Führende Köpfe der Hamas:Durchhalteparole aus dem Untergrund

Die Kader der Hamas sind abgetaucht - ihre martialische Rhetorik soll Differenzen in den eigenen Reihen übertönen.

Christiane Schlötzer

Unmittelbar vor seinem Tod hat Nisar Rajan noch geschworen, die Hamas werde ihre Feinde "zu Asche machen". Der Videoclip mit der Drohbotschaft, produziert für das Hamas-Fernsehen, flackerte inzwischen auch über israelische Bildschirme. Nun ist Rajan Opfer eines israelischen Angriffs geworden, und die Hamas schwört "Vergeltung" für den Tod eines ihrer Top-Strategen.

Führende Köpfe der Hamas: Khalid Meschaal lebt im Exil. Seine schrillen Parolen haben vor allem einen Sinn: Sie sollen die Zerwürfnisse in der Hamas-Führung überdecken.

Khalid Meschaal lebt im Exil. Seine schrillen Parolen haben vor allem einen Sinn: Sie sollen die Zerwürfnisse in der Hamas-Führung überdecken.

(Foto: Foto: dpa)

Rajan starb durch eine Bombe auf sein Privathaus in Gaza, er hatte sich offenbar nicht wie andere Hamas-Führer versteckt. In der israelischen Zeitung Haaretz wurde Rian unterstellt, er habe seine Familie als "menschliches Schutzschild" benutzen wollen. Mit Rajan kamen nach palästinensischen Angaben auch dessen vier Frauen und elf Kinder ums Leben.

Die meisten prominenten Hamas-Politiker im Gaza-Streifen sind inzwischen in den Untergrund abgetaucht, ihre radikal-islamische Organisation zeigt sich aber nichtsdestotrotz kampfeswillig. Einen "Tag des Zorns" rief sie für diesen Freitag aus, und ihr Sprecher Ismail Radwan versicherte, sie werde weder zerbrechen, noch "die weiße Fahne hissen".

Die martialische Rhetorik zielt nicht nur auf Israel, die Durchhalteparolen sollen wohl - angesichts der schweren Zerstörungen und der vielen Toten und Verletzten in Gaza - auch die eigenen Reihen geschlossen halten. Dort gab es in der Vergangenheit immer wieder sichtbare Risse. So wird Gaza-Premier Ismail Hanija in der Hamas eher zu den Moderaten gerechnet, die zumindest im Dezember, nur wenige Tage vor den israelischen Luftangriffen, noch durchaus bereit waren, einen Waffenstillstand mit Jerusalem zu verlängern.

Hanija, der in einem Flüchtlingslager aufwuchs und bis heute als persönlich bescheiden gilt, äußerte in einer aus dem Untergrund heraus verbreiteten Neujahrsbotschaft auch jetzt noch vorsichtiges Verhandlungsinteresse. Zur Bedingung für ein Ende der Hamas-Raketen-Angriffe auf Israel machte er dabei ein Ende des israelischen Bombardements sowie die Aufhebung der totalen Grenz-Blockade des Gaza-Gebiets.

Während der 46-jährige Hanija, der arabische Literatur studierte und später als Hamas-Funktionär mehrere Jahre in israelischen Gefängnissen verbrachte, der Ruf eines Pragmatikers anhaftet, tritt der in Damaskus residierende Politbüro-Chef der Hamas, Khalid Meschaal, stets als Hardliner auf. Meschaal hat nun eine "Dritte Intifada" ausgerufen - ein Aufstands-Appell, dem zumindest die Palästinenser im Westjordanland, wo die mit der Hamas rivalisierende Fatah-Partei regiert, kaum fraglos folgen dürften.

Die Kommunikation zwischen den Hamas-Führern war schon lange kompliziert. Der 52-jährige Meschaal beispielsweise kann nicht zu direkten Gesprächen in den Gaza-Streifen kommen, weil weder Ägypten noch Israel ihm die Durchreise gestatten würden. Und nun haben die wichtigsten Hamas-Spitzenleute in Gaza auch noch ihre Handys ausgeschaltet, um für die israelischen Streitkräfte schwerer ortbar zu sein. In der Öffentlichkeit treten die Hamas-Führer in Gaza auch nicht mehr auf. So wird die Einschätzung, was sie wirklich denken oder planen, immer schwieriger.

Meschaal, ein studierter Physiker, fungiert auch als eine Art Außenbeauftragter der Hamas, er hält die Kontakte zur Regierung in Iran, die zu den Hauptunterstützern der Islamisten gehört. In Damaskus empfing er jetzt aber auch einen hohen Regierungsvertreter der Türkei, die sich im Gegensatz zu Teheran als Vermittler profilieren will und Chancen für einen Waffenstillstand ausloten möchte.

Einen Präsidenten in spe hat die Hamas ebenfalls. Er heißt Abdel Asis Duaik und soll nach dem Willen der Organisation in der kommenden Woche den Palästinenserpräsidenten Machmud Abbas ablösen, dessen Amtszeit offiziell am 9. Januar ausläuft. Fatah-Chef Abbas hat schon gesagt, dass er nicht weichen will. Aber Duaik kann den Posten ohnehin nicht wirklich übernehmen. Er sitzt in einem israelischen Gefängnis.

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