Freihandel:Gabriels Schicksalsreise nach Montreal

Freihandel: SPD-Parteichef Sigmar Gabriel reist am Donnerstag nach Kanada.

SPD-Parteichef Sigmar Gabriel reist am Donnerstag nach Kanada.

(Foto: AP)
  • Am Donnerstag reist der Wirtschaftsminister nach Montreal, um mit den Kanadiern über das Freihandelsabkommen Ceta zu sprechen.
  • Gabriel steht parteiintern unter Druck, weil ein Teil der Basis das Abkommen nicht mittragen will.
  • Der Wirtschaftsminister muss nun versuchen, den Kanadiern Zusatzerklärungen abzuringen. Das könnte seine Partei vor dem Konvent am Montag besänftigen.

Von Jan Schmidbauer

Wenn Sigmar Gabriel am Donnerstag ins Flugzeug steigt und in Richtung Kanada abhebt, dann geht es nicht bloß um das Freihandelsabkommen Ceta. Es geht auch um seine Zukunft in der SPD. Formal, das muss man dazusagen, ist Gabriel überhaupt nicht dafür zuständig, mit den Kanadiern um Klarstellungen beim Ceta-Abkommen zu ringen. Verhandlungspartner der Kanadier ist die EU-Kommission. Schließlich geht es hier nicht bloß um ein Abkommen zwischen Deutschland und Kanada. Ceta soll ein Handelsabkommen zwischen Kanada und der Europäischen Union werden. Und eigentlich ist dieses Abkommen längst fertig verhandelt. Es soll schon beim EU-Kanada-Gipfel am 27. Oktober unterzeichnet werden.

Doch für Gabriel ist diese kurzfristig angesetzte Reise nach Montreal eine Art letzte Chance. Unter anderen trifft er seine Amtskollegin Chrystia Freeland - und auch deren Regierungschef Justin Trudeau. Der im November frisch gewählte Premier ist im Ausland äußerst beliebt. Möglicherweise hofft Gabriel, dass ein wenig dieser Populartität sich auch auf ihn überträgt. Ziel seiner Reise ist jedenfalls, die eigene Parteibasis zu besänftigen.

Ceta "gut", TTIP "schlecht"

Schon am kommenden Montag stimmt der SPD-Parteikonvent über Ceta ab. Wenn die Mehrheit der Delegierten das Freihandelsabkommen in seiner jetzigen Form ablehnt, könnte es brenzlig werden für Gabriel. Seine Autorität wäre dann stark beschädigt. Und innerhalb der Partei dürfte die Frage lauter werden, ob Gabriel wirklich die Kanzlerkandidatur bei der nächsten Bundestagswahl übernehmen sollte. Zuletzt hatten der Parteivorstand und das SPD-Präsidium Ceta zugestimmt. Kritik kommt dagegen von der Basis. Die Landesverbände Bayern und Bremen haben sich gegen Ceta ausgesprochen. Der Unterbezirk Hannover, einer der größten der Partei, will den derzeitigen Entwurf ablehnen. Und auch die Jusos sprechen sich gegen Ceta aus. Die parteiinternen Kritiker sehen noch viele Unklarheiten im Vertragstext, die später zu einem Risiko werden könnten.

Für Gabriel dagegen ist die Sache mit den Freihandelsabkommen klar. TTIP, das geplante Freihandelsabkommen mit den USA, ist für ihn ein "schlechtes" Abkommen - erst kürzlich sagte er, die Verhandlungen darüber seien "gescheitert". Ceta dagegen ist für den Wirtschaftsminister ein "gutes Abkommen". Denn bei den Verhandlungen mit Kanada konnte Europa stärker seine eigenen Interessen durchsetzen als gegenüber den US-Amerikanern. Doch innerhalb der SPD sehen das längst nicht alle so wie Gabriel.

Die neue Debatte über Ceta hatte der Sprecher der Parlamentarischen Linken in der SPD-Bundestagsfraktion ins Rollen gebracht, Matthias Miersch. Der Jurist hatte den aktuellen Text des Abkommens geprüft. Seine Bewertung trug allerdings nicht das Prädikat "gut". "Aus meiner Sicht kann kein sozialdemokratisches Mitglied eines Parlaments diesem Abkommen in der vorliegenden Fassung zustimmen", teilte Miersch mit. Die von Parteitag und Parteikonvent gezogenen roten Linien würden in zentralen Punkten nicht eingehalten. Miersch kritisiert unter anderem die jetzigen Regelungen zum Investorenschutz. Es gebe "unbestimmte Rechtsbegriffe", die ein "Einfallstor für Auslegungsstreitigkeiten seien".

Eine schwierige Mission

Dabei wurde hier schon mit Kanada nachverhandelt. Der Vertragstext sieht nun nicht mehr die heftig kritisierten privaten Schiedsgerichte vor. Stattdessen soll es ein ständiges Investitionsgericht geben. Auch beim Schutz der Arbeitnehmerrechte ist Kanada nun auf einer Linie mit Europa. Das Land will die sogenannten ILO-Kernarbeitsnormen mittragen.

Es ist eine schwierige Mission, auf die Gabriel sich in Kanada einlässt. Gabriel muss den Kanadiern Zusatzerklärungen in Form von Zusatzprotokollen abringen, die mehr Klarheit bei Ceta schaffen. Damit könnte er die Parteibasis beruhigen und auch seine eigene Position festigen. Selber beschließen kann der Wirtschaftsminister solche Zusatzerklärungen zwar nicht. Aber die EU-Kommissarin Cecilia Malmström scheint offen für Ergänzungen im Vertragstext. Beim Treffen der EU-Handelsminister kommende Woche in Bratislava könnte Gabriel den europäischen Kollegen seine Sonderwünsche präsentieren.

Als Nächstes müssten dann die Regierungen der Mitgliedsländer ihre Zustimmung geben. Am 23. September tagen dafür die Handelsminister. Danach könnte Ceta - nach dem Willen der EU-Kommission - sogar vorläufig in Kraft treten, bevor die nationalen Parlamente dem Abkommen zustimmen. Gabriel muss jedoch erst mal bangen, dass seine Partei das Abkommen auch wirklich durchwinkt. Ist Ceta für den SPD-Chef ein gutes oder ein schlechtes Abkommen? Die kommenden Tage werden es zeigen.

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