Gabriel und die SPD:Das Buhmann-Ministerium

Teile von TTIP-Papieren sollen veröffentlicht werden

Die geplanten Handelsabkommen mit den USA und Kanada sind nicht nur in der EU heftig umstritten, sondern auch innerhalb der SPD.

(Foto: Christian Charisius/dpa)

Waffenexporte, Stromtrassen oder Handelsabkommen: Sigmar Gabriel hat die undankbare Aufgabe, ein schwieriges Ressort zu leiten.

Von Christoph Hickmann, Berlin

Wenn Sigmar Gabriel die Zeit noch einmal zurückdrehen könnte, um etwas mehr als zweieinhalb Jahre, dann würde er sich womöglich anders entscheiden. Mit einiger Wahrscheinlichkeit würde er nicht noch einmal das Wirtschaftsministerium wählen, um sich dort als Vizekanzler in der großen Koalition eine möglichst solide Basis für die nächste Bundestagswahl zu schaffen. Vielleicht würde Gabriel stattdessen das Arbeitsministerium wählen, womöglich das Finanzministerium - aber wohl kaum noch einmal das Wirtschaftsressort, das ihm so viel Ärger bereitet.

Ob es um Rüstungsexporte geht, um den Bau von Stromtrassen oder, wie zuletzt, den Zusammenschluss zweier Supermarktketten: Ständig muss der Minister sich mit neuen Problemen herumschlagen. Die größten Unannehmlichkeiten in der eigenen Partei bereitet ihm aber der Freihandel, dem viele Genossen kritisch bis ablehnend gegenüberstehen.

Nach längerem Kampf hat Gabriel eingesehen, dass er kaum eine Chance hat, das europäisch-amerikanische Abkommen TTIP in der SPD durchzusetzen. Umso vehementer wirbt er mittlerweile für Ceta und verkauft den Entwurf des europäisch-kanadischen Vertrags als das gute Abkommen, im Gegensatz zu TTIP.

Beim Parteikonvent am 19. September werden in Wolfsburg deutlich mehr als 200 Delegierte über Ceta abstimmen. Gabriel selbst gab sich kürzlich noch überzeugt, dass es eine Mehrheit für das Abkommen geben werde - doch wenige Wochen vor dem Konvent wächst die Zahl der Gegner. Und nun hat Matthias Miersch, Sprecher der parlamentarischen Linken in der SPD-Bundestagsfraktion, eine umfassende Analyse des Abkommens vorgelegt. Er lehnt den derzeitigen Entwurf ab.

Miersch gilt in der SPD nicht als Krawall-Linker, umso mehr Widerhall dürften die Einwände des 47 Jahre alten Juristen finden, der seine Analyse so einleitet: "Als Anwalt habe ich zahlreiche Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof und dem Bundesgerichtshof begleitet." Dabei habe er "immer wieder erfahren, wie sehr es auf die Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe ankommt" und "wie heftig vonseiten der Lobbyverbände vor den höchsten Gerichten um die Auslegung von einzelnen Begriffen gestritten wird", schreibt er.

SPD-Linke fordern, dass über das Ceta-Abkommen mit Kanada neu verhandelt wird

Was das Verhandlungsergebnis angeht, gesteht Miersch zu, "dass Sozialdemokraten wichtige Änderungen erreicht haben". Hier lobt er ausdrücklich Martin Schulz und Bernd Lange. Der eine ist Präsident des Europäischen Parlaments und ein möglicher SPD-Kanzlerkandidat für den Fall, dass Gabriel nicht antritt. Der andere ist Vorsitzender des Handelsausschusses des Europäischen Parlaments. Zusammen hätten sie die EU-Kommission überzeugt, Ceta als gemischtes Abkommen einzustufen, sodass die nationalen Parlamente zustimmen müssten. Seiner Ansicht nach, schreibt Miersch, müssten in Deutschland Bundestag und Bundesrat zustimmen.

Seine ausführliche Kritik am derzeitigen Entwurf des Abkommens begründet er nicht nur mit den Einwänden gegen den schon immer umstrittenen Investitionsschutz. Er greift auch "eine Vielzahl an Sondergremien" an, die durch Ceta geschaffen werden sollten und deren "Zusammensetzung höchst fraglich" sei. Als Beispiel nennt er die Kompetenzen des sogenannten "Gemischten Ceta-Ausschusses", der vom EU-Handelskommissar und dem kanadischen Handelsminister geleitet werden solle, dessen Zusammensetzung darüber hinaus aber nicht feststehe. Sein Fazit: "Es kann nicht sein, dass Parlamente legislative Befugnisse auf ein unzureichend legitimiertes Gremium übertragen, dessen Zusammensetzung völlig unklar ist."

Eigentlich wäre Ceta, fertig verhandelt und übersetzt, reif zur Ratifizierung. Doch Miersch will die Verhandlungen wieder aufnehmen lassen, um ein "faires" Abkommen zu erreichen. Es seien "alle Versuche aufzugeben, durch ein institutionelles Gerüst Regulierungsmechanismen neben gewählten Parlamenten und Regierungen zu etablieren".

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