G-20-Gipfel:In Los Cabos scheitert die Weltregierung

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Die Euro-Krise hat für die Weltwirtschaft großes zerstörerisches Potenzial, doch beim G-20-Gipfel wird sie zum Problemchen herabgedimmt. Das hat einen einfachen Grund: Weil alle Staaten jede Menge Dreck am Stecken haben, schafft es der eine Sünder stets, dem anderen eine nur milde Rüge der eigenen Missetat abzuringen.

Claus Hulverscheidt, Los Cabos

Fast 10.000 Kilometer liegen zwischen Berlin und Los Cabos, die Anreise in den mexikanischen Urlaubsort ist beschwerlich, der Temperaturschock immens. Es ist eine Reise also, die sich für Angela Merkel lohnen sollte. Doch wer die Erklärung liest, auf die sich die Regierungschefs der G-20-Staaten bei ihrem Gipfeltreffen verständigt haben, muss ernüchtert sein: Probleme werden mit Worthülsen zugekleistert, Misserfolge hinter Phrasen versteckt, Fehlleistungen totgeschwiegen. Nicht nur Europa steckt in der Krise - die Gruppe der 20 tut es auch.

Bundeskanzlerin Angela Merkel und der britische Premier David Cameron auf einer Arbeitssitzung beim G-20-Gipfel in Los Cabos. (Foto: dapd)

Als sich die selbst ernannte Weltregierung Ende 2008 erstmals auf Chef-Ebene traf, waren die Ambitionen groß. Die G-20-Länder wollten einen Konjunktureinbruch verhindern, die Finanzmärkte an die Kette legen und die Bankenwelt neu ordnen. Entgegen der landläufigen Meinung ist es seither durchaus einiges geschehen. Noch mehr aber, auch das ist wahr, ist liegen geblieben.

Die Euro-Krise etwa, die für die Weltwirtschaft großes zerstörerisches Potenzial hat, wird in der jüngsten Gipfel-Erklärung auf Problemchen-Größe herabgedimmt - aus einem einfachen Grund: Da auch die Amerikaner, die Chinesen, die Japaner und Brasilianer - rein ökonomisch gesehen - jede Menge Dreck am Stecken haben, schafft es der eine Sünder stets, dem anderen eine nur milde Rüge der eigenen Missetat abzuringen.

Schulstunde in Los Cabos

Eigentlich wäre die G 20 das richtige Gremium, um die großen globalen Probleme offen anzusprechen. Mittlerweile sind die Gipfel aber so ritualisiert, dass sie weniger einer Diskussionsrunde gleichen als einer Schulstunde, in der sich Kinder gegenseitig ihre Hausarbeiten vorlesen.

Dass Merkel trotz der wenig erbaulichen Gipfel-Bilanz nicht unzufrieden nach Hause fährt, ist der Tatsache geschuldet, dass sie Rolle der "Buhfrau", die ihr wegen ihrer harten Haltung in der Euro-Krise zu Beginn zugedacht war, so dann doch nicht spielen musste. Allerdings gibt es zwei unterschiedliche Deutungen, warum es ihr gelang, das Sündenbock-Image von sich fern zu halten. Positiv ausgedrückt könnte man sagen: Die Welt hat erkannt, dass sich die Euro-Krise nicht lösen lässt, indem eine einzelne Dame einfach den Schalter umlegt und einer europäischen Schuldenunion zustimmt.

Wahrscheinlicher ist jedoch, dass ihr ein Missverständnis zugutekam: Die Amerikaner nämlich lobten Merkel in Los Cabos dafür, dass Deutschland nun endlich den Konsum der Bürger und damit auch den Import aus Drittstaaten wie den USA ankurbele - mit Hilfe höherer Löhne. Dass die Regierenden in Berlin dafür wenig können, weil nicht sie die Löhne festsetzen, sondern die Tarifpartner, war Präsident Barack Obama und seiner Entourage offenbar entgangen.

Die Episode mag für sich genommen unbedeutend sein. Sie zeigt jedoch, wie tiefgreifend die Krise der G 20 ist: Politik lässt sich nur dann gemeinsam gestalten, wenn es ein gemeinsames Verständnis der Probleme gibt. Selbst an diesem gemeinsamen Verständnis aber fehlt es.

© SZ vom 20.06.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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