Friedensnobelpreisträger in Dresden:De Klerk macht sich für globale Minderheitenrechte stark

Der ehemalige Praesident Suedafrikas und Friedensnobelpreistraeger Frederik Willem de Klerk sprach a

Der ehemalige Präsident Südafrikas und Friedensnobelpreisträger Frederik Willem de Klerk in der Dresdner Frauenkirche

(Foto: imago/epd)

Das Schicksal der Welt werde sich am Umgang mit Minderheiten entscheiden, sagt der südafrikanische Ex-Präsident und Friedensnobelpreisträger in Dresden. Gegen "guten Nationalismus" hat er aber nichts einzuwenden.

Von Cornelius Pollmer, Dresden

Nach der Rede Frederik Willem de Klerks darf das Publikum ein paar Fragen an ihn richten, eine Schülerin nutzt diese Gelegenheit und holt eine Erkundigung ein, die man in Dresden besonders gut gebrauchen könnte: Wie bitte, Herr de Klerk, lassen sich Menschen motivieren, für Frieden einzutreten? Der frühere Präsident Südafrikas breitet die Arme aus und sagt, diese Veranstaltung hier, sie sei doch schon mal ein guter Beginn, nicht wahr?

Das ist sie. 2010 begann die Dresdner Frauenkirche ihre Reihe der Friedensnobelpreisträgerreden. An diesem Montagabend ist mit Frederik de Klerk der Mann zu Gast, der 1993 mit Nelson Mandela für die gemeinsamen Bemühungen zur Beendigung der Apartheid ausgezeichnet worden war. De Klerk hatte als Staatsoberhaupt 1990 die Freilassung Mandelas verfügt und das Verbot des ANC und weiterer politischer Organisationen aufgehoben. Der Regierung Mandelas nach den ersten freien Wahlen 1994 gehörte de Klerk als Vizepräsident an.

Selbst ein solcher Gast aber hat jenen Programmpunkt abzuwarten, der mit dem furchteinflößenden deutschen Wort "Grußworte" überschrieben ist. In der Frauenkirche gibt es deren drei und sie stimmen in überwiegend erfreulicher Qualität auf die Rede de Klerks ein.

Landesbischof Carsten Rentzing kommt gleich im ersten Satz auf die ungeplante Tagesaktualität der Rede zu sprechen: "Wir suchen uns die Szenerie für unsere Veranstaltungen nicht aus", sagt Rentzing. Es folgt eine Schweigeminute für die Opfer des Anschlages in Sankt Petersburg. Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich skizziert ostdeutsch-südafrikanische Parallelen gesellschaftlichen Wandels in den Jahren 1989/90 und danach.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière schließlich nimmt diesen Gedanken, führt neben den Parallelen aber auch die noch gewaltigeren Unterschiede auf. "Der Weg aus der Apartheid war blutig, steinig", sagt de Maizière, der Wandel im Osten hingegen sei friedlich verlaufen, in einem solchen Haus dürfe man anfügen: "Gott sei Dank."

De Klerk redet von der Zukunft

De Maizière schließt mit einer verbalen Verneigung vor de Klerk und dessen Leistung, den Wandel Südafrikas seinerzeit ohne Rache gestaltet und stattdessen konsequent auf Verhandlungen gesetzt zu haben. Dies erscheine ihm noch heute "nahezu übermenschlich" und er sehe darin Lektionen, die angesichts der Weltlage "aktueller denn je" seien.

An Aktualität ist de Klerk in noch größerer Weise gelegen. Anders, als man es von einem 81-Jährigen erwarten dürfte, beschäftigt er sich in seiner Rede weitestgehend mit: der Zukunft. Seinem Lebenswerk als Präsident und Partner Mandelas widmet er nicht viel mehr als seine ersten beiden Sätze: "Wir haben damals getan, was wir getan haben, weil es getan werden musste. Wir haben es getan, um der Gerechtigkeit willen und um eine Katastrophe zu vermeiden." Was folgt, ist eine klargeistige Betrachtung des Zustands der Welt und des Menschen, mögliche Konsequenzen inklusive.

Das globale Dorf - aufregend, aber auch beängstigend

Nicht nur de Klerk erwartet einen weiteren Anstieg weltweiter Fluchtbewegungen - gleichzeitig steige vor allem in den reichen Ländern die Lebenserwartung weiter und sinke die durchschnittliche Zahl der Kinder pro Frau. Allein Europa werde bis zum Ende des Jahrhunderts 100 Millionen Menschen weniger zählen - de Klerk fragt: Was bedeutet das? Was bedeutet das, wenn der Klimawandel zusätzlich die Ernten vernichtet und also härtere Fluchtursachen schafft? Und wie schließlich würde Europa reagieren, wenn nicht mehr eine sondern zehn Millionen Geflüchtete an seine Tür klopften?

Von da geht de Klerk einen Schritt zur Seite und zu den Parametern des Menschen. Jeder Mensch gehöre vielen Gruppen an, er selbst zum Beispiel sei Mann, Südafrikaner, und er fühle sich auch als "ein Bürger der Welt". Kultur, Religion, Alter, Herkunft, Sprache - vieles mache den Menschen aus, sagt de Klerk, und niemand in der Welt solle gezwungen werden können, einen Aspekt seiner Selbst aufgeben zu müssen, um einen anderen annehmen zu können.

De Klerk für friedfertigen Stolz

De Klerk sieht die Welt vor der Aufgabe, immer mehr und immer größere und immer diversere Minderheiten in Gesellschaften zu integrieren. Er sagt: "Wir haben das globale Dorf betreten, es ist aufregend dort, manchmal verwirrend, gelegentlich auch ein wenig beängstigend."

Aber dieses Dorf werde weiter wachsen und so werde sich das Schicksal der Welt am Umgang mit Minderheiten entscheiden - im Guten oder im Katastrophalen. Diese grundsätzliche Betrachtung führt ihn deswegen zu der konkreten Forderung, die Rechte kultureller und religiöser Minderheiten global zu normen, ähnlich wie dies mit UN-Konventionen für Kinder und Frauen bereits geschehen sei.

Dies stehe, sagt de Klerk, einem "guten Nationalismus" im Übrigen nicht im Wege - Länder und ihre Bürger sollten das Recht haben, in friedfertigem Stolz das eigene Land zu feiern, dies sei sogar gesund. Gleichzeitig gebe es dabei keine andere Alternative dazu, Unterschiedlichkeit auch innerhalb von Gesellschaften zu respektieren und eine Einheit dieser allein über humanistische Werte zu anzustreben. Das ist das Wort, das aus der Frauenkirche und von de Klerk ausgehen soll - und man weiß wie immer leider nicht, wer und wie viele es hören werden.

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