Neuer FDP-Chef:Ein Bruch, kein Aufbruch

Mit dem Wechsel von Westerwelle zu Rösler flieht die FDP vor ihrer Vergangenheit - doch für den Aufbruch genügte seine Rede noch nicht. Das erste wichtige Ziel Röslers muss darin bestehen, dass die FDP statt mit alten Vorurteilen mit neuem Interesse bedacht wird.

Nico Fried

Der neue FDP-Chef hat dem alten einiges zu verdanken. Guido Westerwelle hat Philipp Rösler gefördert. Westerwelle hat die FDP in die Regierung geführt und Rösler ins Kabinett geholt. Vor allem aber hat Westerwelle die FDP danach dermaßen steil in den Boden gerammt, dass sie einen neuen Vorsitzenden brauchte. Grundsätzlich ist es eine verdammt schwere Aufgabe, diese Partei zu führen - Röslers Anfang aber hätte leichter nicht sein können. Dank Westerwelles selbstzerstörerischer Vorarbeit fuhr Rösler auf dem Parteitag allein schon deshalb einen Sieg ein, weil er gar nicht verlieren konnte.

Die Delegierten wollten Rösler unbedingt mögen. Zur viel beschworenen Freiheit gehört in dieser FDP nämlich auch die Freiheit zum gnadenlosen Opportunismus. Dieselben Liberalen, die noch vor anderthalb Jahren Westerwelle und seinem hemmungslosen Triumphgeschrei huldigten, konnten ihn nun nicht schnell genug loswerden. Die FDP will mit Rösler nicht nur ihren alten Chef und dessen Fehler überwinden, sondern - im Wortsinne - auch sich selbst vergessen.

Diesen Wunsch hat Philipp Rösler trefflich befriedigt. In seiner Antrittsrede bedankte er sich artig bei Westerwelle - und machte danach fast alles anders als er. Der Stil, die Lautstärke und manche Themen waren neu. Die Rede war zum Zuhören, nicht zum Weglaufen, auch wenn sie mehr Fragen anriss, als sie Antworten gab. Rösler weiß schön und bisweilen sogar unterhaltsam zu erzählen, was der Staat zu lassen hat. Was er tun soll, mithin Sinn und Zweck alles Politischen, blieb offen. Statt wie Westerwelle die Welt zu erklären, sprach Rösler über Alltagsbeschwernisse. Während Westerwelles Reden oft zu groß wirkten, kam Röslers Rede eher zu klein daher. Deutlicher freilich hätte er den Unterschied zu seinem Vorgänger nicht markieren können. Und darum ging es an erster Stelle.

Röslers Rede in Rostock reichte aus für den Bruch. Für den Aufbruch genügte sie noch nicht. Die Partei hat jetzt ein neues Gesicht. Das hatte sie dringend nötig, weil die FDP nicht nur auf ein Thema verengt war, sondern ihre öffentliche Wahrnehmung auch zu sehr auf eine Person. Guido Westerwelle aber hat zuletzt sich und seiner Partei das Leben zu schwer gemacht - und seinen Kritikern zu leicht. Das erste wichtige Ziel Röslers muss folglich darin bestehen, dass die FDP statt mit alten Vorurteilen mit neuem Interesse bedacht wird.

Das liberale Experiment mit einer neuen, jungen Führungsriege hebt die FDP zumindest schon mal ab von anderen Parteien, deren Führungspersonal zum Teil nur wenig älter ist, aber um vieles älter wirkt. Philipp Rösler und sein Generalsekretär Christian Lindner haben in Rostock versucht, Intellektualität und Wirklichkeitssinn zu verbinden. Diese Mischung kann über einen Parteitag hinaus Neugier auf die FDP wecken - wenn sich die Führung am einen nicht nur berauscht und das andere nicht nur politischem Kalkül unterwirft.

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