G 20 uneins in der Syrien-Frage:Obama spürt die Kraft der zwei Mahlsteine

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US-Präsident Barack Obama muss mühsam nach Verbündeten in der Syrien-Frage suchen. (Foto: AFP)

Die Völkergemeinschaft hat sich nach dem G-20-Gipfel in Sankt Petersburg ein erschreckendes Zeugnis ihrer Kraflosigkeit ausgestellt. Um Obama wird es dabei immer einsamer: Putin bleibt stur und auch zu Hause schlägt dem US-Präsidenten Widerstand entgegen. Dabei könnte ein Luftschlag zu einer Wende im Bürgerkrieg führen.

Ein Kommentar von Stefan Kornelius

Nach dem Eiszeit-Gipfel in Sankt Petersburg ist nun klar: Es wird keine diplomatische Anstrengung für Syrien mehr geben, zumindest keine in den Vereinten Nationen und im Sicherheitsrat. Damit ist auch die (auch sehr deutsche) Idee gescheitert, Baschar al-Assad vor den Internationalen Strafgerichtshof zu bringen. Dazu hätte es ebenfalls ein Votum des Sicherheitsrats gebraucht.

Die Völkergemeinschaft hat sich ein erschreckendes Zeugnis ihrer Disfunktionalität ausgestellt. Ein derart himmelschreiendes Unrecht wie ein Gasangriff lässt sich offenbar nicht einmal gemeinsam bewerten. Noch weniger fühlt sich eine hinreichend große Gruppe von Staaten berufen, über eine angemessene Antwort auf diesen Tabubruch zu diskutieren. Dieses Ausmaß an Staaten-Egoismus - auch der EU nicht fremd - lässt Schlimmes befürchten. Künftig wird jeder Ordnungsversuch in dieser zerfallenden Welt nur unter größter Anstrengung möglich sein. Die Autorität der USA zerbröckelt in rasantem Tempo.

Russland und sein Präsident tragen die Verantwortung für die Blockade. Genüsslich beobachtet Wladimir Putin, wie sich die USA an ihm abarbeiten. Die Briten verhöhnt er, und sein Außenminister schimpft den amerikanischen Außenminister einen "Lügner". Aber Putins geradezu sadistische Freude über den Tagessieg wird nicht andauern. Er klammert sich an ein Zerrbild seiner Macht, das schon lange nicht mehr der Realität entspricht. Putin ist ein Modernitätsverweigerer, der die politische Auseinandersetzung auf reine Machtfragen reduziert. Dafür wird er auch zu Hause kaum Beifall bekommen. So bockig geht man nicht miteinander um im Jahr 2013 - die Welt hat seit dem Kalten Krieg andere Umgangsformen eingeübt.

US-Präsident Barack Obama spürt nun die Kraft der zwei Mahlsteine, zwischen die er geraten ist. International findet er kaum Unterstützung für seinen Syrien-Kurs. Bis auf Frankreich zaudern alle Verbündeten. Und zu Hause wird es ihm mit jedem Tag weniger gelingen, den allemal skeptischen Kongress zur Zustimmung zu einem Luftschlag zu bewegen.

Wer nun darüber triumphiert, muss die Optionen bedenken: Bleibt der Tabubruch unbeantwortet, wird ihm der nächste folgen. Und dann wieder einer. Und wieder einer. Hingegen würde ein Luftschlag nicht nur den Einsatz von Gas hochsymbolisch sanktionieren, er wird auch Nachahmer abschrecken und kann einen politischen Prozess auslösen - siehe Bosnien 1995. Das könnte gar zu einer Wende im Bürgerkrieg führen. Niemand erwartet, dass ein Luftschlag den Krieg beendet.

Die Alternative ist: das Eingeständnis der Rat- und Hilflosigkeit - und damit aus Perspektive solcher Potentaten wie Assad auch der Schwäche. Das UN-System liegt am Boden. Das Völkerrecht erweist sich als kraftlos. Die westlichen Demokratien winden sich angesichts der verständlichen Kriegsmüdigkeit ihrer Bürger. Es fehlt die Energie, an einer Nachkriegsordnung zu arbeiten. Profitieren werden Typen wie Putin und Assad. Es sind leider die falschen.

© SZ vom 07.09.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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