Frankreich:Der Front National ist noch lange nicht tot

Frankreich: Sucht nach einem neuen Weg für ihre Partei: Marine Le Pen.

Sucht nach einem neuen Weg für ihre Partei: Marine Le Pen.

(Foto: AFP)

Frankreichs Extremisten versuchen, sich nach diversen Niederlagen neu zu erfinden, auch ein frischer Name wird gesucht. Das allein aber wird nicht die Rettung sein.

Kommentar von Christian Wernicke, Paris

Jeder Sieg braucht einen Verlierer. Am Abend des 7. Mai 2017, als Emmanuel Macron zu Frankreichs neuem Helden gewählt wurde, war das Marine Le Pen. Die Chefin des Front National (FN) mochte sich in jener Nacht damit trösten, dass sie 10,6 Millionen Stimmen erhalten hatte - ein historischer Rekord für Frankreichs Rechtsextremisten. Und doch begann in jenem Moment ihr Abstieg. Bei den Parlamentswahlen im Juni erlebte die Le-Pen-Truppe ein Fiasko: Nicht mal mehr jeder dritte Wähler vom Mai stimmte für einen FN-Kandidaten. Le Pen sitzt jetzt in der Nationalversammlung, zusammen mit ganzen sieben Gesinnungsgenossen. Man sieht sie ab und zu, als Hinterbänklerin ganz rechtsaußen. Schweigend.

Das wird sich ändern, sicherlich. Vorerst jedoch gehen Le Pen und ihre Getreuen in sich. Während eines "Seminars zur Neugründung" ihrer Partei wollen die FN-Granden an diesem Wochenende den Gründen ihrer Niederlage nachspüren. Bisher hat Le Pen zwei Schwächen ausgemacht. Fehler Nummer eins beging sie selbst: In der TV-Debatte mit Macron gerierte sich die Populistin als inkompetentes Großmaul. Als eine Person also, der man das höchste Amt im Staate (samt Befehlsgewalt über die atomare Force de frappe) besser nicht anvertraute. Zweitens zeigen Analysen, dass vor allem ein Wahlversprechen dem FN schadete: Mit der Verheißung, ihre Nation per Frexit aus der EU zu führen und neben dem Euro wieder einen Franc einzuführen, schreckte Le Pen Millionen Franzosen ab.

Schwerer als die Diagnose fällt dem FN die Therapie. Eine Idee ist, der vor 45 Jahren als Splittergruppe gegründeten Partei einen neuen Namen zu geben. "Front National, das macht Angst," attestiert Le Pens Vordenker, der FN-Vize-Chef und Parteistratege Florian Philippot. Seit Jahren wabern Gerüchte, der FN werde sich umbenennen in "Die Patrioten". Das wäre ein cleverer PR-Coup. Ein Ausweg aus der Sackgasse wäre es nicht.

Frankreichs Extremisten sortieren sich neu - weg sind sie nicht

Die angebliche Neugründung erzwingt es, den gesamten Kurs zu überprüfen. Und das wiederum birgt das Risiko, dass alte Gräben aufgerissen werden. Momentan propagiert der FN, man sei "weder rechts noch links" - was in gewisser Weise stimmt: Tiraden gegen Ausländer, Immigranten und Muslime paaren sich mit einem Wirtschaftsprogramm, das sich liest, als hätten Le Pen und Philippot ihre Ideen aus Pamphleten der radikalen Linken abgekupfert. Dazu gehört auch die Kritik am "ultraliberalen Europa" und am Euro.

Nur, es gibt noch einen anderen, gleichsam "rein rechten Flügel" im FN. Der hetzt mindestens ebenso eifrig gegen Fremde oder Andersgläubige. Aber der stört sich seit Langem am national-sozialen, dirigistischen Wirtschaftskurs. Dieser erzkonservative, vorgeblich katholische Flügel ist vor allem im Süden Frankreichs daheim. Nach Le Pens Niederlage mehren sich diese Stimmen, die den Euro-Austritt aus dem Programm tilgen und den Zuflüsterer Philippot am liebsten aus der Partei werfen wollen. Das Ergebnis wäre eine merkwürdige Kreuzung: Eine patriotische Front erfüllt von nationaler Glut - lauwarm gegen Europa.

Dieser Widerspruch schert die rechtsextremen Traditionalisten wenig. Sie hoffen, per Kurskorrektur beim Euro neue Brücken zum rechten Flügel der Republikaner schlagen zu können, zu Gaullisten und bürgerlichen Rechten. Noch ist das ein Tabu. Aber Frankreichs Rechte und Rechtsextreme haben fünf Jahre lang Zeit. Macron, der Wahlkämpfer, hat die Parteienlandschaft umgepflügt und den FN lädiert. Nun ordnet sich alles neu. Man muss hoffen, dass auch der Präsident Macron mit den Reformen obsiegt. Andernfalls droht Frankreich und Europa eine härtere, rechtere Rechte denn je - mit Sieges-Chancen 2022.

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