G-20-Gipfel:Wie Unterhändler den G-20-Gipfel möglich machen

Bundeskabinett

Sachlich und vor allem flexibel: Merkels Sherpa Lars-Hendrik Röller.

(Foto: Bernd Von Jutrczenka/dpa)

Ohne Merkels Berater Lars-Hendrik Röller und seine Kollegen wären Gipfeltreffen undenkbar. Sie handeln die Kompromisse aus, die ihre Chefs später schließen sollen.

Von Cerstin Gammelin, Berlin

Ein Präsident sagt ab wegen Korruptionsverdachts, ein Herrscher mag frische Kamelmilch, ein Präsident will nebenbei Kundgebungen abhalten, ein anderer Strafzölle verkünden, der nächste Flüchtlinge verteilen.

Wer die Mächtigen der Welt empfängt, hat stets zahlreiche persönliche Interessen zu befriedigen, damit die Stimmung in der globalen Gemeinde nicht plötzlich kippt. Vor genau dieser diplomatischen Herkulesaufgabe stehen am Ende dieser Woche die deutschen Gastgeber des G-20-Gipfels in Hamburg. Am Dienstag ist der Konvoi aus Berlin nach Hamburg aufgebrochen, um letzte Vorbereitungen zu treffen. Die Organisatoren wollen den globalen Tanker G20 an allen Eisbergen vorbei ins offene Meer lotsen.

Am selben Tag hat auch die finale Verhandlungsrunde der Sherpas aus allen G-20-Staaten begonnen, jener Unterhändler, die im Namen ihrer Regierungen solche Gipfel inhaltlich vorbereiten. Angeführt vom deutschen Sherpa Lars-Hendrik Röller feilen die Profis bis Donnerstag an der Abschlusserklärung. Worauf können sich die G20 einigen, bei Handel, Migration, Klimaschutz, Frauenförderung oder Terrorbekämpfung? Um 18 Uhr am Donnerstag ist Schluss für die Sherpas. Erst einmal jedenfalls. Sie können Schlaf nachholen, denn jetzt müssen die Chefs ran.

Die Mächtigen dieser Erde kommen am Donnerstag in Hamburg an. Dann muss alles wie von selbst laufen. Straßen müssen frei sein für durchrasende Autokonvois, Hotelchefs wissen, was die Gäste lieben, Sicherheitsdienste unsichtbar ihren Job verrichten. Derart versorgt werden die Chefs der zwanzig größten Industrie- und Schwellenländer dann Freitag und Samstag in wohltemperierten Räumen beieinander sitzen und sich ihrer weltpolitischen Aufgabe widmen: Sie versuchen, eckige Klammern aufzulösen.

Die eckigen Klammern befinden sich in dem Entwurf der Abschlusserklärung, die von den Sherpas im Maschinenraum entworfen wurde. Die Abschlusserklärung ist so etwas wie der Arbeitsnachweis dafür, dass sich die G20 um das Wohlergehen der Welt kümmern. Die Staats- und Regierungschefs erklären darin, was zu tun ist, um globale Krisen zu vermeiden und möglichst vielen Menschen ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen.

Was das ist, wird freilich in Staaten wie Japan, Indien, Brasilien, der Türkei, den USA und China sowie in Europa ganz unterschiedlich interpretiert. Weshalb sich die Qualität eines Sherpas immer daran bemisst, ob er trotz allem die Dampfmaschine im Maschinenraum des G-20-Tankers am Arbeiten halten kann.

Größte Baustelle zwischen dem deutschen Sherpa und seinem US-Kollegen: das Klima

Zum Handwerk gehört, dass er am Ende eines monatelangen Verhandlungsprozesses noch immer vorhandene Streitigkeiten in eckige Klammern fasst. Gut ist es, wenn die Chefs nur ein, zwei Klammern im Text finden. Schlecht, wenn es mehr sind.

Um Letzteres zu vermeiden, hat Sherpa Röller gerade noch einmal in Washington mit seinem US-Kollegen gesprochen. Röller will die eckigen Klammern beim strittigen Thema Klimaschutz auflösen. Die USA wollen das Klimaabkommen von Paris aufkündigen, der Rest der G20 will das nicht, jedenfalls bisher nicht. Um die USA nicht zu isolieren und zugleich den Kampf gegen den Klimawandel in die Abschlusserklärung aufnehmen zu können, musste Röller jeden denkbaren Kompromiss erwägen. Ob das gelungen ist, wird sich am Samstag zeigen. Immerhin hat US-Präsident Donald Trump inzwischen wissen lassen, er wolle Merkel dabei unterstützen, G20 zu einem Erfolg zu machen.

Der deutsche Sherpa hat alle Eigenschaften, die sich Gastgeberin und Bundeskanzlerin Angela Merkel wünschen kann. Er ist loyal, sachlich, uneitel, flexibel, ein so geduldiger wie freundlicher Wirtschaftswissenschaftler. Seit 2011 ist er Merkels Berater im Kanzleramt, seit 2015 auch derjenige, der dafür sorgen muss, dass die Chefin in Hamburg einen glanzvollen G-20-Gipfel hinlegen wird. Was konkret heißt, dass es eine Abschlusserklärung ohne eckige Klammern geben muss.

Die sich rapide wandelnde Weltlage hat Röller und sein Team zu einer Flexibilität gezwungen, die nicht absehbar war, als Merkel 2015 die G-20-Präsidentschaft im Bundestagswahljahr 2017 nach Deutschland holte. Sicher geglaubte Konsens-Themen brachen weg, das Spitzenpersonal änderte sich und damit die Politik großer Staaten. Was auch heißt, dass bei der Arbeit im Maschinenraum wegen fehlender Ansprechpartner immer wieder improvisiert werden musste. Wenn am Samstagabend alle Gäste abgefahren sind, wird Sherpa Röller, wird das gesamte deutsche G-20-Team endlich auch Urlaub machen können.

Bis dahin müssen sie noch dafür sorgen, dass dem G-20-Tanker zumindest unter deutscher Flagge das Schicksal der Titanic erspart bleibt.

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