"Fuck the EU"-Affäre:Billig, durchschaubar, durchtrieben

In einem vertraulichen Gespräch fallen auch einmal deftige Worte. Viel interessanter als das "fuck" der Diplomatin Nuland ist aber die Motivation derer, die das Telefonat abgehört haben.

Ein Kommentar von Stefan Kornelius

Victoria Nuland mag eine eigenwillige Wortwahl haben, aber in der Sache ist ihr nichts vorzuwerfen. Amerikas oberste Europa-Diplomatin spricht am Telefon mit einem ihrer Botschafter, es geht um die beste Taktik im Umgang mit der Führung und der Opposition in der Ukraine und um die Chancen einer Vermittlung.

Die Europäer in Person ihrer außenpolitischen Beauftragte wollen das eine - die Amerikaner wollen das andere. Darüber kann man streiten, darüber kann man in internen Gesprächen auch mal ein deftiges Wort verlieren. Wichtig ist nur, dass man am Ende geschlossen auftritt und dasselbe Ziel verfolgt. Immerhin das tun EU-Europäer und Amerikaner noch.

Ständig waberndes Gefühl

Interessant ist also weniger, dass auch eine Diplomatin "fuck you" sagt. Interessant sind zwei andere Dinge. Das Motiv des Durchstechers und die Lehre, die so jemand wie Nuland aus so einer Pseudo-Affäre wie dieser ziehen kann. Das Motiv ist relativ billig und durchschaubar: Spaltung. Wer das Telefonat abhört und ins Netz stellt - vermutlich die ukrainische Regierung, die russische Regierung oder einer ihrer Nachrichtendienste - bestärken das allgemein wabernde Gefühl, dass die USA schäbig mit Europa umgehen.

Eine Deftigkeit reicht deswegen als Beleg, weil sich die wenigsten die Mühe machen werden, die Umstände zu verstehen, die Nuland zu dieser sehr körperlichen Handlungsanleitung veranlasst haben. Die Durchstecherei polarisiert aber nicht nur die Öffentlichkeit, sie sät auch Misstrauen zwischen den Verhandlern auf Seiten des Westens. Diesem Ziel dient auch die Veröffentlichung des Telefonats von Nulands EU-Gegenpart, der deutschen Diplomatin Helga Schmid.

Aber: Kein Schaden ist so groß, dass nicht auch ein Vorteil darin läge. Dankenswerterweise haben die Durchstecher den Nachweis geliefert, dass im Zweifel alle alles abhören - vielleicht mit Ausnahme des deutschen Bundesnachrichtendienstes. Diese Information wird die NSA-Debatte bereichern. Und Victoria Nuland kann nun selbst ermessen, wie sehr Abhören eine politische Beziehung beschädigt. Wer sich nicht mehr vertrauen kann, macht auch keine Geschäfte mehr. Zurzeit kann man ja offenbar nicht einmal mehr telefonieren.

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