G-7-Gipfel in Elmau:Die Probleme der Welt auf 16 Seiten

G8-Gipfel in Heiligendamm 2007

Maschendraht, drei Meter hoch, sieben Meter lang: Er soll dabei helfen, dass die Gipfelteilnehmer ungestört bleiben.

(Foto: Johannes Eisele/dpa)
  • Der Aufwand für den G-7-Gipfel in Elmau ist riesig: 17 000 Polizisten, 150 Millionen Euro Kosten. Anwohner sind verärgert, Bürger ratlos.
  • Dennoch verteidigt Angela Merkel das Format - obwohl Russland und China fehlen. Während der Vorbereitung ist die Kanzlerin in sechs Hauptstädte gereist.
  • Merkel hat Ergebnisse versprochen. Man wird sie daran messen müssen.

Von Stefan Braun und Nico Fried

Eines Tages fehlten die Container. Über Monate war es immer schwieriger geworden, welche zu bekommen. Noch dazu hatte sich ihre Miete glatt verdoppelt. Der Nachfrage wegen. Die wird beherrscht von der Zahl der Flüchtlinge, die derzeit nach Deutschland kommen. Städte und Gemeinden brauchen Container zu ihrer Unterbringung - deshalb fehlten sie zwischenzeitlich für den Gipfel. Also grübelten die Organisatoren, wie sie den Bedarf decken könnten, beispielsweise zur Unterbringung von Klima- und Kommunikationstechnik und vielem mehr. Frankreich, Tschechien, Österreich - mancher Container kommt nun aus dem Ausland zu Besuch.

Der Zaun kommt aus der Slowakei. Maschendraht, drei Meter hoch, jede Rolle 25 Meter lang. Er ist weiträumig um Schloss Elmau in Oberbayern gezogen worden, wo am Sonntag Bundeskanzlerin Angela Merkel die Staats- und Regierungschefs aus den wichtigsten Industriestaaten sowie die Präsidenten von Europäischem Rat und EU-Kommission zum G-7-Gipfel begrüßen wird. Für die Kanzlerin ist es das außenpolitische Top-Ereignis des Jahres.

Zwei große Hotels komplett weggebucht, 17 000 Polizisten im Einsatz, Kosten von Pi mal Daumen 150 Millionen Euro, verärgerte Anwohner, ratlose Bürger - es wirkt fast symbolisch, dass die Staats- und Regierungschefs in diesem Jahr in rund 1000 Meter Höhe tagen. Ziemlich abgehoben erscheinen die G-7-Gipfel, zu hoch empfinden viele den Aufwand vor allem für deren Sicherheit - zu gering aber sind in den Augen vieler Kritiker die Ergebnisse solcher Treffen im kleinen Kreis, aber mit großem Brimborium.

Russland wurde ausgeschlossen

Hat sich die Gipfelei tatsächlich überlebt? Zumal jetzt, da aus G 8 durch den Ausschluss Russlands wegen der Annexion der Krim nur noch G 7 geworden ist? Und kann man über globale Probleme überhaupt sinnvoll sprechen, wenn ein mittlerweile so bedeutendes Land wie China nicht am Tisch sitzt?

In diesem Jahr hat Deutschland den Vorsitz der G 7. Bundeskanzlerin Merkel hat das Format stets verteidigt. Es sei hilfreich, wenn die wichtigsten Politiker der Welt einmal über mehrere Stunden in Ruhe miteinander reden könnten - auch wenn es jetzt nur noch die wichtigsten Politiker aus der westlichen Welt und Japan sind. Für solche intensiven Gespräche sei zudem eine Groß- oder gar Hauptstadt mit dem üblichen Trubel nicht geeignet, findet die Kanzlerin. Deshalb hat es sich zum Normalfall entwickelt, dass die G 7 möglichst abgeschieden und mithin in angeblich informeller Atmosphäre tagen - dass die Sicherheitsvorkehrungen dabei leichter umzusetzen sind und vor allem Demonstranten besser vom Tagungsort ferngehalten werden können, dürfte freilich auch eine nicht unwichtige Rolle spielen.

G7-Gipfel 2015 - Demonstration

WCs für die Gegner: Polizisten bewachen in Garmisch-Partenkirchen zwei Transporter mit mobilen Chemietoiletten, die für das Protest-Camp gedacht sind.

(Foto: Peter Kneffel/dpa)

Lars-Hendrik Röller sitzt in seinem Stuhl und streicht sich gemächlich über den Bart. Er spricht konzentriert, aber unaufgeregt. Auf seinem Schreibtisch liegt ein ebenso furchterregend hoher wie säuberlich gestapelter Aktenberg. Röller hat sich Zeit für ein Gespräch genommen, obwohl die Lücken in seinem Kalender so schmal sind wie Nadelöhre. Er strahlt eine gewisse souveräne Ruhe aus. Und die kann er gut gebrauchen. Röller ist ein sogenannter Sherpa, seine Aufgabe ist es, anderen auf den Gipfel zu helfen. Seine Auftraggeberin ist die Kanzlerin.

Mit Steigeisen und Pickel im Steilhang

Röller, im Hauptberuf wirtschaftspolitischer Berater Merkels im Range eines Abteilungsleiters, bereitet den Gipfel seit dem vergangenen Herbst vor, nebenher sozusagen. Normalerweise befassen sich fünf Mitarbeiter im Kanzleramt mit den G-7-Fragen, für die Zeit des deutschen Vorsitzes aber hat man diese Zahl verdoppelt. Jetzt läuft die heiße Phase: Röller zeigt mit einer Handbewegung, wie die Arbeit in den letzten Tagen zugenommen hat. Läge diese ansteigende Kurve auf dem Weg zum Gipfel tatsächlich an einem Berg, dann wäre es ein Steilhang, in dem man sich nur mit Steigeisen und Pickel bewegen könnte.

Röllers Chefin hat für den Gipfel viel Aufwand betrieben. Angela Merkel reiste in den vergangenen Monaten zur Vorbereitung in alle Hauptstädte der G-7-Staaten: Sie war in Ottawa, Washington, London, Paris, Rom und Tokio. Das macht nicht jeder G-7-Vorsitzende. Die Bundesregierung will den deutschen Vorsitz dazu nutzen, auf mehreren politischen Gebieten Wachstum und Nachhaltigkeit zu verbinden. So ganz allgemein will das ja inzwischen fast jeder. Die Details sind das Problem.

Frauenförderung, Gesundheitsthemen wie multiresistente Keime, Ebola und armutsbedingte Tropenkrankheiten, die Meeresverschmutzung vor allem mit Plastikmüll und Ressourceneffizienz sind die Schwerpunkte, die Deutschland in Absprache mit den Partnerstaaten als Schwerpunkte auf die Agenda gesetzt hat. Es wird ein 16 Seiten langes Kommuniqué geben, an dem derzeit die letzten eckigen Klammern verhandelt werden. Das Kommuniqué ist der politische Impuls, die Absichtserklärung, die von diesem Gipfel ausgehen soll. Die eckigen Klammern sind die Streitpunkte.

In der G-20-Gruppe will China nur über Wirtschaft sprechen

Die "Gruppe der Sieben" setzt sich zwar aus einigen der wichtigsten Politiker der Welt zusammen, ist aber trotzdem nur ein informelles Gremium, eine Runde, die Anstöße geben und Ziele setzen kann, denen sie sich verpflichtet. 2007 in Heiligendamm zum Beispiel bekannte sich die G 7 zum Klimaschutz - auch der damalige US-Präsident George W. Bush. Seither gab es Fortschritte und Rückschläge - aber kein verbindliches globales Abkommen.

G 7, das war ursprünglich ein Wirtschaftstreffen, initiiert vom damaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt und dem französischen Präsidenten Valéry Giscard d'Estaing. Über die Jahre entwickelte sich daraus ein Forum für weltpolitische Fragen - doch dann verlor G 7 an Einfluss, vor allem in der Weltfinanzkrise, als sich für eine globale Antwort das Format der G 20 etablierte, in dem auch wirtschaftlich aufstrebende Schwellenländer mitreden konnten. Andererseits hat sich G 20 als Forum zur Lösung von politischen Problemen seither als mehr oder weniger untauglich erwiesen. Vor allem China, so war es zuletzt wieder beim G-20-Gipfel im australischen Brisbane zu sehen, will ausschließlich über wirtschaftliche Fragen sprechen.

Angesichts dieser Schwäche und der Blockade der Vereinten Nationen, insbesondere im Sicherheitsrat, bleibt für viele Fragen doch wieder nur G 7. Angela Merkel hat Ergebnisse versprochen. Man wird sie daran messen müssen.

Von der Gegendemo in München bis zur Abschluss-PK mit Merkel auf Schloss Elmau: Vom 3. bis 8. Juni 2015 steht Bayern im Zeichen des G-7-Gipfels. Egal ob Gruppenbild mit Kanzlerin, Debatten über Klimawandel oder Verkehrsstaus rund ums Sperrgebiet - die SZ informiert Sie umfassend und live. Alle Berichte finden Sie hier: SZ.de/g7

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