Football Leaks:Das Anrüchige ist Teil des Fußballmilieus

FC Barcelona v Real Madrid CF - La Liga

Lionel Messi gegen Cristiano Ronaldo - zwei, die nicht allzu gerne Steuern zahlen.

(Foto: Getty Images)

Das Profigeschäft existiert in einer Parallelwelt, jenseits aller Kontrollen. Spielerberater beherrschen den Markt, es geht um Abermillionen. Daran werden auch die Football-Leaks-Recherchen wenig ändern.

Kommentar von Thomas Kistner

Zum Beispiel diese Meldung aus Mexiko: Im März erfuhr man, dass das Juárez-Drogenkartell am Transfer zweier kolumbianischer Nationalspieler zum FC Porto mitgewirkt haben soll. In der Steuererklärung des portugiesischen Vereins sei die Firma eines wegen Geldwäsche verurteilten Kontaktmannes des Kartells vermerkt; involviert sei auch ein Spielerberater, dessen mutmaßlichen Drogen-Verbindungen die US-Behörden nachspüren.

Solche Nachrichten passen ins Transferschema des Fußballs. Oft treten bei grenzübergreifenden Spielerwechseln Drittparteien oder "Mitbesitzer" als Zwischenfinanziers auf. Das trägt zur Verschleierung der transnationalen Geldflüsse bei, die alljährlich in die Milliarden gehen. Die Meldung über das Juárez-Kartell verpuffte damals schnell. In anderen Branchen hätte sie Alarm ausgelöst. Nicht im Fußball.

So wird es wohl auch den Enthüllungen ergehen, die jetzt die Plattform "Football Leaks" und das Journalisten-Netzwerk EIC um den Spiegel zum Steuergebaren von Stars wie Cristiano Ronaldo und Mesut Özil präsentieren: Das Publikum registriert sie mit Empörung und Abscheu. Dann wird weiter Fußball geguckt.

In diesem Sport ist das Anrüchige Teil des Geschäftsmilieus. Dass das kaum jemanden stört, hat vor allem zwei Gründe. Der Sport genießt, als einziger Gesellschaftsbereich überhaupt, eine Art Autonomie. Die rührt noch aus Turnvater Jahns Zeiten, und sie hat noch heute ihre Berechtigung - hinsichtlich des Amateursports, den ja Millionen Ehrenamtliche regeln müssen. Allerdings darf sich auch das Unterhaltungsgeschäft Profisport seine eigenen Regeln machen. Über Dekaden griffen staatliche Instanzen hier überhaupt nur ein, wenn Kapitaldelikte auftraten. Das ist das erste Problem.

In der Parallelwelt der Berater, Steuerhinterzieher und Millionäre

Daneben ist der Fußball eine Glaubenssache. Er wirkt sich auf Alltagsrhythmus, Sprache, Fernsehkultur aus. Die zehn TV-Sendungen hierzulande mit den höchsten Einschaltquoten wurden 2016 zur Fußball-EM ausgestrahlt. Joachim Löw ist nicht nur Trainer, sondern für etliche auch so etwas wie ein Nebenkanzler.

Beherrscht wird die Branche von den Spielerberatern. Diesen Beruf lernt man nicht, er ist eine Frage des Schicksals - oder des Gespürs. Die Väter von Lionel Messi und Neymar, Superstars des FC Barcelona, haben ihren Söhnen über Steuersparmodelle Strafurteile beschert. Barbetreiber wie der Portugiese Jorge Mendes oder Pizzakellner wie der Italiener Mino Raiola regieren über ihre Imperien den Markt. Raiola hat nur am Transfer seines Klienten Paul Pogba zu Manchester United 27 Millionen Euro verdient. Mit solchen Figuren müssen sich alle arrangieren, superreiche Klubaufkäufer vom Golf ebenso wie altmodische Klublenker wie Uli Hoeneß. No limits, sonst spielen die Besten anderswo.

Die teuersten Kicker steuern auf die Milliardengrenze zu. Wie dieses aus dem Nichts erblühte Geschäft konkret abläuft, hat lange Zeit nicht mal die Steuerbehörden interessiert. Und bis heute wird kaum hinterfragt, ob diese Summen das Regelwerk des Sports nicht längst ausgehebelt haben. Ein einziger Dopingfall kann über Nacht dreistellige Millionenbeträge vernichten. Würde das passieren? Sicher nicht - weil der Sport auch hier die Kontrollen selbst ausübt. Er lebt in einer Parallelwelt.

Diese Welt, politisch geschützt und kaum hinterfragt, braucht kaum Datenlecks zu fürchten. Auch die nun enthüllten Vorgänge sind abgehandelt oder juristisch wohl irrelevant. Nein, die Gefahr ist eine schleichende. Sie liegt in dem Sittenbild, das hier wieder einmal sichtbar wird. Irgendwann wird das den Menschen in der richtigen Welt zuwider sein. Dort also, wo die Themenkreise Gier und Schattenwirtschaft, Eliten und Abgehängte als Probleme schon erkannt worden sind.

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