G-20-Prozesse:Die Justiz verliert ihr Maß

Flaschenwerfer ins Gefängnis? Bewährungstrafen für Böller-Besitz?

Von Wolfgang Janisch

Keine Zahl ist so entscheidend vor Gericht wie die Zwei. Denn zwei Jahre Freiheitsstrafe lassen sich zur Bewährung aussetzen, was darüber ist, nicht. Insofern markiert die Zwei die Grenze zwischen Härte und Nachsicht. Die Hamburger Justiz hat sich für Härte entschieden und gleich im ersten Prozess wegen der G-20-Krawalle zwei Jahre und sieben Monate verhängt. Vermutlich will das Gericht ein Signal setzen. Generalprävention heißt das in der Sprache der Juristen, vulgo: Abschreckung. Künftige Gewalttäter sollen wissen, dass der Staat Ernst macht.

Das Signal dieses und eines zweiten G-20-Urteils vom Dienstag ist jedoch ein anderes. Nach der Polizei, deren Beitrag zur Eskalation noch zu klären sein wird, ist nun auch die Hamburger Justiz dabei, ihr Maß zu verlieren. Dass dies den Forderungen der Politik nach harten Strafen entspricht, macht die Sache nicht besser. Ein Flaschenwerfer muss ins Gefängnis? Der bloße Besitz von Böllern und Pfefferspray wird (immerhin auf Bewährung) mit sechs Monaten Haft geahndet?

Wer sich in den Gerichtssälen der Republik umschaut, wird feststellen, dass dies ein Schluck über den Durst ist. Gewiss, man darf nicht naiv sein und gewaltbereite Randalierer mit aufrechten Demonstranten verwechseln. Aber dass Übergriffe gegen helmbewehrte Polizisten höhere Strafen erfordern als Gewalttaten gegen einfache Bürger, ist schwer zu verstehen.

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