Gaddafi auf der Flucht:Rebellen schüren Hoffnung auf Gaddafi-Festnahme

"Er kann nicht entkommen": Die libyschen Rebellen haben nach eigenen Angaben den Aufenthaltsort des früheren Machthabers Gaddafi ausfindig gemacht und umstellt. Es sei nur eine Frage der Zeit, bis der Despot gefangen sei, erklärte ein Sprecher des Militärrats in Tripolis. Mehrere Gaddafi-Getreue waren zuvor nach Niger geflohen.

Seit zwei Wochen jagen die libyschen Rebellen Muammar al-Gaddafi, jetzt wollen sie den Aufenthaltsort des früheren Machthabers aufgespürt haben. Es sei nur noch eine Frage der Zeit, wann Gaddafi gefangen genommen oder getötet werde, sagte ein Sprecher des neuen Militärrats, Anis Scharif, in Tripolis. "Er kann nicht entkommen", zitiert die Nachrichtenagentur AP den Sprecher. Details zu Gaddafis Versteck wollte dieser keine nennen. Dieses sei in einem Umkreis von 60 Kilometern umstellt. Sein Aufenthaltsort sei mit Hilfe von High-Tech-Mitteln und Geheimdienstinformationen ermittelt worden, sagte Scharif. Gaddafi befinde sich weiterhin in Libyen. Auch Gaddafis Sprecher sagte am Mittwoch, der Untergetauchte befinde sich weiter in seinem Heimatland. Gaddafi sei in Sicherheit und erfreue sich bester Gesundheit, sagte Musssa Ibrahim der Nachrichtenagentur Reuters.

Libya unrest Bani Walid

Kämpfer der Rebellen vor Bani Walid: Die Wüstenstadt, eine der letzten Hochburgen des untergetauchten Despoten, steht angeblich kurz vor der Kapitulation.

(Foto: dpa)

Zuvor hatten mehrere Fahrzeugkolonnen, die die Grenze zu Niger überquert hatten, Spekulationen geschürt, wonach der Despot möglicherweise auf dem Weg in das Nachbarland sei. Rebellenkommandeur Hischam Buhagiar, der an der Spitze einer Spezialeinheit steht, die Gaddafi aufspüren sollte, hatte erklärt, dieser sei zuletzt auf dem Weg zur südlichen Landesgrenze gesichtet worden. Berichten zufolge habe sich Gaddafi wahrscheinlich vor drei Tagen nahe des Dorfes Ghwat rund 300 Kilometer nördlich der Grenze zu Niger aufgehalten, sagte Buhagiar.

"Die letzten Spuren führen in das Gebiet um Ghwat. Mehrere Menschen sahen, wie Autos in diese Richtung fuhren. Mehrere Informanten haben uns berichtet, dass er sich auf dem Weg in den Süden befindet, in Richtung Tschad oder Niger", zitiert der Sender al-Dschasira Buhagiar. Angeblich soll Gaddafi in einem Konvoi von bis zu zehn Fahrzeugen reisen und ein Zelt als Unterschlupf nutzen. Es sei das Zelt gewesen, das die Augenzeugen auf den Konvoi aufmerksam gemacht habe. "Die Menschen erzählten, es seien mehrere Fahrzeuge gekommen, dann sei ein Zelt aufgestellt worden", so Buhagiar weiter.

Die neue libysche Führung kündigte am Mittwoch an, eine Delegation in den Niger zu schicken, um eine Flucht Gaddafis oder seiner Angehöriger in das Land auszuschließen. Die Delegation solle mit dem Präsidenten und dem Außenminister des Nachbarlandes über die "Sicherung unserer Grenze" sprechen, sagte Übergangsratsmitglied Fathi Badscha in Bengasi. So solle ausgeschlossen werden, dass Gaddafi im Niger Zuflucht finden könne.

Die Suche nach Gaddafi hat oberste Priorität für die Rebellen und für viele Libyer, die sich nach eigenen Angaben erst sicher fühlen, wenn der ehemalige Staatschef festgenommen oder getötet wurde. Zwei Kopfgelder in Höhe von zwei Millionen und sechs Millionen libyscher Dinar (1,2 Millionen und 3,6 Millionen Euro) wurden für Hinweise auf Gaddafi ausgesetzt.

Bestätigt ist inzwischen, dass mehrere Gefolgsleute Gaddafis in Konvois die Grenze zu Niger überquert haben. Einen Konvoi soll Rissa Ag Boula, ein Tuareg-Rebellenführer, begleitet haben. Der frühere nigrische Tourismusminister führte vor zehn Jahren einen Unabhängigkeitskrieg der Tuareg-Nomaden an, ehe er in Libyen Zuflucht suchte. Viele Tuareg sind Gaddafi wegen dessen Unterstützung bei deren Unabhängigkeitskrieg verbunden.

Ein Sprecher des nigrischen Präsidenten bestätigte, dass mehrere Fahrzeuge die Grenze überquert hätten. Berichte, wonach der Militärkonvoi aus mehr als 200 Fahrzeugen bestand, wies der Sprecher zurück. Lediglich drei Autos hätten die Grenze überquert, sagte der Stabschef von Präsident Mahamadou Issoufou, Massoudou Hassoumi, der Nachrichtenagentur AP. Eine Sprecherin des US-Außenministeriums bestätigte die Ankunft führender Mitglieder von Gaddafis Regime in Niger. "Wir glauben aber nicht, dass Gaddafi unter ihnen war", hieß es aus dem US-Außenministerium.

Dem BBC-Bericht zufolge sollen sich inzwischen 50 bewaffnete Fahrzeuge auf dem Weg in die nigrische Hauptstadt Niamey befinden - begleitet von Tuareg-Kämpfern. Zuvor war bereits Gaddafis Sicherheitschef Mansur Dao in Niamey angekommen. Niger habe einen Militärkonvoi entsandt, um Dao in die Hauptstadt zu eskortieren, sagte Stabschef Hassoumi. Dao sei bereits am Montag in den Niger eingereist und stehe nun in einer Villa in Niamey unter Beobachtung.

Die USA riefen die Behörden in Niger auf, die Mitglieder des Gaddafi-Regimes festzunehmen, da sie vielleicht der Strafverfolgung unterlägen. Dies solle spätestens geschehen, wenn der Konvoi die Hauptstadt des Landes erreiche. Sollten sie Eigentum des libyschen Staates bei sich haben, sollte es konfisziert werden, damit es dem libyschen Volk zurückgegeben werden könne. Der Sprecher des libyschen Übergangsrat in London sagte der BBC, dass Niger bestraft werden könne, sollte das Land Gaddafi bei der Flucht helfen.

Unterdessen scheinen die Rebellen einen wichtigen Schritt zu einer möglichen friedlichen Übernahme der Wüstenstadt Bani Walid gemacht zu haben. Stammesdelegationen aus der Gaddafi-Hochburg trafen sich am Dienstag rund 50 Kilometer vor der Stadt in einer Moschee mit Vertretern des libyschen Übergangsrates. "Wir sind einer Einigung sehr nahe", sagte anschließend Abdullah Kenschil, der Verhandlungsführer des Übergangsrates.

Einwohner hoffen auf friedliche Lösung

Aus der Stammesdelegation hieß es, fast 90 Prozent der Einwohner Bani Walids seien für eine friedliche Lösung. "Die Stammesführer kehren mit unseren Forderungen zurück, und wenn sie grünes Licht geben, können wir ohne bewaffneten Konflikt in die Stadt einrücken", sagte Kenschil.

In Bani Walid halten sich noch rund hundert schwerbewaffnete Gaddafi-Kämpfer auf. Sie sollen nun dazu bewogen werden, ihre Waffen niederzulegen. Bei dem Treffen mit Stammesführern, das live bei al-Dschasira übertragen wurde, versicherte ein Aufständischer, man wolle in Bani Walid keine Rache nehmen oder die Leute schlecht behandeln. "Wir kommen mit unseren Waffen, um jeden abzuschrecken, der gegen uns kämpfen will, aber wir haben nicht die Absicht zu kämpfen."

Um weiteres Blutvergießen zu vermeiden, hatten die Rebellen den Gaddafi-treuen Kämpfern in Bani Walid eine Frist zur Kapitulation bis Samstag eingeräumt. Um den Druck auf die Gaddafi-Loyalisten zu erhöhen, hatte der Übergangsrat Hunderte Kämpfer vor Bani Walid zusammengezogen. Die Stadt liegt rund 150 Kilometer südöstlich von Tripolis. Berichten zufolge sollen Gaddafis Söhne Saif al-Islam und Mutassim eine friedliche Lösung in Bani Walid verhindert haben, ehe sie vor ein paar Tagen aus der Stadt abgezogen seien.

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