Gipfel in Kanada:Die G-7-Staaten einigen sich - doch dann schert Trump aus

Bundeskanzlerin Angela Merkel und US-Präsident Donald Trump auf dem G-7-Gipfel 2018 in Kanada.

Nur kurz sprachen Kanzlerin Merkel und US-Präsident Trump beim G-7-Gipfel unter vier Augen.

(Foto: AFP)
  • Am frühen Samstagabend verständigen sich die Staats- und Regierungschef beim G-7-Gipfel doch noch auf ein Abschluss-Kommuniqué.
  • Kurz darauf verkündet US-Präsident Trump via Twitter: Er will die gemeinsame Erklärung wegen Differenzen mit Kanada nun doch nicht unterstützen.
  • In ihrem Papier hatten sich die G 7 zum Kampf gegen den Protektionismus bekannt. Bei den Erklärungen zum Klimaschutz und zum Plastikmüll gab es keine Einigung zwischen den USA und den anderen sechs Staaten.

Analyse von Robert Roßmann, La Malbaie

Es schien, als sei es den Teilnehmern beim G-7-Gipfel in Kanada doch noch gelungen, einen offenen Bruch zwischen US-Präsident Donald Trump und den anderen Staaten zu vermeiden. Die sieben Staats- und Regierungschefs verständigten sich nach langem Ringen auf ein gemeinsames Abschluss-Kommuniqué - das Trump noch aus dem Flieger heraus wieder aufkündigte. Er habe seine Unterhändler angewiesen, das Kommuniqué nicht zu unterstützen, twitterte der US-Präsident. Als Grund nannte er Kanadas Position im Streit um US-Strafzölle.

Damit distanzieren sich die USA von einer Abschlusserklärung, die vor allem wegen amerikanischer Positionen eine Erklärung mit Lücken ist. So bekannten sich die G-7-Staaten allgemein zum Kampf gegen den Protektionismus und betonten "die zentrale Bedeutung eines regelbasierten internationalen Handelssystems". Bei den Erklärungen zum Klimaschutz und zur Vermeidung von Plastikmüll, einem Kernthema der kanadischen G-7-Präsidentschaft, gab es allerdings keine Verständigung mit Trump - sie wurden mit sechs zu eins beschlossen, also ohne Billigung der USA.

Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte, es habe "sehr offene, zum Teil sehr kontroverse" Diskussionen gegeben. Bei den Vereinbarungen zum Handel liege "die Tücke im Detail". Deswegen würden hier viele Konflikte weitergehen. US-Präsident Donald Trump hatte vor dem Gipfel mit der Verhängung von Strafzöllen einen Handelsstreit angefacht. Vor allem dieses Thema sorgte in La Malbaie für Differenzen, wie es sie in der Geschichte der G 7 lange nicht mehr gegeben hat.

Trump sagte in seinem offiziellen Abschluss-Statement zwar, sein Verhältnis zu "Angela" und den anderen Gipfelteilnehmern sei hervorragend - auf einer Skala von null bis zehn liege es bei zehn. Er klagte aber auch, die Vereinigten Staaten würden unfair behandelt. Den Außenhandelsüberschuss der EU-Staaten werde er nicht mehr länger hinnehmen. Die Europäer seien "brutal" zu den USA, und sie wüssten es. Falls sie die Benachteiligungen im Handel nicht abbauen würden, würde der Handel beendet.

Der US-Präsident schlug vor, alle Zölle und Subventionen abzuschaffen - warnte aber gleichzeitig die anderen Staaten eindringlich vor Vergeltungsmaßnahmen gegen die von ihm verhängten Strafzölle auf Stahl- und Aluminiumimporte. Außerdem relativierte der US-Präsident die Bedeutung des gesamten Treffens schon vor seinen Tweets aus der Air Force One mit der Bemerkung, die G 20 seien wichtiger als die G 7. Es war ein Auftritt, der in der Sache an Unnachgiebigkeit kaum zu überbieten war.

Bundeskanzlerin Angela Merkel sah sich angesichts des Streits mit Trump bereits am Freitag genötigt, prinzipielle Zweifel am Sinn der G 7 zu zerstreuen. Merkel sagte, es sei doch "auch ein Zeichen der Ehrlichkeit", wenn man sich "bei offener Diskussionskultur nicht in allen Fragen einigen" könne. Außerdem mache es keinen Sinn, Konflikte "zuzukleistern".

Doch in Kanada ging es um nicht weniger als die Frage, ob der Multilateralismus noch eine Chance hat - und ob die G7 noch stark genug sind, sich gegen die neuen Hausforderungen wie den expansiven Kurs Chinas zu behaupten. Trumps eigenmächtiges Vorgehen, seine Abscheu vor dem Multilateralismus - also dem gemeinsamen Lösen von Problemen - machen auch in der G 7 vielen Sorgen. Wie groß der Unmut ist, zeigte sich bereits in der Nacht vor dem Gipfel. Da twitterte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, der bisher ein besseres Verhältnis als Merkel zu Trump hatte, erbost: "Dem amerikanischen Präsidenten mag es egal sein, wenn er isoliert ist - genauso wenig aber macht es uns etwas aus, eine Vereinbarung von sechs Ländern zu unterzeichnen, wenn die Notwendigkeit dazu besteht."

In La Malbaie bemühten sich Macron und Trump dann zwar bei einem Zweiergespräch wieder um ein besseres Verhältnis. Anschließend tauschten sie Freundlichkeiten aus. Doch an den Konflikten änderte das nichts. Denn es ging in Kanada ja nicht nur um den Handelsstreit, sondern auch um das von den USA aufgekündigte Atomabkommen mit Iran, den Klimaschutz und das Verhältnis zu Russland.

Der US-Präsident hatte vor seinem Abflug nach Kanada überraschend gefordert, Russland wieder in die G 7 aufzunehmen. "Sie haben Russland ausgeschlossen, sie sollten Russland wieder aufnehmen", sagte Trump. Da der neue italienische Ministerpräsident Giuseppe Conte daraufhin twitterte, er stimme dem US-Präsidenten zu, eine Rückkehr Russlands liege "im Interesse aller", gab es bei den anderen Europäern die Befürchtung, es mit einer abgesprochenen Aktion zu tun zu haben. Conte ist Regierungschef einer Koalition aus der in Teilen rechtsradikalen Lega und der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung. Und Lega-Chef Matteo Salvini ist nicht nur politischer Freund Marine Le Pens, sondern auch ein Bewunderer Wladimir Putins.

Russland in der G 7? Italien schwenkt noch um

Merkel schließt - wie die anderen Europäer - eine Rückkehr Russlands wegen der Annexion der Krim vehement aus. Der G-7-Gipfel sei ein Format, bei dem sich "Staats- und Regierungschefs treffen, die geeint sind durch gemeinsame Werte wie Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Achtung der Menschenrechte", findet die Kanzlerin. Ein Ausscheren Italiens in dieser Frage hätte eine Spaltung der Europäer bedeutet - für Trump wäre das ein Triumph.

Bei einem Treffen der europäischen Gipfel-Teilnehmer in La Malbaie soll Conte dann allerdings zurückhaltender aufgetreten sein. Er habe seine Forderung "nicht kraftvoll" und vager als in seinem Tweet vertreten, hieß es. Conte habe vor allem darauf gedrungen, dass es einen stärkeren Dialog mit Russland geben müsse. Merkel habe dann auf ihre vielfältigen Kontakte zu Putin und die zahlreichen anderen Gesprächsformate mit Russland verweisen können.

Bei dem Treffen der Staats- und Regierungschefs aus Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Italien sei es die "gemeinsame Meinung" gewesen, dass Russland nicht wiederaufgenommen werden solle, sagte Merkel anschließend. Es habe Einigkeit geherrscht, dass "eine Rückkehr Russlands zum G-7-Format nicht erfolgen kann", solange keine "substanziellen Fortschritte" zur Lösung des Ukraine-Konflikts erreicht würden. Conte sagte später, er hoffe zwar, dass es so bald wie möglich wieder G-8-Treffen mit Russland geben werde, aber auch er wolle keine Aufhebung der Russland-Sanktionen "über Nacht".

Auch bei anderen Themen zeigt sich die Spaltung

Der US-Präsident blieb in der Russland-Frage auf dem Gipfel also isoliert. Aber auch dieses Thema offenbarte, wie groß die Spaltung zwischen den USA und den anderen G-7-Mitgliedern inzwischen ist. Und vor allem für Merkel war der Vorstoß von Trump ein Affront. Die Kanzlerin ist in den vergangenen Jahren in dieser Frage so etwas wie die Wortführerin der Europäer gewesen.

Bezeichnend für das schlechte Verhältnis zwischen Deutschland und den USA war auch, dass Merkel in Kanada mit allen anderen Staats- und Regierungschefs zu Einzelgesprächen zusammenkam, nur mit Trump nicht. Das einzige Vier-Augengespräch zwischen den beiden gab es nach dem gemeinsamen Familienfoto der Staats- und Regierungschefs. Da nahm Merkel Trump kurz zur Seite, aber das Gespräch dauerte nur gut eine Minute - und über den Inhalt wurde nichts bekannt. Dass sich die beiden dabei aber nicht näherkamen, zeigte der weitere Verlauf.

Bei der ersten Begegnung der Staats- und Regierungschefs in La Malbaie ging es vor allem um den Zustand der Weltwirtschaft. Das Treffen verlief noch vergleichsweise friedlich. Der Italiener Conte berichtete, wie seine frisch gebildete Regierung zu agieren gedenkt. Und Trump verkündete stolz gute Wachstumszahlen aus den USA. Mehr als vier Prozent Wachstum gebe es in seinem Land im ersten Quartal prahlte der Präsident.

"Robuste" Gespräche

Trudeau, der als Gastgeber die Gesprächsführung hatte, führte das strittige Thema Handel und Zölle erst bei der zweiten Sitzung ein. Da kam es zur erwarteten Konfrontation. Die Hinweise der Europäer und Trudeaus, nichts gefährde das amerikanische Wachstum mehr als der neue Handelskrieg, der durch Trumps Strafzölle droht, zeigten bei dem US-Präsidenten keine Wirkung. "Robust" sei es bei dem Gespräch zugegangen, hieß es anschließend. Auch hier habe es sechs zu eins gestanden. Trump habe derart gefestigte Sichtweisen, zeige derart wenig Bereitschaft, sich auf Argumente einzulassen, dass eine Weiterentwicklung nicht zu erwarten sei, hieß es in der deutschen Delegation.

Vor allem betrachte der US-Präsident jede unausgeglichene Handelsbilanz als "eine offene Rechnung", seiner Ansicht nach schulde die EU den USA dieses Jahr also gut 150 Milliarden Euro - so groß ist der europäische Handelsüberschuss. Dass Handel, zumindest wenn er fair und frei vonstattengehe, aber keine Win-lose-, sondern eine Win-win-Situation für beide Seiten sei, das sei Trump nicht klar zu machen. Auch die Hinweise auf die enormen deutschen Investitionen in den USA, etwa in Auto-Werke, hätten nicht verfangen.

EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker wies daraufhin, dass europäische Unternehmen für mehr als 70 Prozent der ausländischen Direktinvestitionen in den USA verantwortlich seien. Der Handel zwischen den USA und der EU habe in den Vereinigten Staaten bereits 6,9 Millionen Jobs geschaffen, auf EU-Seite dagegen nur 4,7 Millionen. Auch Junckers Vorstoß blieb erfolglos.

Klimaschutz ist Trump offenbar egal

Beim dritten Gespräch ging es dann um die Außenpolitik. Trump hatte mit der Aufkündigung des Atom-Abkommens mit Iran die Europäer genau so provoziert wie mit seinem Russland-Vorstoß. In der Außenpolitik gibt es allerdings weiterhin auch Übereinstimmungen - etwa bei der Terrorbekämpfung, beim Umgang mit China, beim Vorgehen in Afghanistan, beim Wunsch, Iran aus Syrien heraus zu drängen, sowie im Umgang mit Nordkorea. Dabei wurde klar, wie groß die Sorge des japanischen Premierministers Shinzo Abe ist, dass es bei Trumps Treffen mit Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un am Dienstag vor allem um schöne Bilder und Botschaften gehe. Der Druck auf Nordkorea dürfe nicht nachlassen, findet Abe. Und es müsse konkrete Beschlüsse geben, die zur Abschaffung der Atomwaffen führten.

In diesem Punkt gelang in La Malbaie aber eine Verständigung. Nach Angaben von Diplomaten unterstützen alle G-7-Teilnehmer von Trump und Abe vorgestellte Bemühungen für eine unumkehrbare atomare Abrüstung der koreanischen Halbinsel.

Am Samstag trafen sich die Staats- und Regierungschefs zunächst mit dem Gender Equality Advisory Council, um über die Gleichberechtigung von Frauen zu reden. Das Thema ist einer der Schwerpunkte der kanadischen G-7-Präsidentschaft. Trudeau sagte, die Gleichberechtigung der Geschlechter müsse bei allem berücksichtigt werden, was die Gruppe mache. Trump kam zu spät zu dem Treffen.

Am zweiten und letzten Gipfeltag standen außerdem die Klimapolitik und der Schutz der Ozeane auf der Tagesordnung. Der US-Präsident verließ den Gipfel jedoch, bevor diese Gespräche begannen - das zeigt, wie egal ihm auch dieses Welt-Thema ist.

So bleibt von dem Gipfeltreffen am Ende der Eindruck, dass die Unterschiede zwischen den USA und den anderen Teilnehmern so groß sind, dass aus der G 7 in Kanada endgültig eine G-6-plus-1 geworden ist.

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