G-20-Gipfel:Wenn zwei Alphatiere sich beschnuppern

G-20-Gipfel: Donald Trumps wichtigster Gesprächspartner war Wladimir Putin.

Donald Trumps wichtigster Gesprächspartner war Wladimir Putin.

(Foto: Evan Vucci/AP)
  • Die russischen Medien berichten euphorisch vom Treffen zwischen Putin und Trump.
  • Der russische Präsident, dessen Verhältnis zum früheren US-Präsidenten Barack Obama zuletzt eisig war, äußert sich nun hoffnungsvoll.
  • Für die Demokraten im US-Senat dagegen war das Treffen der Tiefpunkt des G-20-Gipfels.

Von Julian Hans, Moskau

Natürlich ist es ein Unterschied, ob man als Präsident nach einem Gipfel in ein Land mit einer Opposition und pluralen Medien zurückkehrt, oder in ein Land, in dem man mehr oder weniger selbst in der Hand hat, wie über die eigenen Taten berichtet wird. Mit jeder Minute, die Donald Trump und Wladimir Putin am Freitag hinter verschlossenen Türen in den Hamburger Messehallen zusammensaßen, wuchs in Moskau die Euphorie - und in Washington die Nervosität.

"Melania Trump konnte ihren Mann nur mit Mühe von Wladimir Putin loseisen", jubelte der Staatssender Rossija. Die Dame hatte wohl Sorge, sie müsste allein ins Konzert in der Elbphilharmonie. Die Talkshow "60 Minuten" hielt eine Standleitung in die Hansestadt und der Moderator Jewgenij Popowin wurde nicht müde zu wiederholen, in Hamburg werde gerade, "das Schicksal der Welt entschieden". Am Ende waren sich alle Diskutanten einig: Das Treffen habe noch einmal bewiesen, dass Russland wieder als "globaler Player in der Weltpolitik akzeptiert" werde.

"Putin und Trump finden Weg zum Frieden in Syrien und in der Ukraine" titelte Russlands größte Boulevardzeitung Komsomolskaja Prawda am nächsten Tag. Das Treffen habe einen "Durchbruch" gebracht, sagte der Senator Konstantin Kosatschow, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Föderationsrat, dem russischen Oberhaus. Das gelte "psychologisch ganz bestimmt, möglicherweise auch in der Praxis". Wenn die beiden Präsidenten nicht auf Konfrontation aus seien, sondern auf konkrete Ergebnisse, wie es Außenminister Sergej Lawrow später berichtete, sei es nur eine Frage der Zeit, bis diese Ergebnisse auch erzielt würden.

Der Moskowskij Komsomolez bemühte gleich ein historisches Vorbild mit seiner Überschrift "Treffen an der Elbe". Unter diesem Namen ist die erste Begegnung zwischen Soldaten der Roten Armee und der US Army auf deutschem Boden am 25. April 1945 in die Geschichte eingegangen. Die USA und die Sowjetunion hatten Europa vom Faschismus befreit. Von da an sollten die beiden Supermächte über ein halbes Jahrhundert lang das Schicksal der Welt weitgehend unter sich ausmachen.

Zwei Quereinsteiger aus der Wirtschaft gegen 40 Jahre diplomatische Erfahrung

Mit einigen Bauchschmerzen hatten die außenpolitischen Experten im Weißen Haus Trump in das Treffen ziehen lassen. An seiner Seite nur Rex Tillerson. Zwei Quereinsteiger aus der Wirtschaft treffen auf geballte 40 Jahre diplomatischer Erfahrung: Lawrow sammelte sie als Chef der UN-Vertretung und als Außenminister, Putin in wechselnder Rolle als Präsident und Premier. Die Runde war so klein, dass man sich hinterher auf die Aussagen von Männern verlassen musste, die für einen eher flexiblen Umgang mit der Wahrheit bekannt sind (Tillerson einmal ausgenommen). Zudem hatten beide Präsidenten ja noch ein Versprechen einzulösen: Dass man einen Deal schließen kann, wenn man den Streit aus der Vergangenheit über Bord wirft und von Mann zu Mann miteinander spricht.

Wenn auch außer der bereits zuvor ausgehandelten Waffenruhe nichts Konkretes bekannt wurde, so sollte das zumindest atmosphärisch rüberkommen. "Der Trump im Fernsehen ist ganz anders als der echte", sagte Putin bei einer Pressekonferenz. Ob er dabei das eigene oder das amerikanische Fernsehen im Sinn hatte, ist nicht überliefert. Jedenfalls wisse Trump "ganz genau, mit wem er redet, und er beantwortet Fragen sehr schnell".

Ein "robustes und längeres" Gespräch

Putin, dessen Verhältnis zum früheren US-Präsidenten Barack Obama zuletzt eisig war, äußerte sich nun hoffnungsvoll. Es gebe Grund zu der Annahme, "dass wir in der Lage sein werden, zumindest teilweise das Kooperationsniveau herzustellen, das wir brauchen". Trump verzichtet auf eine Pressekonferenz, sandte aber schon auf dem Heimweg die Botschaft, es sei ein "fantastisches Treffen" gewesen.

Die Details überließ er Tillerson. Der nannte "die Chemie zwischen den beiden ganz klar positiv". Beide Präsidenten hätten ein "robustes und längeres" Gespräch geführt. Wie robust die Konfrontation vor allem bei einem Thema war, das Washington nun seit bald einem Jahr in Atem hält, nämlich die Frage der Manipulation der US-Wahlen, darüber gingen die Darstellungen auseinander.

Trump habe zu den Hacking-Vorwürfen "eine Menge Fragen gestellt", sagte Putin, "und ich habe ihm geantwortet. Mir schien es so, als habe er das anerkannt", meinte Putin. Die Amerikaner wiesen derweil die Darstellung zurück, Trump habe Putins Zusicherung akzeptiert. Dass beide Präsidenten das Thema lieber jetzt als gleich vom Hals hätten, ist offensichtlich. Doch dass der Versuch gelingen könnte, es von einer gemeinsamen Arbeitsgruppe zur Cyberkriminalität beerdigen zu lassen, scheint angesichts der Stimmung in den USA fraglich zu sein.

Nikki Haley, US-Botschafterin bei den UN, versuchte, ihren Präsidenten als harten Verhandler darzustellen. "Jeder weiß, dass Russland sich in unsere Wahlen eingemischt hat", sagte sie CNN. Dem US-Präsidenten sei es darum gegangen, Putin "in die Augen zu sehen, ihn wissen zu lassen, ja, wir wissen, Sie haben es getan, und hören Sie auf damit".

Dass Putin diese Einmischung nicht eingestehe, sei erwartbar gewesen. "Das ist Russland bei dem Versuch, das Gesicht zu wahren." Jedes Land müsse wissen, "dass es Folgen hat, wenn sie sich in unsere Wahlen einmischen". Auf die Frage, welche Konsequenzen es für Russland geben müsse, sagte Haley: "Ich denke, das müssen Sie den Präsidenten fragen."

Arbeitsgruppe zu Cybersicherheit

Der führende Demokrat im US-Senat, Chuck Schumer, nannte Trumps Treffen mit Putin einen Tiefpunkt des G-20-Gipfels. Die US-Geheimdienste seien einmütig zu dem Schluss gekommen, dass sich der russische Präsident bewusst in die US-Wahlen eingemischt habe. Trump dagegen habe Putins Leugnen der Wahlbeeinflussung bei dem Treffen anscheinend "hingenommen und damit fast sicher den Weg zu künftiger Wahleinmischung geebnet".

Peinlich sei auch, dass sich Trump mit Putin auf eine Arbeitsgruppe zum Thema Cybersicherheit verständigt habe. Das sei so, "als ob Polizisten und Bankräuber übereinkommen, eine Arbeitsgruppe über Bankraub zu bilden". Putin habe eine Falle aufgestellt, und Trump sei hineingetreten, urteilt Jennifer Psaki, unter Barack Obama Sprecherin des State Department in einem Beitrag für CNN. Die US-Dienste, die Demokraten und selbst viele Republikaner und Experten des Weißen Hauses seien von einer russischen Einmischung überzeugt. "Aber mit einer einfachen Versicherung von Präsident Putin ist das vom Tisch."

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