Freihandel:Die Tür geht zu

SPD und Attac können sich schonen, TTIP stirbt allemal einen langsamen Tod. Der US-Wahlkampf hat das Projekt erledigt, selbst eine Präsidentin Clinton wird ihr Kapital dafür nicht ausgeben.

Von Nikolaus Piper

Möglicherweise entscheidet sich die politische Zukunft von Sigmar Gabriel an Freihandelsabkommen mit Namen TTIP und Ceta. Jedenfalls mobilisiert die SPD-Linke gegen ihren ungeliebten Vorsitzenden, der das Abkommen TTIP mit den Vereinigten Staaten zwar ablehnt, Ceta aber, ausgehandelt mit einer sozialdemokratischen Regierung in Kanada, durchsetzen will. Auch die Jusos sowie die SPD-Landesverbände Bremen und Bayern lehnen Ceta ab. Am 19. September wird ein Parteikonvent der SPD darüber beraten. Zwei Tage vorher werden Sozialverbände, NGOs und kirchliche Gruppen versuchen, mit einer Großdemo TTIP und Ceta zu stoppen. Auch die AfD will bei der linken Veranstaltung mitmachen. Das Bündnis gegen den Freihandel ist sehr breit geworden.

SPD und Attac können sich schonen, TTIP stirbt allemal

All dies hat etwas sehr Unwirkliches. Tatsächlich ist es unwahrscheinlich geworden, dass TTIP wie geplant in Kraft treten wird (bei Ceta ist die Lage noch unsicher). Nicht weil Attac dagegen ist, die SPD Bremen oder die AfD. Sondern weil der Kandidat Donald Trump das Klima in den Vereinigten Staaten gegen den Freihandel gedreht hat. Das wird auch dann Konsequenzen haben, wenn Trump die Wahl verliert, worauf man momentan hoffen kann. Hillary Clinton hat sich zwar noch nicht zu TTIP geäußert, lehnt aber klar das Abkommen TPP ab, das die Regierung Obama mit den Pazifik-Anrainern abgeschlossen hat. Kaum vorstellbar, dass sie als Präsidentin politisches Kapital dafür einsetzen würde, TTIP zu Ende zu verhandeln und durch einen widerspenstigen Kongress zu bringen.

Es ist erstaunlich, mit welcher Inbrunst sich Teile der deutschen Öffentlichkeit den vermeintlichen Gefahren von TTIP und Ceta widmen, während die USA dabei sind, sich vom Gedanken des Freihandels zu verabschieden, was ein viel größeres Risiko für den Rest der Welt darstellt. Die USA vertraten in Handelsdingen immer eigene Interessen, zuweilen auf sehr ruppige Art. Im Zweifel setzten sie sich aber immer für offene Märkte mit klaren Regeln ein. Die Bundesrepublik hat seit ihrer Gründung massiv von dieser Haltung profitiert. Immer gab es in Amerika auch protektionistische Strömungen, auf dem Gewerkschaftsflügel der Demokraten und auf der extremen Rechten der Republikaner. Immer fand sich aber eine Mehrheit von Moderaten im Kongress, die etwa die Gründung der Welthandelsorganisation und andere Abkommen billigte.

Darauf ist heute kein Verlass mehr. Donald Trump ist der erste Kandidat einer der großen Parteien in den USA, der mit einem klaren Anti-Freihandels-Programm antritt: Strafzölle gegen China, Nein zu TPP. Hillary Clinton argumentiert wesentlich moderater, lehnt das Abkommen mit den Pazifikanrainern zwar ab, bekennt sich aber grundsätzlich zum Freihandel. Aber sie hat es mit den Anhängern ihres unterlegenen Gegenkandidaten Bernie Sanders zu tun, denen sie viel zu konziliant in Handelsfragen ist. Die Stimmen dieser braucht sie aber trotzdem, wenn Trump im November verhindert werden soll. Zu viele Amerikaner sehen sich als Opfer der Globalisierung, als dass Amerika auf absehbare Zeit eine Führungsrolle in Handelsfragen übernehmen könnte.

Momentan sind die Verhandler der EU und der USA bei TTIP noch sehr weit voneinander entfernt. Kaum vorstellbar, dass das Abkommen noch, wie vorgesehen, während der Präsidentschaft von Barack Obama ausverhandelt wird. Gewinnt Trump, ist es tot. Gewinnt Clinton, ist die Lage unklar. Vielleicht hält sie es wie ihr Mann Bill. Der hat 1992 erst Wahlkampf gegen das Nordamerikanische Freihandelsabkommen (Nafta) gemacht, danach ein paar Zusatzvereinbarungen ausgehandelt und das Abkommen schließlich unter der Parole "Nafta. We have to" durchgesetzt. Verlassen sollte man sich darauf nicht, die Stimmung ist heute anders als 1992 und 1993. Auch in Washington ist nicht verborgen geblieben, dass die Öffentlichkeit in Deutschland, der größten europäischen Volkswirtschaft, TTIP feindlich gegenübersteht. Die EU ist also bei dem Thema kaum handlungsfähig. Warum also Energie in das Projekt stecken?

Plausibel ist nach dem jetzigen Stand die Prognose, dass TTIP nicht kommt, dass es aber auch nicht stirbt. Niemand will die Verantwortung für die Niederlage übernehmen und die Verhandlungen offiziell für gescheitert erklären. Das Projekt wird dann ins Reich der Untoten eingehen, so wie die letzte Freihandelsrunde innerhalb der WTO. Möglicherweise wird eine Präsidentin Clinton erst einmal ein Abkommen mit Großbritannien abschließen, was wohl auch zu Hause leichter durchzusetzen wäre. Und in Brüssel und Berlin wird man zuschauen, wie ein Projekt scheitert, von dem man sich einmal sehr viel versprochen hat.

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