Friedensnobelpreis für Barack Obama:Ein machtloser Makler

Taten statt "zuckersüßer Worte": In der muslimischen und arabischen Welt trifft Obama auf Skepsis, denn auch als Friedenspreisträger wird er weiter Krieg führen müssen.

Tomas Avenarius

Die Rede an die Muslime, die Barack Obama im Juni 2009 in Kairo hielt, war eines zukünftigen Friedensnobelpreisträgers würdig. Der US-Präsident sprach quälende Fragen an, ohne neue Gräben aufzuwerfen gegenüber Arabern und Muslimen. Entsprechend waren die Reaktionen: voller Sympathie, aber mit einem gerüttelten Maß an Skepsis.

Der Tenor im Volk und bei den Politikern aller Lager war: Obama habe dem Islam als Religion und Kultur Respekt erwiesen und den Muslimen viel versprochen. Was aber mehr zähle als "zuckersüße Worte" seien die Taten. Die Bilanz der Friedensbemühungen Obamas im Nahen Osten bestätigt die Skepsis.

Ein Beispiel ist Obamas Initiative, die Friedensverhandlungen zwischen Israelis und Palästinensern aus dem Stand neu zu beleben und zu einem raschen Ende zu bringen. Mit seiner ultimativen Forderung an Israel, den Siedlungsbau in den besetzten Gebieten einschließlich Ost-Jerusalems sofort einzustellen, hat er aus arabischer Sicht guten Willen gezeigt.

Er hat aber einen taktischen Fehler begangen. Israels Premier Benjamin Netanjahu stellte sich stur, schickte den US-Unterhändler George Mitchell mit leeren Händen nach Hause und baut derweil weiter. In den Augen der Palästinenser und der arabischen und islamischen Welt hat sich Obama entlarvt: als Makler, der entweder machtlos ist oder aber auf Seiten der Israelis steht.

Auch im Irak ist die Friedensbilanz bisher nicht eindeutig. Den Plan für den Truppenabzug hatte noch Obamas Vorgänger George W. Bush ausgehandelt: Bush wollte zwar nie einen konkreten Termin für einen endgültigen Abzug festlegen, die irakische Regierung zwang ihn aber dazu. Obama hatte sich im US-Wahlkampf dafür stark gemacht, die amerikanischen Soldaten schneller abzuziehen.

Es ist ein Versprechen, das er zumindest in Teilen einhalten kann: Die Planungen für die Rückverlegung der Soldaten laufen auf Hochtouren. Bis Mitte 2010 sollen die letzten Kampftruppen aus dem Land sein. Die Lage im Irak kann sich aber rasch wieder ändern. Etwa, wenn die Kurden in einen Konflikt mit der Zentralregierung in Bagdad geraten sollten. Dann wäre der Totalabzug in Frage gestellt.

Auch wenn alle US-Soldaten den Irak fristgerecht verlassen können: Ein Teil marschiert direkt nach Afghanistan. Am Hindukusch ist die Friedensbilanz des US-Präsidenten ebenso vage. Obama nennt den Afghanistan-Krieg die entscheidende Auseinandersetzung im Kampf um die Sicherheit der USA. Er hat noch nicht entschieden, ob er dem Wunsch seiner Generale nach einer deutlichen Truppenaufstockung nachkommen wird.

Die Alternative wäre ein stark "begrenzter Krieg" gegen al-Qaida in Afghanistan und Pakistan: mit Hilfe von Spezialtruppen und Raketen verschießenden Drohnen.

Der Friedensnobelpreisträger wird nicht umhin können, in den beiden muslimischen Staaten weiter Krieg zu führen. Es nützt ihm wenig, dass der angeschlagene afghanische Präsident Hamid Karsai am Freitag sofort Glückwünsche sandte. Aussagekräftiger ist wohl die Reaktion der Taliban: "Wir verurteilen den Preis als ungerecht."

Bleibt der Konfliktherd Iran. Sollte der Streit um dessen Atomprogramm eskalieren, könnte es zu einem israelischen Luftangriff auf die Nuklearanlagen kommen. Die USA könnten sich in diesem Fall nur schwer aus dem Konflikt heraushalten. Sie würden den Angriff möglicherweise gemeinsam mit den Israelis fliegen oder sogar alleine führen müssen. Dann wäre Barack Obama ein Friedensnobelpreisträger, der einen neuen Krieg im Mittleren Osten beginnt.

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