Friedensnobelpreis 2010: Reaktionen:"Eine schallende Ohrfeige"

Während sich Liu Xiaobos Frau Xia über die Auszeichnung freut und die Bundesregierung Lius Freilassung fordert, beschimpft Peking den Nobelpreisträger als "Kriminellen" - und lässt Xias Wohnung abriegeln.

in Bildern.

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Friedensnobelpreis an Liu Xiaobo

Quelle: dpa

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Mit der Auszeichnung des Dissidenten Liu Xiaobo geht der Friedensnobelpreis zum ersten Mal in seiner Geschichte nach China. Peking reagiert empört, Lius Mitstreiter begrüßen den Preis als "Ermutigung". Die Bundesregierung fordert die Freilassung des Bürgerrechtlers. Die Reaktionen in Bildern.

"Ich konnte mir nicht vorstellen, dass er den Nobelpreis gewinnen würde", sagte Lius Frau Xia, als sie von der Entscheidung in Oslo erfuhr. "Deswegen ist es umso schwerer, mir vorzustellen, wie sich alles entwickeln wird, nachdem er ihn bekommen hat." Lius geistige Verfassung sei recht gut, doch leide er in der Haft immer wieder unter Magenproblemen, berichtete seine Frau. "Ich bin glücklich, aber ich kann nicht herauskommen", sagte sie am Telefon. Polizeikräfte hatten am Freitag den Wohnkomplex in Peking, in dem Liu lebt, abgeriegelt und Journalisten den Zugang verwehrt. "Ich stecke hier fest - mit der Polizei", sagte Liu.

A policeman guards as reporters wait at the entrance of a residential compound where Liu Xia lives, in Beijing

Quelle: REUTERS

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Die chinesische Führung reagierte empört. Liu sei "ein Krimineller", der wegen Gesetzesverstößen durch chinesische Justizorgane verurteilt worden sei, hieß es in einer Erklärung des Außenministeriums. "Die Vergabe durch das Nobelpreis-Komitee an solche Leute widerspricht völlig dem Ziel des Preises." Es sei "eine Schmähung" des Friedensnobelpreises. Die Verleihung werde den chinesisch-norwegischen Beziehungen schaden. Zudem zensierten die chinesischen Behörden Meldungen über die Bekanntgabe des Preisträgers in großem Stil. Die Übertragung des Senders CNN wurde gestört und beliebte Internetseiten entfernten die Berichterstattung über die Nobelpreise. Diese hatten in den Tagen zuvor in den naturwissenschaftlichen Sparten noch eine wichtige Rolle gespielt. Textbotschaften über den Twitter-ähnlichen Dienst Sina Microblog wurden schnell gelöscht. Selbst SMS mit den chinesischen Schriftzeichen für Liu Xiaobo konnten nicht verschickt werden.

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Quelle: AFP

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Chinesische Bürgerrechtler begrüßten die Auszeichnung ihres Mitstreiters: "Natürlich hat er ihn verdient", sagte der Regimekritiker Bao Tong. "Es zeigt, dass die Bemühungen der chinesischen Bürger, ihre eigenen Rechte geltend zu machen, das Verständnis, die Aufmerksamkeit und Ermutigung durch die internationale Gemeinschaft gewonnen haben."

Elf Jahre Haft: Urteilsspruch gegen den chinesischen Regimekritiker Liu Xiaobo in Peking

Quelle: action press

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"Es ist eine Ermutigung für die Demokratiebewegung", betonte der langjährige Rechtsaktivist Yao Lifa. "Die internationale Gemeinschaft zeigt, dass sie sich um jene sorgt, die in China in der Demokratiebewegung mitarbeiten und die Menschenrechte voranbringen wollen."

Nach der Bekanntgabe der Entscheidung demonstrierten 20 prodemokratische Aktivisten vor der Pekinger Vertretung in Hongkong für Xiaobos Freilassung. Das Bild zeigt eine Demonstration für Lius Freilassung im Jahr 2009.

Christian Democrats Celebrate 20 Years Since Reunification Of Germany

Quelle: Getty Images

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Die deutsche Regierung beschränkte sich nicht auf Glückwünsche für den Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo, sondern forderte von China auch die Freilassung des Inhaftierten. "Die Bundesregierung wünscht sich, dass er aus der Haft freikommt und den Preis selber in Empfang nehmen kann", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert, nachdem Xiaobos Auszeichnung bekannt wurde.

Seibert würdigte Liu als mutigen Mann, der in seiner Heimat Demokratie und Menschenrechten zur Durchsetzung verhelfen wolle. Seibert fügte hinzu: "Wir - die Bundesregierung - wissen, dass China da seinen eigenen Weg finden muss."

EU-China-Gipfel in Brüssel

Quelle: dpa

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Nach Ansicht von Menschenrechtlern ist die Auszeichnung des Chinesen eine "schallende Ohrfeige" für Chinas Machthaber und ein Meilenstein im Kampf gegen Zensur in dem asiatischen Land. "Es ist ein Debakel für Chinas Streben nach mehr internationaler Anerkennung und nach Ruhigstellung der Opposition", sagte der Asienreferent der Gesellschaft für bedrohte Völker, Ulrich Delius, in Göttingen. Gleichzeitig bedeute die Auszeichnung Liu Xiaobos eine große Ermutigung für Chinas Demokraten und für alle, die sich für Menschenrechte in der Volksrepublik einsetzten.

Jens Stoltenberg

Quelle: AP

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Auch Norwegens Regierungschef Jens Stoltenberg hat Liu Xiaobo gratuliert - dabei aber jede direkte Kritik an Peking vermieden. In der norwegischen Hauptstadt Oslo, wo die Auszeichnung bekanntgegeben wurde, sagte Stoltenberg: "Liu Xiaobo bekommt den Preis für seine Verteidigung von Meinungsfreiheit und Demokratie. Das tut er auf eine Weise, die Aufmerksamkeit und Respekt verdient."

FRANCE-POLITICS-KOUCHNER

Quelle: AFP

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Auch Frankreich begrüßte die Auszeichnung des chinesischen Bürgerrechtlers: "Diese Entscheidung steht für die Verteidigung der Menschenrechte überall auf der Welt", hieß es in einer Erklärung von Außenminister Bernard Kouchner. Frankreich bekräftige seinen Appell an Peking, Liu freizulassen.

Amnesty International - Jahresreport 2010

Quelle: dpa

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Auch die Menschenrechtsorganisation Amnesty International übermittelte Glückwünsche: "Liu Xiaobo hat den Friedensnobelpreis mehr als verdient", hieß es aus der Londoner Zentrale. "Er steht stellvertretend für all diejenigen, die sich in China für die Menschenrechte einsetzen." Die Nichtregierungsorganisation forderte China auf, alle "gewaltlosen politischen Gefangenen" freizulassen. Es sei zu hoffen, so die Erklärung von Amnesty weiter, dass der Nobelpreis "das Schlaglicht auf den Kampf für grundlegende Freiheiten und den konkreten Schutz der Menschenrechte" richte, dem sich Liu Xiaobo und viele andere in China widmen würden.

Andere Menschenrechtsorganisationen schlossen sich den Glückwünschen an. Die Auszeichnung rücke die Menschenrechtslage in China wieder in den Mittelpunkt der internationalen Diskussion, sagte Sophie Richardson Human Rights Watch. Der Preis ehre nicht nur Liu Xiabo, "sondern auch all jene, die täglich kämpfen, um die Regierung zur Verantwortung zu ziehen". Reporter ohne Grenzen nannte die Vergabe des Preises an Liu eine "Geste mit historischer Bedeutung" für den Kampf für mehr Meinungsfreiheit in China.

Im Bild: Die Generalsekretärin von Amnesty in Deutschland, Monika Lütke

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Quelle: AFP

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EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso sagte, die Auszeichnung sei "eine starke Botschaft der Unterstützung für all jene in der Welt, die gelegentlich unter großen persönlichen Opfern für Freiheit und Menschenrechte kämpfen". Dabei handle es sich um "Kernwerte der Europäischen Union", deren Bedeutung für die ganze Welt unterstrichen werde.

Eroeffnung der 62. Frankfurter Buchmesse

Quelle: dapd

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Deutschlands Außenminister Guido Westerwelle begrüßte die Verleihung des Friedensnobelpreises an Liu als Würdigung des Kampfes für die Freiheit. Es sei eine mutige Entscheidung des Nobelpreis-Komitees gewesen, sagte der FDP-Chef. "Es sendet auch ein klares Zeichen in die Welt, dass das Eintreten für Freiheit und Menschenrechte unterstützt wird." Er gehe nicht davon aus, dass die Entscheidung des Nobel-Komitees Auswirkungen auf die diplomatischen Beziehungen zu China haben werde. Es handle sich schließlich nicht um einen diplomatischen Vorgang zwischen zwei Staaten oder der Europäischen Union und einem anderen Land.

Dalai Lama

Quelle: REUTERS

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Nach der Entscheidung des Nobelpreis-Komitees wurden weltweit Forderungen an China laut, Liu Xiaobo aus der Haft zu entlassen. Auch der Dalai Lama bat Peking um die Freilassung des Bürgerrechtlers. Der Friedensnobelpreis sei eine Anerkennung der internationalen Gemeinschaft für die lauter werdenden Stimmen in China, die Reformen anmahnten, hieß es in einer Erklärung des Dalai Lama. Er appellierte zudem an die Regierung,  auch andere freizulassen, "die wegen der Ausübung ihres Rechts auf Meinungsfreiheit inhaftiert sind". Der Dalai Lama wurde 1989 selbst mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. 

Festakt zu den Jublilaeen wissenschaftlicher Institutionen in Berlin

Quelle: dapd

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In die Gratulanten aus der Bundesrepublik reihte sich auch Bundespräsident Christian Wulff ein. "Ihr Mut, sich für die Menschenrechte in Ihrem Land friedlich einzusetzen, hat meinen größten Respekt", hieß es im Glückwunschschreiben des Bundespräsidenten. Wulff bescheinigte China, es habe seit der Öffnung nicht nur wirtschaftlich große Fortschritte gemacht. Die chinesische Verfassung sei geändert worden, um Menschenrechte aufzunehmen. "Die Regierung betont, wie wichtig es ist, dass sich China zu mehr Rechtsstaatlichkeit und Demokratie entwickelt." Wulff unterstrich weiterhin, dass sich Liu friedlich an der Diskussion um die demokratische Zukunft Chinas beteiligt habe und sicherte zugleich dem Inhaftierten die Unterstützung Deutschlands zu. "Deutschland hat sich gemeinsam mit seinen Partnern in der Europäischen Union für Sie eingesetzt. Wir werden dies auch weiterhin tun."

© sueddeutsche.de/dpa/rtr/leja
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