G-7-Gipfel:Die G-7-Chefs müssen sich erst einmal kennenlernen

Große Durchbrüche sind vom G-7-Gipfel auf Sizilien nicht zu erwarten. Vier der sieben Staats- und Regierungschefs sind zum ersten Mal überhaupt dabei - und eine von ihnen reist vorzeitig ab.

Von Oliver Meiler, Taormina

Die Italiener nennen Taormina "Perla dello Ionio", Perle des Ionischen Meers. Klingt natürlich kitschig, trifft es aber ganz gut. Insbesondere Ende Mai, wenn Oleander und Jasmin blühen, wenn die Sonne zuweilen schon so stark ist, dass ihr Licht milchig weiß scheint und alles umschmeichelt. Die sizilianische Kleinstadt mit ihrem antiken Theater, ihren 11 000 Einwohnern und elf Luxushotels schmiegt sich an einen Felsvorsprung. Davor ist nur Meer. Rechter Hand, etwas südlicher, erhebt sich mächtig und oft aktiv der Ätna.

Die Reisenden auf der Grand Tour, die Adelshäuser des Kontinents, die großen Schriftsteller und Modedesigner, die Stars aus Hollywood in den Fünfzigern und Sechzigern - sie alle machten aus Taormina einen mondänen Ort. Guy de Maupassant, der oft da war, schrieb einmal: "Es ist nur eine Landschaft, eine Landschaft aber, die alles vereint, was die Schöpfung vorsah, um unsere Augen, unseren Geist und unsere Fantasie zu verführen."

Verführung also. Als Matteo Renzi vor einem Jahr beschloss, den G-7-Gipfel während des italienischen Vorsitzes im Klub der reichsten und industrialisiertesten Nationen der Erde im kleinen Taormina zu organisieren, rechnete er wohl fest mit diesem Zauber. Italien sollte seine Schönheit vorführen. Renzi fand auch, es sei an der Zeit, die Klischees zu brechen, die schwer auf Sizilien lasten. Und da die Sizilianer seit einigen Jahren großen Einsatz zeigen bei der Rettung und Aufnahme von Flüchtlingen, die über die zentrale Mittelmeerroute kommen, galt es auch, deren Großherzigkeit zu würdigen.

Was Renzi damals eher nicht erwartet hätte: In der Zwischenzeit ist er als Premier gestürzt. Die Rolle des großen Gastgebers, die er so gern gespielt hätte, fällt seinem Nachfolger Paolo Gentiloni zu, der dafür ein bisschen weniger Talent besitzt. Auch anderswo auf der Welt ist seither viel passiert, viel Überraschendes, ja nachgerade Sensationelles. Jede Prognose zum Gelingen des Gipfels wäre deshalb verwegen.

Von den Staats- und Regierungschefs, die am vorigen Treffen in Japan teilgenommen hatten, sind nur drei auch diesmal dabei: Kanzlerin Angela Merkel ist von allen die dienstälteste, gefolgt vom japanischen Premier Shinzo Abe und dem kanadischen Regierungschef Justin Trudeau, der auch erst seit 2015 im Amt ist. Vier Teilnehmer sind Neulinge: Gentiloni, die britische Premierministerin Theresa May, Frankreichs junger Präsident Emmanuel Macron und, natürlich, US-Präsident Donald Trump.

Alle hoffen, Trump könnte seine Meinung zum Klimawandel ändern

Die Herrschaften wollten ursprünglich vor allem über Welthandel, Migration und Klimawandel reden. Doch nach dem Attentat auf Konzertbesucher in Manchester hat sich der Kampf gegen den Terrorismus thematisch in der Vordergrund geschoben. Die Gesprächsrunde soll dann auch von Theresa May geleitet werden, von der es heißt, sie werde schon am Freitagabend wieder abreisen, einen Tag vor Gipfelende. Komplizierter kündigen sich die Verhandlungen in den anderen Arbeitsrunden an - so schwierig, dass es am Ende nur ein flaues Abschlussdokument geben könnte. Wenn überhaupt.

Noch immer ist unklar, wie Trump nun tatsächlich zum Pariser Klimaabkommen steht. Während des Wahlkampfs hatte er ständig wiederholt, er werde die Unterschrift seines Amtsvorgängers Barack Obama zurücknehmen. "We pull out", sagte er, "wir ziehen uns zurück." Der Deal sei teuer und schlecht für die amerikanischen Arbeiter. Die globale Erderwärmung, vom Menschen verursacht, bezeichnete er als Hirngespinst, als "Fake News". Doch seit seiner Wahl hält er sich mit klaren Stellungnahmen auffällig zurück. US-Außenminister Rex Tillerson sagte dieser Tage, Trump habe noch keine "endgültige Entscheidung" getroffen in dieser Frage und werde das auf dieser Reise auch nicht mehr tun.

Mit wem Trump auf seinen Reisestopps in Europa auch spricht: Alle reden auf ihn ein und hoffen, er könnte seine Meinung ändern, wie er das in anderen Fragen ja bisweilen ganz leichtfüßig tut. Der Papst etwa versuchte es mit Blicken, die so ernst und kühl gerieten, wie man sie von Franziskus bisher noch nicht erlebt hat.

Frankreichs neuer Präsident Macron wird Trump auch deshalb bedrängen, weil ihm daran liegt, einen großen Verhandlungserfolg seines Landes zu sichern. Aussichtsreicher dürfte aber der Einfluss der Familie sein: Tochter Ivanka und Schwiegersohn Jared Kushner sind keine Klimaskeptiker; und vielleicht hört Trump in dieser Sache mehr auf sie denn auf Stephen Bannon, seinen amtlichen Chefflüsterer.

Die Italiener werden vordringlich über die Migrationsfrage reden wollen, in der sie besonders exponiert sind und sich mal wieder alleingelassen fühlen. Noch immer funktioniert der Umverteilungsplan nicht, und jedes Jahr kommen mehr Migranten über das Mittelmeer - allein in den ersten fünf Monaten dieses Jahres waren es 51 000. Von Trump, dem Mauerbauer, ist da nicht viel Unterstützung zu erwarten. Ähnlich verbaut scheint der Weg zu einer Einigung beim freien Welthandel zu sein: Trump ist als Protektionist angetreten.

Sollte das Treffen in Taormina in keiner der großen Fragen eine Annäherung bringen, ließe es sich nach außen als Vorbereitungsrunde für den G-20-Gipfel Anfang Juli in Hamburg verkaufen. Man muss sich ja erst mal kennenlernen, die meisten jedenfalls. Auch wenn die Lust darauf nicht bei allen gleich groß ist.

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