G-20-Ausschreitungen in Hamburg:Europäische Datei für Extremisten nach Krawallen in Hamburg gefordert

G20-Gipfel - Aktivisten

Polizisten und Demonstranten während des G-20-Gipfels vor der Roten Flora. Einige Politiker fordern nun die Schließung des linken Zentrums.

(Foto: Christian Charisius/dpa)
  • Politiker von SPD und der Union fordern nach den Krawallen in Hamburg eine europaweite Datei für Extremisten.
  • Hamburgs Erster Bürgermeister Scholz sagt, es müsse diskutiert werden, ob das Autonomen-Zentrum Rote Flora weiter geduldet werden könne.
  • Die Hamburger Behörden wollen mit aller Härte gegen Gewalttäter vorgehen. Die Polizei richtete eine Sonderkommission ein.

Nach den gewalttätigen Ausschreitungen beim G-20-Gipfel in Hamburg ist eine Debatte über die Konsequenzen entbrannt. Politiker von Union und SPD fordern die Einführung einer europäischen Extremistendatei auch für Linksextreme. Damit hätten die Behörden einen besseren Überblick über Gewalttäter, sagte die Vizevorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Eva Högl, der Rheinische Post. Unterstützung bekam sie von Bundesjustizminister Heiko Maas. Wir haben im Extremistenbereich keine ausreichende Datengrundlage in Europa", sagte der SPD-Politiker der Bild-Zeitung. Das habe der Gipfel in Hamburg deutlich gemacht.

Unions-Innenexperte Stephan Mayer (CSU) sagte der Zeitung, er halte eine solche Datei ebenfalls für "sehr sinnvoll und unterstützenswert". Bisher gebe es eine solche Datei nur für Rechtsextremisten und im Bereich der Terrorabwehr mit der Antiterrordatei auf Bundesebene, heißt es in dem Bericht. Mayer sprach sich zugleich für eine Schließung von Autonomen-Zentren wie der Roten Flora in Hamburg und in der Rigaer Straße in Berlin aus. Diese rechtsfreien Räume dürften nicht mehr von den Behörden geduldet werden.

Auch Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl von der CDU forderte eine härtere Gangart gegen Linksextremismus. "Das jahrelange Wegschauen und Wegducken, falsche Liberalität gegenüber Rechtsbrechern, hat sich jetzt bitter gerächt in Hamburg", sagte er der Stuttgarter Zeitung und den Stuttgarter Nachrichten. In Hamburg müsse man endlich auch im Schanzenviertel öffentliche Sicherheit durchsetzen.

Innenstaatssekretär Günter Krings (CDU) mahnte in der Berliner Zeitung, der Hamburger Senat müsse "sehr schnell" einen Plan vorlegen, "wie er den rechtsfreien und staatsverachtenden Sumpf in Teilen seiner Stadt trockenlegen will". Der Innenausschuss-Vorsitzende Ansgar Heveling, ebenfalls von der CDU, forderte in der Mitteldeutschen Zeitung stärkere Grenzkontrollen, da in Hamburg Täter aus ganz Europa angereist seien.

FDP-Chef Christian Linder machte SPD, Grüne und Linkspartei für das Gedeihen des Linksextremismus mitverantwortlich. Der Bild-Zeitung sagte er: "Der Linksextremismus wurde zu lange verharmlost. Mit Vulgärkritik am Kapitalismus bereitet man Linksextremen den Boden." In Hamburg regieren SPD und Grüne, in Berlin SPD, Linkspartei und Grüne. "Diese Parteien sind nun gefordert, die Politik der falschen Toleranz zu beenden."

Bald "Rock gegen Links"?

Die Hamburger Behörden wollen mit aller Härte gegen Gewalttäter vorgehen. Die Polizei richtet dafür eine Sonderkommission ein. Es gebe eine Unzahl von Hinweisen auf die Straftäter aus der Bevölkerung, sagte ein Mitarbeiter von Innensenator Andy Grote (SPD) der Nachrichtenagentur dpa. Die Menschen schickten Bilder von maskierten und unmaskierten mutmaßlichen Tätern. "Es ist eine Flut von Informationen, die jetzt durchermittelt werden müssen."

Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) hält unterdessen an seinem Amt fest. Auf die Frage, ob er über Rücktritt nachdenke, sagte er in der ARD-Sendung "Anne Will": "Nein, das tue ich nicht." Hamburgs CDU-Opposition hatte zuvor seinen Rücktritt gefordert. Rückendeckung bekam Scholz von Kanzleramtsminister Peter Altmaier, der ebenfalls der CDU angehört. Er könne keinen Grund für einen Rücktritt des SPD-Politikers erkennen, sagte Altmaier bei NDR Info. "Die Bundesregierung hat gemeinsam mit Hamburg alle Schritte geplant und vorbereitet."

Unterstützung kam auch von SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz: "Ich will zunächst einmal feststellen, dass die Zuweisungen, die ich jetzt politischer Art erlebe, wirklich dumm sind", sagte Schulz. Man müsse den Frauen und Männern der Polizei danken, die in Hamburg die Demokratie geschützt hätten. Die jetzt geführten parteipolitischen, kleingeistigen Debatten zeigten einen mangelnden Respekt gegenüber den Einsatzkräften. Gewalttäter hätten eine Stadt in Geiselhaft genommen: "Das hat Züge von Terrorismus", sagte Schulz.

Dem Hamburger Abendblatt gegenüber forderte Bürgermeister Scholz Konzequenzen für die Anmelder der "gewalttätig ausgearteten Demonstrationen". Auf die Frage, ob die Hansestadt die Rote Flora noch länger dulden könne, sagte Scholz: "Auch das muss diskutiert werden. Wir werden genau sehen müssen, wer für was Verantwortung hat."

Auch die AfD forderte Konsequenzen im linken Spektrum. "Linksextreme Antifa-Gruppierungen, die an der Organisation krimineller Aktionen wie in Hamburg beteiligt sind, müssen verboten werden", sagte die AfD-Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl, Alice Weidel. Linksextreme "Terrorzellen" wie die Rote Flora oder die "Rigaer Straße" in Berlin müssen geräumt werden, fügte sie hinzu.

Justizminister Maas sprach sich dafür aus, in Zukunft andere Veranstaltungsorte für Konferenzen wie den G-20-Gipfel zu suchen. "In einer deutschen Großstadt wird es nie wieder einen solchen Gipfel geben." Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hatte am Sonntag bei einem Besuch in Hamburg hingegen gesagt, Deutschland dürfe sich nicht von gewalttätigen Demonstranten vorschreiben lassen, wo und ob es derartige Treffen ausrichte. "Wenn ein demokratisch gefestigtes Land wie Deutschland sich nicht mehr in der Lage sieht, internationale Gäste einzuladen und Konferenzen wie diese auszurichten, dann gerät mehr in Gefahr, als nur eine einzelne Konferenz", sagte Steinmeier.

Die Randalierer von Hamburg nannte Maas "asoziale Schwerstkriminelle". In Anspielung an "Rock gegen Rechts" genannte Konzerte, die sich gegen rechte Gewalt richten, sagte Maas, es müsse vielleicht auch ein "Rock gegen Links" geben. "Wir sind viel zu oft die schweigende Mehrheit", sagte Maas weiter und wünschte sich "gesellschaftliche Reaktionen" auf die Ausschreitungen von Hamburg.

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