Gabriele Pauli:"Ein Alleingang im Namen vieler"

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Die Fürther Landrätin erklärt, warum sie auch weiterhin gegen ihren Parteichef Edmund Stoiber Opposition machen will.

Uwe Ritzer

SZ: Sind Sie profilierungssüchtig?

Gabriele Pauli: Wenn jedem Kritiker Profilierungssucht unterstellt wird, heißt das im Umkehrschluss, man soll lieber gar keine Kritik üben?

SZ: Immerhin haben Sie in zwei Wochen mehr Medienaufmerksamkeit genossen als zuvor in 16 Jahren als Landrätin.

Pauli: Wahrscheinlich weil ich vielen in der CSU und vor allem der Bevölkerung aus dem Herzen spreche, wenn ich sage, dass Edmund Stoibers Zeit vorbei ist. Man kann keine solche Lawine lostreten, wenn nicht vorher der Untergrund locker ist.

SZ: War ihr Vorpreschen mit anderen abgesprochen?

Pauli: Mit niemandem, nicht einmal mit Alfred Sauter. Dass Stoiber 2008 nicht mehr als Spitzenkandidat antreten soll, fordere ich seit Monaten. Die Bespitzelung meines Privatlebens durch die Staatskanzlei war ja die Quittung dafür. Offenbar empfindet Stoiber meine Forderung als Gefahr. Viele Führungsleute, Kabinettsmitglieder und Abgeordnete denken wie ich, haben aber Angst, das offen zu sagen.

SZ: Also ein Alleingang von Pauli?

Pauli: Ein Alleingang im Namen vieler.

SZ: Sie behaupten, die Bespitzelung von Kritikern mit dem Ziel, sie mundtot zu machen, habe in der CSU Methode. Haben Sie dafür Beweise?

Pauli: Der Abgeordnete Rotenhan hat das schon erlebt und auch öffentlich gemacht. Ich kenne auch andere Fälle, aber auch diese Leute haben Angst vor den Konsequenzen. Ich habe sie gebeten, sich öffentlich zu erklären.

SZ: Sie gelten als jemand, der mehr werden möchte als nur Landrätin von Fürth. Leben Sie derzeit ihre enttäuschten Ambitionen aus?

Pauli: Man sagt mir doch gerade, dass meine Karriere schon vorbei sei. Ich kann als Landrätin ansprechen, was ich will und agieren wie ich will.

SZ: Sie sitzen seit 1989 im CSU-Vorstand. Warum sind Sie bislang nie als Stoiber-Kritikerin aufgefallen?

Pauli: Ich habe mich immer wieder mit ihm angelegt. Wegen der Finanzierung des G 8 klagen wir mit dem Landkreis sogar gegen den Freistaat. Ich habe gegen die vielen überstürzten Reformen Stellung bezogen, die man veranstaltet, ohne die Betroffenen einzubeziehen.

Das wird ganz oben in der Staatskanzlei beschlossen und dann rigoros von oben nach unten durchgesetzt. Nicht einmal die zuständigen Fachminister werden gefragt. Seit Stoiber als Kanzlerkandidat gescheitert ist, ist er besonders verbissen.

SZ: Was werfen Sie ihm vor?

Gabriele Pauli (Foto: Foto: ddp)

Pauli: Ich habe beispielsweise ausführlich dokumentiert, wie im bestehenden Sozialsystem legaler Missbrauch betrieben wird. So muss man sogar einem Millionärssohn therapeutischen Reitunterricht finanzieren, weil er darauf einen Rechtsanspruch hat. Oder warum müssen sich Eltern, deren Kinder wir für 4500 Euro pro Platz und Monat in einem Heim unterbringen müssen, nicht an den Kosten beteiligen?

Im Gegenteil, sie erhalten sogar weiter Kindergeld. So etwas ist doch ungerecht. Aufgrund solcher Gesetze wird viel Geld verschwendet. Ich habe so etwas immer wieder aufgegriffen und nach oben transportiert. Aber entweder kommen die Anliegen dort oben nicht an, oder sie interessieren dort niemanden.

SZ: Für welche Politik stehen Sie?

Pauli: Zum Beispiel auch dafür, dass staatliche Förderpolitik transparenter wird und nicht vom Einfluss einzelner Abgeordneter abhängt. Generell muss sich die CSU erneuern und mehr die Strömungen und den Zeitgeist in der Gesellschaft aufgreifen. Ein Beispiel: Eine intakte Ehe gilt in der CSU als Ideal. Aber aus eigener Erfahrung als alleinerziehende Mutter und in meinem Umfeld kenne ich die Wirklichkeit.

Über 50 Prozent der Kinder wachsen nicht bei ihren verheirateten Eltern auf. Als der gute Vorschlag aufkam, das Ehegattensplitting zugunsten eines Familiensplittings abzubauen, hat Stoiber das gleich abgelehnt. Dabei wäre es sinnvoller, wenn der Staat nicht das Zusammenleben steuerlich fördern würde, sondern das Kinderkriegen.

SZ: Warum soll sich die CSU eigentlich ändern, wenn es bisher immer locker für mehr als 50 Prozent gereicht hat?

Pauli: Weil die Zeiten sich geändert haben und das Rumoren unüberhörbar ist. Ich glaube nicht, dass man so selbstherrlich sein und glauben kann, dass solche Mehrheiten Automatismen sind. Nur noch 26 Prozent der Deutschen meinen laut einer Forsa-Umfrage, dass die CSU mit Stoiber an der Spitze in den Wahlkampf ziehen sollte.

SZ: Spalten Sie die CSU?

Pauli: Nicht ich bin die Nestbeschmutzerin, sondern jene, die mit Methoden wie Bespitzelung Kritiker wie mich mundtot machen wollen. Das hat der CSU enorm geschadet. Sie ist deshalb nicht mehr geschlossen, weil ganz oben ein kleiner Zirkel entscheidet, wer vorne steht. Viele wollen das nicht mehr tolerieren.

SZ: Ist eine Mitgliederbefragung nicht sinnlos, wenn kein Gegenkandidat zu Stoiber antritt?

Pauli: Wenn sich bei der Befragung herausstellt, das Stoiber keine Mehrheit mehr in der Partei hat, würden viele Bewerber auftauchen.

SZ: Zum Beispiel Horst Seehofer, der allerdings beim wirtschaftsliberalen Flügel der CSU umstritten ist?

Pauli: Ich kann nicht für ihn sprechen. Aber er ist sehr populär und hat die nötige Ausstrahlung, um auch Kritiker zu überzeugen. Keiner wird als Ministerpräsident geboren.

SZ: Das Parteipräsidium wird sich am 8. Januar vermutlich hinter Stoiber scharen. Laufen Sie dann nicht ins Leere?

Pauli: Es kann doch nicht ein kleiner Zirkel ohne Rückkopplung mit der Basis entscheiden, wer Spitzenkandidat wird. Noch dazu nicht Stoibers engster Kreis, wo alle ihm ihre Karriere verdanken. Das Thema ist Sache der ganzen Partei. Falls vom Präsidium tatsächlich eine Mitgliederbefragung ablehnt wird, werde ich die Mandatsträger, Orts- und Kreisvorsitzenden, sowie Delegierte anschreiben und bitten, meinen Antrag auf Mitgliederbefragung beim kleinen Parteitag zu unterstützen.

SZ: Haben Sie keine Angst, dass Sie scheitern oder aus der Partei fliegen?

Pauli: Ein Rauswurf wäre ein schwerer taktischer Fehler der CSU. Ich bin gelassen, denn ich bin gerne Landrätin und werde 2008 wieder kandidieren.

SZ: Für die CSU?

Pauli: Eine freie Liste reizt mich nicht, denn als Landrat muss man politisch auch gut vernetzt sein. Ich werde sicher nicht bis 65 oder 68 Jahren Landrätin sein. Es gibt viele schöne Betätigungsfelder und ich bin nicht von der Politik abhängig. Ich habe keine Angst um meine Zukunft.

© SZ vom 3. Januar 2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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