G-8-Treffen:Gipfel der Ratlosigkeit

Die G 8 ist ein westlicher Klub, der die ökonomische Dynamik des 21. Jahrhunderts nicht mehr abbildet. Was also kann man vom kommenden Gipfelzirkus erwarten?

Stefan Kornelius

Wer sich da an diesem Montag genau trifft auf der japanischen Insel Hokkaido ist längst nicht mehr klar. Die G-8-Staaten sollen es sein, die Gruppe der wichtigsten acht Industrienationen also. Aber was auf dem Etikett draufsteht, ist nicht mehr zu finden in dem Paket.

G-8-Treffen: Nichtregierungsorganisationen wie Oxfam halten den G 8 vor, nur leere  Versprechen abzugeben.

Nichtregierungsorganisationen wie Oxfam halten den G 8 vor, nur leere Versprechen abzugeben.

(Foto: Foto: Reuters)

Gemessen am Bruttosozialprodukt, gehören Kanada oder Russland nicht zu den ersten acht, wohl aber Spanien und China. Russland ist Mitglied im Klub, weil man sich Ende der neunziger Jahre einig war, dass Moskaus Phantomschmerz über den Verlust des Supermacht-Status gemildert werden musste mit der großzügigen Aufnahme in den exklusiven Zirkel.

Was aber sind schon Phantomschmerzen, gemessen an den Wachstumskrämpfen, die Staaten wie Brasilien, China oder Indien erleben? Nebenbei alles Länder, die unter den ersten zehn der Bevölkerungsstatistik stehen und die über große Währungsreserven verfügen. Wo bleiben Korea oder Australien, das wichtige Kohle- und Eisenerzreserven besitzt? Was ist mit Mexiko, Südafrika, Kenia - alles bedeutende Regionalmächte mit dem einen oder anderen statistischen Superlativ, und sei es der höchste Pro-Kopf-Ausstoß an Kohlendioxiden?

Auf Hokkaido soll es all diesen Ländern recht gemacht werden, ohne dass man aber ihre Probleme löst. Offiziell treffen sich die Acht, aber nicht wenige Stunden verbringen die Staats- und Regierungschefs in neuen Konstellationen, von denen bisher höchstens das außenpolitische Fachpersonal Kenntnis genommen hat: In der "Outreach-Gruppe" versammeln sich sieben afrikanische Staaten mit ihnen.

Die "G-8 plus 5" platziert zusätzlich die Führungen Brasiliens, Chinas, Indiens, Mexikos und Südafrikas am Tisch. Und das "Major Economics Leaders Meeting" vergibt schließlich noch Eintrittskarten an Australien und Südkorea. Die japanischen Kulissenschieber werden allerhand zu tun bekommen bis Mittwoch.

Was als Skurrilität des Gipfelzirkus erscheint, ist in Wahrheit Ausdruck großer Ratlosigkeit. Die Welt hat die Foren nicht, in denen sie die Probleme des 21. Jahrhunderts lösen kann. Die internationalen Institutionen erweisen sich mehr und mehr als untauglich, um sich der globalen Sorgen anzunehmen. Ob Klima, Energieversorgung, Nahrungsmittel oder drängende Handelsfragen - nirgendwo lässt sich eines der Globalisierungs-Großthemen festmachen und mit Legitimität und Effizienz lösen.

Gipfel der Ratlosigkeit

Die Bürger eines jeden Landes haben eine ideale Vorstellung von ihrer jeweiligen Regierung: Legitim soll sie sein und effektiv. Diese beiden Eigenschaften aber fehlen den zwischenstaatlichen Organisationen, in denen Regierungen zusammengeschlossen sind. Das hat einen einfachen geschichtlichen Grund. Die meisten Organisationen sind westliche Gründungen, entstanden auf den Trümmern des Zweiten Weltkrieges oder im Zeitalter des Kalten Krieges zwischen Ost und West. Was aber der Welt nach 1990 widerfahren ist - Globalisierung, Aufstieg der Wachstumsgiganten, religiöse Ideologisierung der wichtigsten Rohstofflieferanten -, wird nirgendwo abgebildet im internationalen Geflecht.

Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen ist ein verstaubtes Relikt der Nachkriegsordnung. Die G 8 ist ein westlicher Klub, der die ökonomische Dynamik des 21. Jahrhunderts nicht mehr abbildet. Genauso ist es mit Weltbank und Internationalem Währungsfonds, deren Führungspersonal traditionell und stur von Europäern oder US-Bürgern gestellt wird, als ob der wichtigste Wachstumsmotor der Welt nicht längst in Asien liefe. Ein System des Westens für den Westen, das es den Aufsteiger-Nationen in Asien nur allzu leichtmacht, den globalen Problemen wie etwa dem Klimawandel aus dem Weg zu gehen.

Die globalisierte Welt braucht ein repräsentativeres System, aus zwei Gründen: Die westlichen Institutionen sind ineffektiv und müssen sich zudem den Vorwurf gefallen lassen, sie verhinderten aus schieren Machtinteressen die Teilhabe der Aufsteiger.

Zweitens erlaubt dieses System vor allem den asiatischen Aufsteigern Flucht aus der Verantwortung. Diese Staaten müssen also in ein System eingebunden werden, solange die Regeln dafür noch mit ihnen gemeinsam aufgestellt werden können. Chinas Afrikapolitik, besonders im Sudan, ist da beispielhaft. Erst als Peking an seine Verantwortung erinnert wurde, nahm es auch auf die Bürgerkriegsparteien Einfluss und stellte eigene Ölinteressen hintan.

"Global Governance" heißt das Zauberwort der Zukunft. Nötig ist eine verantwortungsbewusst agierende Staatenfamilie in einer vernetzten Welt, die nicht mehr an dem überholten Prinzip festhält, sich möglichst wenig in die inneren Angelegenheiten einzelner Länder einzumischen. Damit "Global Governance" nicht zur Worthülse verkommt, sind ein paar schnelle Entscheidungen nötig. Die erste könnte sein, dass sich der G-8-Klub erweitert und baldmöglichst die wahren Aktionäre der Welt AG aufnimmt: Brasilien, China, Indien, Mexiko und Südafrika. Danach könnte sich der Gipfelzirkus mit all seinen Unterabteilungen wieder der eigentlichen Arbeit zuwenden.

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