G-8-Gipfel in Italien:20 Milliarden Dollar für arme Bauern

Weniger Nahrungsmittel, mehr Geld: Die G-8-Staaten ändern ihre Strategie in der Entwicklungspolitik. Hilfsorganisationen und Grüne kritisieren den Plan.

Die führenden Industrie- und Schwellenländer wollen Bauern in den ärmsten Ländern der Welt mit 20 Milliarden Dollar unter die Arme greifen. Dieses Paket schnürten die Staats- und Regierungschefs der sieben führenden Industrienationen und Russlands (G8) sowie weiterer Staaten am Freitag zum Abschluss des G-8-Gipfels in L'Aquila. Kritik kam von Oxfam und den Grünen.

G8 Gipfel Hunger Entwicklungshilfe L'Aquila Italien, dpa

G8-Gipfeltreffen in L'Aquila: Strategiewechsel im Kampf gegen den Hunger

(Foto: Foto: dpa)

Die G8 leiteten damit einen Strategienwechsel im Kampf gegen den dramatisch um sich greifenden Hunger auf der Welt ein. Statt Nahrungsmittel in Hungergebiete vor allem in Afrika zu liefern und so lokale Märkte kaputt zu machen, soll die einheimische Landwirtschaft wieder in Schwung gebracht und wettbewerbsfähig gemacht werden.

Allerdings handelt es sich bei den 20 Milliarden Dollar (14,38 Milliarden Euro) nur zum Teil um "frisches Geld". Die ärmsten Länder, insbesondere in Afrika, leiden massiv unter der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise. Laut Welternährungsorganisation überschreitet die Zahl der Hungernden aufgrund der Krise in diesem Jahr erstmals die Milliarden-Schwelle.

Obama betont Mitverantwortung Afrikas

Die Finanzhilfen sollen innerhalb von drei Jahren fließen. Die Initiative wird maßgeblich von den USA, Japan und der EU getragen. US-Präsident Barack Obama betonte in der Gipfel-Runde nach Angaben des Weißen Hauses allerdings auch die Mitverantwortung Afrikas für die Probleme auf dem schwarzen Kontinent. So habe er auch auf die weit verbreitete Korruption und den Mangel an effizienter Verwaltung verwiesen.

Hilfsorganisationen werteten den Gipfel-Beschluss als einen ersten wichtigen und längst überfälligen Schritt. Das Geld reiche aber noch nicht aus. Zugleich warfen die Organisationen den G-8-Staaten vor, Entwicklungshilfe-Zusagen nicht einzuhalten. Der Chef der Organisation "Global Call for Action Against Poverty" (GCAP), Kumi Naidoo, sprach sogar von unterschwelligem Rassismus einiger G-8-Staaten, weil die Notleidenden vor allem Schwarze seien. Für die Rettung von Banken gebe es Geld, aber nicht für die Armen, sagte er.

In dem Gipfel-Dokument bekennen sich die G-8-Staaten und andere Länder dazu, gemachte Zusagen an die armen Länder einzuhalten und die Entwicklungshilfe-Zahlungen wie angekündigt zu erhöhen. Die Tendenz, die Zahlungen zurückzufahren, müsse umgekehrt werden, hieß es.

"Die Öffentlichkeit nicht verschaukeln"

Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte zum Abschluss des Gipfels, die Industrieländer wollten trotz Wirtschaftskrise die Entwicklungshilfe nicht kürzen. Die G8 stünden zu ihren Verpflichtungen, betonte sie. Italien hatte seine Zahlungen allerdings zuletzt deutlich gekürzt.

Beim G-8-Gipfel 2005 im schottischen Gleneagles hatten die Teilnehmer versprochen, die Entwicklungshilfe allein für Afrika bis 2010 um 25 Milliarden Dollar im Jahr zu erhöhen. Bis zum Jahr 2015 wollen sie 0,7 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts für Entwicklungshilfe zur Verfügung stellen. Dieses Ziel hatten die G-8-Staats- und Regierungschefs schon am Mittwoch zum Auftakt des dreitägigen Gipfels noch einmal bekräftigt. Am Freitag berieten sie mit ihren Kollegen aus wichtigen afrikanischen Staaten, darunter auch Libyen, das derzeit den Vorsitz der Afrikanischen Union innehat.

Nach Angaben von entwicklungspolitischen Organisationen sind die G-8-Staaten allerdings dabei, ihre Entwicklungshilfe-Zusagen klar zu brechen. "Die Versprechen von Gleneagles werden nicht eingehalten, darüber kann auch die Milliarden-Dollar-Hilfe für die Bauern in den armen Ländern nicht hinwegtäuschen", sagte Jörn Kalinski von Oxfam. Die G8 dürften die Öffentlichkeit nicht verschaukeln, warnte der Entwicklungs-Experte.

Merkel fordert "gemeinsames Agieren"

Bundeskanzlerin Merkel empfahl zum Abschluss des Gipfels ein neues zentrales Gremium zur Beratung über die weltweit drängenden Probleme. Das neue Forum könne die G-20-Gruppe sein. Probleme wie der Klimawandel, die Finanzkrise oder der Streit um das iranische Atomprogramm verlangten "gemeinsames Agieren".

Lob für die Klima-Ergebnisse des Gipfels kam von EU-Kommissionspräsident Manuel Barroso. Das Ziel, die Erderwärmung auf zwei Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter zu begrenzen sei "in Stein gemeißelt" und "ein starkes Signal an die Welt".

G-8-Gastgeber Silvio Berlusconi bezeichnete das Treffen als "großen Erfolg". Italiens Ministerpräsident sagte, von dem Gipfel in L'Aquila gehe in der Finanz- und Wirtschaftskrise ein Zeichen des Vertrauens und der Hoffnung aus. Es gebe gegenwärtig keine Anzeichen dafür, dass die Krise so weitergehen oder sich verschärfen werde.

"Klimapolitisch kein Erfolg"

Grünen-Politiker Jürgen Trittin erklärte, der Gipfel habe es "konsequent vermieden", sich um die Finanzkrise zu kümmern und sei auch "klimapolitisch kein Erfolg" gewesen. Seine Parteikollegin Claudia Roth kritisierte das Treffen als "Ankündigungsweltmeisterschaft". Das Klimaziel sei "begrüßenswert", allerdings sei keine "konkrete Handlungsverpflichtung" formuliert worden.

Vier grüne Bundestagsabgeordnete kritisierten das G-8-Format als "nicht mehr zeitgemäß" und forderten einen neuen Weltwirtschaftsrat unter dem Dach der UNO. Auch die G-20 habe jedoch keine demokratische Legitimation und schließe die ärmsten Länder aus, erklärte die Gruppe um Thilo Hoppe.

Tausende Demonstranten nahe L'Aquila

Auch das globalisierungskritische Netzwerk Attac hat die Beschlüsse des G-8-Gipfels in Italien als unzureichend und widersprüchlich kritisiert. Einerseits drängten die reichen Staaten auf eine Öffnung der Landwirtschaftsmärkte in Entwicklungsländern zugunsten großer Agrarkonzerne, zugleich vergössen sie aber Krokodilstränen über die weltweite Hungerkrise und das Schicksal der Kleinbauern, rügte Attac.

Nahe der Stadt L'Aquila haben mehrere tausend Menschen gegen das Gipfeltreffen demonstriert. Die Demonstration begann am frühen Nachmittag etwa zeitgleich mit der abschließenden Pressekonferenz des Gipfels der acht größten Industriestaaten. Vom Zeltlager für Erdbebenopfer in Paganica sollte der Demonstrationszug bis zu einem der Eingänge der Abruzzen-Hauptstadt führen - weit ab von der Sicherheitszone rund um die Kaserne, in der die Staats-und Regierungschefs seit Mittwoch tagten.

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