G-8-Gipfel:Die guten Menschen

Ein geheimes Protokoll dokumentiert, wie Bundeskanzlerin Merkel zum G-8-Gipfel in den Medien punkten will.

Hans Leyendecker

"Werden auch Sie für Afrika weinen?" fragte der UN-Beauftragte des Pop, Bob Geldof, Bundeskanzlerin Angela Merkel in einem Interview, das vor ein paar Tagen in Bild erschien. Trocken antwortete die Regierungschefin: "Ich glaube nicht, dass das ein erfolgversprechender Weg wäre." Sie lächle lieber, aber Tränen seien "auch keine Schande".

Geldof: "Was Sie versprochen haben und was wir fordern, sind allein 700 Millionen Euro in diesem Jahr (. . .) 700 Millionen, Frau Bundeskanzlerin, 700 Millionen sind so wenig (zeigt mit zwei Fingern). Deutschland ist das größte Land in Europa, die größte Volkswirtschaft."

Angela Merkel behandelte den aufgeregten Interviewer freundlich, sagte aber auch, dass Afrika "auf eigenen Beinen stehen müsse". Was nicht in dem Bild-Interview stand, ist in einem vertraulichen Protokoll der Bundesregierung zur Vorbereitung des G-8-Gipfels nachzulesen.

"Sherpa" an "Geldorf"

Unter Punkt "5. - Afrika" findet sich die Passage: "Für den Gipfel will die Bundeskanzlerin ankündigen, dass Deutschland 750 Millionen Euro zusätzlich 2008 in den Haushalt einstellt. Bob Geldorf habe ihr versichert, dass bei einem solchen Schritt er persönlich auf Kritiker wie Herbert Grönemeyer Einfluss nehmen werde, um deren Kritik zu mäßigen."

Dass der Verfasser des fünfseitigen Protokolls, Staatssekretär Bernd Pfaffenbach, "Sherpa" genannt, den Namen Geldof fälschlicherweise "Geldorf" schreibt, ist zu vernachlässigen.

Interessanter ist der Fakt, dass sich die Kanzlerin laut Pfaffenbach "versichern" ließ, dass ein Kritiker der Afrika-Politik wie Grönemeyer ("Deine Stimme gegen Armut") quasi gekauft werden könnte und dass Geldof, der gemeinsam mit Grönemeyer und dem U2-Sänger Bono am 7. Juni in Rostock im Rahmen eines großen Pop-Konzertes Music & Messages auftritt, offenkundig glaubt, dass er Grönemeyer mäßigen kann, wenn das Geld im Beutel klingelt. Für einen Ablasshandel war Grönemeyer bislang nie zu haben.

Die kleine Pfaffenbach-Notiz über ein verschwiegenes Treffen im Kanzleramt am 20. Mai, an dem neun honorable Personen teilnahmen, verrät einiges über die Vorstellung von Regierenden, wie Politik cooler werden kann, aber auch manches über den Zustand der Pop-Protestkultur.

Geschmeichelt und zum Ritter geschlagen

Geldof, 55, organisierte 1985 und 2005 die weltweiten Live-Aid-Konzerte und trat unter anderem mit U2-Chef Bono vor G-8-Gipfeln auf. Es entwickelte sich ein Doppelspiel zwischen Kritikern und Politikern. "Ich weiß aus Gesprächen mit Ihnen, wie sehr Sie sich dafür einsetzen. Ich weiß auch, wie kenntnisreich Sie bezüglich der Probleme sind, mit denen wir konfrontiert sind und wie entschlossen Sie sind, diese zu überwinden. Sie haben unermüdlich Ihre Stimme für Afrika erhoben", schreibt Tony Blair - der beim G-8-Gipfel in Gleneagles im Jahr 2005 großspurig angekündigt hatte, die Armut in Afrika auszurotten - an Bono, 47.

Der Sänger war geschmeichelt und wurde obendrein zum Ritter geschlagen. Geldof, der da schon längst Sir war, mimte vorige Woche den Bild-Chef und fabrizierte eine Bild-rettet-Afrika-Zeitung, in der nicht nur das Interview mit der Kanzlerin, sondern das Leid der Afrikaner auch sehr volksnah erklärt wurde: "Wenn ich an Afrika denke, dann denke ich auch an Brandenburg. Viele schöne Menschen Afrikas sind Nutten und Kellner geworden", hatte Franz Josef Wagner in seiner "Post" geschrieben.

"Ich hatte nicht erwartet, dass es so anstrengend und toll wird. Ich denke, wir haben eine Zeitung gemacht, die die deutsche Politik und das Leben von Millionen Menschen ändern kann", wurde Geldof in Bild zitiert, dem wichtigsten Titel des Springer-Verlages.

Nur schwer zu ertragen

Als eine "journalistische Sause zwischen Naivität und Zynismus" beurteilte hingegen der Autor Reinhard Mohr kritisch das Boulevard-Kunstwerk. Grönemeyer tourt und trommelt seit Jahren für Afrika: "Wir in Deutschland sind so schlecht drauf, bei uns gibt's keine Entwicklungshilfe zu holen." Dieses "Mitleidsgeheische" könne er nur schwer ertragen, hat er 2005 gesagt. Bono habe ihn mal gefragt, ob er der Frontmann der deutschen Kampagne werden wolle, und er habe zugesagt.

Dann schnipsten die beiden in Kinospots alle drei Sekunden mit den Fingern - alle drei Sekunden stirbt auf der Welt ein Kind an Hunger. "Was haben Sie auf Ihrem letzten Treffen mit Angela Merkel besprochen?" fragte der Spiegel Anfang des Jahres Grönemeyer: "Die habe ich selbstverständlich nie getroffen. Ich rede ja nicht mit Politikern", hat der 51-Jährige geantwortet. Er glaube, dass "Rockmusik nerven, einen Freigeist-, einen Apo-Charakter haben" müsse.

In dem Fünf-Seiten-Protokoll, das als Verschlusssache eingestuft wurde, findet sich einiges über die gewöhnliche Kommunikationsstrategie der Merkel-Mannschaft, mit der Grönemeyer vermutlich wenig anfangen kann: Der stellvertretende Regierungssprecher, Thomas Steg, habe in der Runde erläutert, steht da, "dass es im Rahmen einer Mehr-Ebenen-Kommunikation aus deutscher Sicht wichtig sei, die nationale Perspektive des G-8-Gipfels im Vordergrund zu sehen."

"Erwartungen deutlich herunterfahren"

Derzeit dominiere das Thema Sicherheit, hier müsse abgerüstet werden (. . .) Das Thema Weltwirtschaft/Heiligendamm-Prozess sei grundsätzlich gut kommunizierbar, aber weit weg von der Bevölkerung. Das Klimathema sei demgegenüber besser kommunizierbar, hier käme es aber vor allem darauf an, was als Erfolg zu vermitteln sei.

Merkels Büroleiterin Beate Baumann wird so wiedergegeben: "Frau Baumann unterstreicht, dass die deutsche Öffentlichkeit vom G-8-Gipfel einen Erfolg beim Klimaschutz erwartet. Sie befürchtet, dass der Gipfel als gescheitert angesehen werden könnte, wenn keine überzeugenden Ergebnisse erreicht würden." Die Bundeskanzlerin, ist zu erfahren, bitte darum, "in den nächsten Wochen die Erwartungen beim Thema Klimaschutz und Energieeffizienz gegenüber der Öffentlichkeit deutlich herunterzufahren".

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