Fremdenfeindlichkeit in Sachsen:Leiter der Flüchtlingsunterkunft in Clausnitz wird versetzt

Solidaritätskundgebung für Flüchtlinge in Clausnitz

Solidaritätskundgebung für Flüchtlinge in Clausnitz 'Open your mind - stop racism' steht auf einem Poster der Teilnehmer.

(Foto: dpa)
  • Der umstrittene Leiter einer Flüchtlingsunterkunft in Clausnitz in Sachsen, vor der es vergangene Woche zu Protesten gekommen war, wird versetzt.
  • Die AfD-Vorsitzende Petry gibt den Flüchtlingen, die in einem Bus an der Unterkunft ankamen, eine Mitschuld an der Eskalation der Lage.
  • Regierungssprecher Seibert und Justizminister Maas verurteilen die Proteste als "feige", "roh" und "beschämend".

Die Asylunterkunft im sächsischen Clausnitz, vor der am vergangenen Donnerstagabend ein fremdenfeindlicher Mob protestiert hat, bekommt einen neuen Leiter. Der bisherige und wegen seiner AfD-Mitgliedschaft umstrittene Heimleiter soll "eine andere Aufgabe" innerhalb des Unternehmens bekommen, das für den Betrieb der Flüchtlingsunterkunft zuständig ist, erklärte der Landrat von Mittelsachsen, Matthias Damm (CDU), in Freiberg. Darauf habe er sich mit der Betreiberfirma geeinigt.

Noch ist den Angaben zufolge nicht abschließend geklärt, wer die Heimleitung künftig übernehmen soll. Die Betreuung der Flüchtlinge sei für den Übergang aber weiterhin gesichert, hieß es. Trotz der Entscheidung stellte Damm sich am Montag erneut hinter den umstrittenen Heimleiter. Dieser könne eine nicht zu beanstandende Arbeit vorweisen, erklärte Damm.

"Wir haben die Entscheidung zum Schutz seiner Person und durch die bundesweite Diskussion über ihn getroffen", fügte er hinzu. Zugleich laufe aber auch im Landratsamt die Aufarbeitung der Vorkommnisse vom Donnerstagabend. So werde etwa die Vorgehensweise bei der Information der Bürger geprüft.

Was am Donnerstag geschah

In Clausnitz hatten am Donnerstagabend etwa 100 Menschen versucht, die Ankunft eines Busses mit Bewohnern einer neuen Asylbewerberunterkunft zu verhindern. Dabei grölten sie unter anderem "Wir sind das Volk". Kritik gibt es auch am Verhalten der Polizei, die drei Flüchtlinge unter Zwang aus dem Bus holte. Ein Junge ist auf einem Video verängstigt und weinend zu sehen.

Der Clausnitzer Bürgermeister Michael Funke (parteilos) hat für die Feindseligkeiten Auswärtige verantwortlich gemacht. Er habe diese Leute nicht gekannt, sagte Funke am Montag bei einem Besuch der sächsischen Integrationsministerin Petra Köpping (SPD) in Clausnitz. Funke sprach von "Krawall-Touristen" und "Demo-Touristen". Zugleich beteuerte er, dass er sich für die Anfeindungen schäme.

Petry gibt Flüchtlingen Mitschuld an Eskalation

Unterdessen hat die Chefin der AfD, Frauke Petry, den Flüchtlingen für die Eskalation der Lage eine Mitschuld gegeben. "Es gab wohl auch sehr unschöne Äußerungen der ankommenden Flüchtlinge, Stinkefinger und diverse Anschuldigungen", sagte Petry.

Zugleich distanzierte sie sich von den Demonstranten: "Man fragt sich, was Leute dazu treibt, in dieser Weise auf die Straße zu gehen." Ihre Partei werde Berichten nachgehen, wonach ein AfD-Mitglied damit zu tun hat: "Wir sind dabei, dies zu recherchieren. Sollte dies so sein, wird es Konsequenzen geben." Diese könnte beispielsweise in einem Parteiordnungsverfahren münden. Der innenpolitische Sprecher der Grünen, Volker Beck, hatte die AfD zu einer Stellungnahme aufgefordert, welche Rolle sie bei der "Mobilisierung für die Krawalle" gespielt habe.

Regierungssprecher Seibert: "Beschämend"

Auch der Sprecher der Bundesregierung hat sich zu den ausländerfeindlichen Protesten in Sachsen geäußert. "Was da in Clausnitz geschehen ist, ist zutiefst beschämend", sagte Steffen Seibert in Berlin.

"Wie kaltherzig, wie feige muss man sein, um sich vor einem Bus mit Flüchtlingen aufzubauen und zu pöbeln und zu grölen, um den darin sitzenden Menschen, darunter zahlreiche Frauen und Kinder, Angst zu machen."

Für die ganze schwarz-rote Bundesregierung gelte: "Unser Land ist anders. Unser Land weiß, dass es im Kern um Menschen in Not geht. Sie behandeln wir mit Anstand und Mitgefühl." Er fügte hinzu: "Wer es anders will, wer so etwas wie Clausnitz gutheißt, der muss eine ganz klare Antwort darauf von allen staatlichen Kräften und der großen Mehrheit der Bürger bekommen."

Bundesjustizminister Maas: "Wir dürfen nicht warten, bis es den ersten Toten gibt"

Bundesjustizminister Heiko Maas fand in einem Gespräch mit den Zeitungen der Funke-Mediengruppe deutliche Worte für die Vorfälle: "Wer Asylunterkünfte anzündet oder mit unverhohlener Freude Beifall dafür klatscht, für den gibt es keine Rechtfertigung und keine Entschuldigung. Das ist an Rohheit und Primitivität nicht zu überbieten."

Politik und Gesellschaft rief er dazu auf, sich Rassismus und Fremdenfeindlichkeit offen entgegenzustellen. "Wir dürfen nicht warten, bis es den ersten Toten gibt. Wir brauchen eine neue Kultur des Widerspruchs."

Außerdem appellierte Maas an die Bürger, sich von der AfD und der Pegida-Bewegung fernzuhalten. "Jeder, der bei AfD oder Pegida mitläuft, sollte wissen, wen er da unterstützt: Wer Flüchtlinge mit ihren Kindern an der Grenze erschießen lassen will, der hat verfassungsfeindliche Gewaltfantasien." Mit den Werten des christlichen Abendlandes habe das nichts zu tun. "Die AfD entwickelt sich zu einer rechtsradikalen Partei."

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