Karel De Gucht, 60, ist fraglos der größte Propagandist von Freihandelsabkommen. Der Belgier ist seit 2010 EU-Handelskommissar und wird seither nicht müde, die Segnungen des Wegfalls von Handelsschranken zu besingen. Zuletzt wurde er damit auch dem deutschen Fernsehpublikum bekannt; so ganz dürfte ihm das allerdings nicht behagt haben.
Denn in einer Reportage der ARD-Sendung Monitor ("Der große Deal") wurde er mit der schärfsten EU-Waffe überhaupt geschlagen: einer voluminösen Langzeitstudie voller Fußnoten und Diagrammen. Gerade hatte De Gucht im Interview angehoben, die Verheißungen von TTIP zu anzupreisen, als ihm der Reporter vor laufender Kamera ins Wort fiel und ihn darüber belehrte, dass eine EU-Studie genau das infrage stelle. Die Steigerung des Bruttosozialprodukts werde mit mickrigen 0,049 Prozent per annum beziffert. "Lassen Sie uns unterbrechen", sagte De Gucht, offenkundig peinlich berührt.
Wer De Gucht mal aus nächster Nähe beobachten kann, erkennt in dem belgischen Politiker leicht einen jovialen, für EU-Verhältnisse gar herzlichen Mann. Das hat dem Juristen freilich nicht geholfen, Fettnäpfchen und Affären zu umgehen. Der Europäische Jüdische Kongress nahm Worte aus seinem Mund in die Reihe der größten antisemitischen Entgleisungen des Jahres 2010 auf; als belgischer Außenminister brachte er den Kongo und die Niederländer gegen sich auf. Die Regierung des Kongo betitelte er als inkompetent, den einstigen niederländischen Regierungschef Balkenende als eine "Mischung aus Harry Potter und Spießer". Ob er seinen Traum erfüllt sieht, der Unterzeichnung des TTIP als Kommissar beizuwohnen, ist unklar. Denn noch ist nicht sicher, dass er der neuen Kommission angehören wird.
Javier Cáceres