G20-Gipfel:Merkel erwartet Ende des Besuchsverbots für Incirlik

  • Angela Merkel und Recep Tayyip Erdoğan haben sich zu einem kurzen Gespräch vor dem Start des G20-Gipfels in China getroffen.
  • Die Bundeskanzlerin geht nun davon aus, dass das Besuchsverbot für Bundestagsabgeordnete bei Bundeswehrsoldaten auf der türkischen Luftwaffenbasis Incirlik in Kürze aufgehoben wird.
  • Der türkische Staatschef hat sich ebenfalls mit Barack Obama getroffen. Dieser hat der Türkei Hilfe bei der Aufklärung des Putschversuchs zugesagt.

Das Verhältnis zwischen der Bundesregierung und Ankara ist angespannt: Flüchtlingskrise, Armenien-Resolution, Truppenbesuch deutscher Abgeordneter in Incirlik - und nicht zuletzt der autoritäre Kurs von Recep Tayyip Erdoğan selbst - bergen reichlich Konfliktpotenzial. Angesichts der Fülle der Konflikte ist ein Treffen zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem türkischen Staatschef am Rande des G20-Gipfels in China mindestens heikel.

Erstmals seit dem Putschversuch in der Türkei Mitte Juli sind Merkel und Erdoğan in Hangzhou aufeinandergetroffen. Bei dem Gespräch sei es um drei Themen gegangen: Incirlik, das Flüchtlingsabkommen und die Lage in Syrien, sagte Merkel. "Wir waren uns vor allem einig, dass der politische Prozess in Syrien wieder in Gang kommen muss." Die Lage in Aleppo bezeichnete Merkel als "nicht hinnehmbar". Sie habe die Hoffnung, dass es dort schnell zu einem Waffenstillstand kommen könne - "damit humanitäre Versorgung stattfinden kann".

Im Zuge des Austauschs über das Flüchtlingsabkommen und mögliche Visaliberalisierungen habe Merkel mit Erdoğan keine konkreten Zeiträume vereinbart. "Wir waren uns einig, dass noch Arbeit zu leisten ist. Ich glaube, dass die Gespräche sehr intensiv - auch unter Einschluss des Europarats - geführt werden." Sie habe den Eindruck gehabt, dass die türkische Seite durchaus Interesse daran habe, noch ausstehende Probelme zu lösen.

Incirlik: Aufhebung des Besuchsverbots wahrscheinlich

Im Vorfeld des Treffens war vor allem Incirlik ein Streitpunkt gewesen. Deutschland beteiligt sich auf der Basis in der Südtürkei am Kampf gegen die Extremistenmiliz Islamischer Staat. Nach der Armenien-Resolution des Bundestags hatte die türkische Regierung deutschen Bundestagsabgeordneten untersagt, den Stützpunkt zu besuchen. Bundeskanzlerin Angela Merkel geht nun davon aus, dass das Besuchsverbot in Kürze aufgehoben wird. Sie glaube, dass es diesbezüglich in den nächsten Tagen "positive Nachrichten" geben werde.

Erst am Freitag hatte die Bundesregierung in einer Stellungnahme nach monatelangem Druck aus der Türkei ihre Position zu der Armenier-Resolution noch einmal dargelegt. Darin stellte sie fest: Die Regierung verteidige das Recht des Parlaments, "seine politischen Auffassungen zum Ausdruck zu bringen, ohne dass diese rechtsverbindlich" seien. Nun wird erwartet, dass die Türkei das wegen der Resolution ausgesprochene Besuchsverbot für Bundestagsabgeordnete auf der Luftwaffenbasis Incirlik aufhebt.

Eine Entspannung in der Streitsache Incirlik ist für Angela Merkel von Bedeutung. Einem Bericht der Bild am Sonntag zufolge soll von der Basis aus schon in wenigen Wochen ein Nato-Einsatz mit deutscher Beteiligung starten. Demnach sollen ab Ende Oktober Awacs-Maschinen mit deutschen Soldaten an Bord den syrischen Luftraum kontrollieren.

Die Flugzeuge sollen über der Türkei und dem Mittelmeer Informationen über die Lage in Syrien und dem Irak sammeln. Ohne eine Einigung mit der Türkei sei ein Bundestagsmandat für die Nato-Mission ausgeschlossen, sagte der verteidigungspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Rainer Arnold, dem Blatt: "Die Mandatierung wird es nur geben, wenn wir unsere Soldaten besuchen können."

Obama: "Wir müssen den Job in Syrien zu Ende bringen"

Über den Einsatz in Syrien hat sich Erdoğan auch mit US-Präsident Barack Obama ausgetauscht. Der türkische Präsident bekräftigte dabei, dass die Vereinigten Staaten und die Türkei zu einer gemeinsamen Haltung gegenüber Terror finden müssten. Erdogan warnte vor einer Unterscheidung zwischen "guten Terroristen" und "schlechten" - jeglicher Terrorismus sei schlecht.

Obama hat seinerseits versprochen, dass die Verantwortlichen des Putschversuchs "zur Rechenschaft gezogen" würden. Das würde die US-Regierung unter Kooperation der eigenen Behörden sicherstellen.

Zwischen Washington und Ankara bestehen Differenzen über die Rolle kurdischer Kämpfer, die in Syrien gegen den IS vorgehen. Von den USA unterstützte Kurden waren im Kampf gegen Terroristen erfolgreich. Die Türkei will verhindern, dass die Kurden ein zusammenhängendes Gebiet an der türkischen Grenze erobern und es zum autonomen Gebiet erklären. Die Türkei sieht dadurch die nationale Sicherheit bedroht. Sie fordert von den USA außerdem die Auslieferung des Predigers Fethullah Gülen. Die Regierung in Ankara hält Gülen für einen der Drahtzieher hinter dem Putschversuch.

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