G-20-Treffen in Los Cabos:"Schwächster Gipfel aller Zeiten"

Kein Durchbruch im Kampf gegen die Krise: Beim G-20-Gipfel in Los Cabos können sich die Staats- und Regierungschefs nur auf einen Minimalkompromiss einigen. Ein Vertreter der Bundesregierung dementiert einen Bericht des "Guardian", wonach Mittel aus EFSF und ESM künftig im großen Stil zum Kauf von Krisenstaaten-Anleihen verwendet werden sollen.

Dass der G-20-Gipfel im mexikanischen Urlaubsresort Los Cabos kein Gipfel der historischen Weichenstellungen sein wird, das war von Vornherein allen Beteiligten klar. "Eine verlorenes Jahr für die G 20", "der schwächste G-20-Gipfel aller Zeiten" - so zitiert die Nachrichtenagentur Reuters Personen, die selbst seit Jahren Teil dieser "Gipfelprozesse" seien. Die Bewertungen kamen, noch bevor die Staats- und Regierungschefs der führenden Schwellen- und Industrieländer inklusive Bundeskanzlerin Angela Merkel überhaupt ins Flugzeug gestiegen waren.

Felipe Calderon

Eine "integrierte Finanzarchitektur" in der Euro-Zone als Ziel: Der mexikanische Präsident Felipe Calderón verliest die Abschlusserklärung des G-20-Gipfels.

(Foto: AP)

Die Abschlusserklärung des Gipfels bleibt in vielen Punkten vage (PDF-Datei). Aus ihr geht allerdings zumindest hervor, dass Europa die Schaffung einer Bankenunion ins Auge fasst. In der vom gastgebenden mexikanischen Präsidenten Felipe Calderón verlesenen Erklärung wird das Ziel einer "integrierteren Finanzarchitektur" in der Euro-Zone genannt. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte bei dem Gipfel unter anderem die Bedeutung einer europäischen Bankenaufsicht betont. Eine stärkere Gemeinschaftshaftung für Bankeinlagen lehnt Berlin ab: Deutsche Steuerzahler sollen nicht etwa für spanische Sparer bürgen.

Den Streit über den richtigen Weg zu mehr Wirtschaftswachstum - in Europa vor allem zwischen Frankreich und Deutschland - mündete für den Moment im Patt. Mit einer unverbindlichen Passage in der Gipfelerklärung gaben sich alle zufrieden: diejenigen, die auch auf Pump finanzierte Programme gutheißen, wie auch die andere Seite, die mehr auf Haushaltssanierung und Strukturreformen setzt.

Gerüchte über Direktkauf von Staatsanleihen

Der Guardian hatte zunächst berichtet, dass Merkel am Rande des Gipfels bei einem wichtigen Punkt nachgegeben habe: dem Kauf von Staatsanleihen durch die europäischen Krisenrettungsfonds EFSF und ESM in großem Umfang. Dies würde die Finanzierungskosten angeschlagener Länder wie Spanien und Italien senken. Ein deutscher Regierungsvertreter dementierte dies jedoch. Die Idee soll Italiens Ministerpräsident Mario Monti nach Informationen der Financial Times eingebracht haben. Laut Financial Times Deutschland unterstützt auch Frankreichs Präsident François Hollande den Vorschlag.

Die Regeln für den vorläufigen Rettungsschirm EFSF und den künftigen dauerhaften Hilfefonds ESM sehen die Option von Staatsanleihen-Käufen am Sekundärmarkt vor, aber nur unter bestimmten Bedingungen. So darf der EFSF sich nur am Sekundärmarkt betätigen, wenn die Europäsche Zentralbank zuvor außergewöhnliche Marktbedingungen festgestellt hat.

Nach dem Schlagabtausch mit viel Kritik am europäischen Krisenmanagement zum Auftakt zeigte sich US-Präsident Barack Obama letztlich versöhnlich mit den Europäern: "Ich bin zuversichtlich, dass sie diese Prüfungen bestehen können. Wenn die Leute ein Gefühl dafür haben, wo es hingeht, kann das Vertrauen schaffen." Bundeskanzlerin Merkel sprach von einem "wichtigen Gipfel" mit einer ausgewogenen Debatte über Wachstumsimpulse in einer "Atmosphäre der Partnerschaft". Es habe eine "ganz ehrliche Aussprache" über die Probleme aller Länder gegeben.

Stillhaltabkommen in Sachen Protektionismus

Neben den USA mahnten Staaten wie China, Indien und Südkorea, in der Schuldenkrise rasch zu handeln, um Gefahren für die Weltwirtschaft abzuwenden. US-Finanzminister Timothy Geithner gab der Euro-Schuldenkrise die Schuld, dass die Konjunktur der größten Volkswirtschaft der Erde nicht anspringt - zu einer Zeit, in der sein Chef im Wahlkampf steht: "Wir wachsen nicht so, wie wir wachsen sollten."

Die G 20 verständigen sich auf einen "Los-Cabos-Aktionsplan" für Wachstum und Jobs. Die europäischen Länder sagen Wachstumsimpulse zu, ohne den Kurs der Haushaltssanierung aufzugeben. Den USA wird angesichts der vergleichsweise schwachen Konjunktur zugestanden, langsamer zu sanieren.

Zudem soll offenbar verhindert werden, dass sich die Länder in wirtschaftlichen Protektionismus flüchten. In der Abschlusserklärung heißt es: "Wir sind tief besorgt über zunehmende Fälle von Protektionismus rund um den Globus." Die G 20 versprechen deshalb, bis 2014 keine neuen Maßnahmen zu ergreifen, die eigenen Märkte von Waren und Dienstleistungen abzuschotten. Erstmals hatte sich die G 20 beim Gipfel in Cannes 2011 auf dieses sogenannte Stillhalteabkommen verständigt. Nun wurde es in Los Cabos verlängert. Die Verhandlungen über einen freien Welthandel (Doha-Runde) liegen seit Jahren brach.

Wenig Konkretes zum Nahrungsmangel

Die Versorgung der Welt mit ausreichend Nahrungsmitteln ist nach Ansicht der G-20-Staaten "eine der größten Herausforderung", in der Abschlusserklärung wird allerdings nur wenig Konkretes versprochen. Wegen des erwarteten starken Anstiegs der Weltbevölkerung von heute sieben auf 9,3 Milliarden bis 2050 müsse die Produktion von Nahrungsmitteln um 50 bis 70 Prozent anwachsen, stellte die G 20 fest. Die G-20-Staaten wollen die Spekulationen mit Agrarrohstoffen eindämmen. Hilfsorganisation warfen den größten Volkswirtschaften Unentschlossenheit vor.

Der nächste G-20-Gipfel findet am 5. und 6. September 2013 im russischen Sankt Petersburg statt.

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