambia geopolitisch so unbedeutend, dass sich außerhalb des Landes kaum jemand für die Lage der Bevölkerung interessiert. Im Dezember will sich Jammeh im Amt bestätigen lassen. Freie und faire Wahlen solle niemand erwarten, schrieb Human Rights Watch kürzlich in einem Bericht, eher eine Zunahme an politischer Gewalt. Es werden wohl noch mehr junge gambische Talente den Weg übers Mittelmeer wählen.

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