Frauen in der US-Armee:Bomben und Kugeln kennen kein Geschlecht

Frauen in der US-Armee: Mehr als 280.000 weibliche US-Soldaten haben in Afghanistan und dem Irak gedient.

Mehr als 280.000 weibliche US-Soldaten haben in Afghanistan und dem Irak gedient. 

(Foto: AFP)

Sie dürfen offiziell nicht an Kampfeinsätzen teilnehmen, sterben aber trotzdem für ihr Land: Mehr als 280.000 Frauen haben bisher für die US-Streitkräfte in Afghanistan oder dem Irak gedient. Dafür bekommen sie kaum Anerkennung - doch nun regt sich Widerstand.

Antonie Rietzschel

Als Tammy Duckworth im Herbst 2004 in einem US-Militärkrankenhaus aufwacht, findet sie eine kleine Tasche mit Toilettenartikeln und Kleidung. Darin: Pantoffeln, Männerunterhosen und ein Rasierer.

Zwei Wochen zuvor war die Pilotin mit ihrem Kampfhubschrauber UH-60 Black Hawk im Irak abgeschossen worden und hatte dabei schwerste Verletzungen erlitten. Den Moment des Aufwachens schilderte Duckworth später der Huffington Post. "Ich hatte keine Füße mehr und konnte deswegen keine Schuhe tragen. Außerdem waren mir gerade die Beine weggeblasen worden, weshalb ich keine Beinrasur brauchte. Und: ich werde keine Männerunterhosen tragen."

Einem Bericht des amerikanischen Verteidigungsministeriums zufolge dienen derzeit 207.308 Frauen in der US-Armee. Das sind nach Angaben der New York Times 14 Prozent der 1,4 Millionen Menschen starken Truppe. Mehr als 280.000 Frauen sollen bisher in Afghanistan und dem Irak im Einsatz gewesen sein, 150 von ihnen starben.

Doch als Frauen im US-Militär haben sie nicht nur damit zu kämpfen, dass die Krankenhäuser nicht auf sie eingestellt sind: Sie haben im Vergleich zu den männlichen Kollegen wenig Chancen, höhere Ränge zu erreichen, weil sie offiziell per Gesetz von Kampfhandlungen ausgeschlossen sind. Nun kämpfen vier Frauen mit Unterstützung der Bürgerrechtsorganisation American Civil Liberties Union (ACLU) für Geschlechtergleichheit im Krieg.

Colleen Farrell, Zoe Bedell, Jennifer Hunt und Mary Jennings Hegar haben in Afghanistan oder Irak gedient und wollen die Combat Exclusion Rule kippen, weil sie ihrer Meinung nach gegen die Verfassung verstößt. Dafür klagen sie gegen das US-Verteidigungsministerium.

Die Regelung stammt aus dem Jahr 1994 und schließt weibliche Soldaten von Gefechten aus, bei denen es zu körperlichem Kontakt oder Beschuss kommt. Außerdem wird den Frauen untersagt, Positionen einzunehmen, die unter anderem schwere körperliche Anstrengung erfordern.

Bomben und Kugeln würden kein Geschlecht kennen, zitiert The Atlantic Wire die vier Klägerinnen. Ohnehin mache es keinen Sinn, Frauen von der Frontlinie fernzuhalten - in Ländern wie Afghanistan gebe es keinen klaren Frontverlauf. "Unsere Klienten sind im Dienst beschossen worden, sie sind Teil von Kampfeinheiten. Sie kämpfen unter denselben Umständen wie die Männer, aber bekommen keine Anerkennung dafür", sagte eine Sprecherin des ACLU dem Atlantic. 238.000 Positionen im Militär sind nach Angaben der Bürgerrechtsorganisation für Frauen nicht erreichbar.

Zu schwach und eine Ablenkung für die männlichen Kollegen

Bereits im Oktober hatten zwei weibliche Soldaten aus Kalifornien Klage gegen die Exclusion Rule eingereicht. Eine der Klägerinnen, Ellen Haring, erzählte der Los Angeles Times, dass sie im vergangenen Jahr noch gedacht hatte, ihren Traumjob gefunden zu haben. Doch dann wurde ihr ein Posten im Afghanistan-Einsatz ohne Begründung verweigert. Ein Kollege mit geringerem Dienstgrad bekam stattdessen die Stelle. Sie glaube, dass es an ihrer fehlenden Erfahrung bei Kampfeinsätzen liege. Die wiederum wird ihr qua Geschlecht verweigert.

Die beiden Klagen sind der Höhepunkt einer Debatte, die Amerika bereits seit einigen Monaten intensiv führt. Das Verteidigungsministerium hatte im Mai eine Anordnung geändert und so 14.000 Stellen für Frauen zugänglich gemacht. In 1100 Fällen wurden Ausnahmeregelungen erteilt, damit Frauen unter bestimmten Bedingungen an Kampfeinsätzen teilnehmen konnten.

Daraufhin erschienen in verschiedenen Medien Beiträge über die Situation von Frauen in den US-Streitkräften. Es wurden die genannten Zahlen veröffentlicht und Berichte über sexuelle Übergriffe, die offenbar ein großes Problem darstellen. Das Militär gab eine Studie in Auftrag, die untersuchen sollte, ob weibliche Soldatinnen ihre männlichen Kollegen im Einsatz ablenken. Dem Fernsehsender CBS zufolge sind die Ergebnisse noch nicht veröffentlicht worden.

Debatte über körperliche Voraussetzungen

Im Herbst dieses Jahres durften Frauen erstmals an einem Infaterie-Offizierslehrgang der Marines, dem Marine Corps' Infantry Officer Course, teilnehmen. Allerdings mussten die ersten beiden Kandidatinnen diese Ausbildung abbrechen, angeblich waren sie körperlich zu schwach. Gegner der Geschlechtergleichheit bei der Armee, darunter auch weibliche Militärangehörige, fühlten sich bestätigt, dass Frauen die körperlichen Vorraussetzungen für Kampfeinsätze nicht erfüllen.

Ihre Liebe zum Militär erklärt Tammy Duckworth gerade mit der körperlichen Herausforderung. Es gebe keinen Grund, Frauen von Kampftruppen oder Spezialeinsätzen fernzuhalten, argumentiert sie in der Huffington Post. "Lasst uns nicht diejenigen ausschließen, die in der Lage wären diese Aufgaben auszuführen. Wir würden auch keinen Mann davon abhalten, einen Bürojob anzunehmen."

Ihre Verletzung bedeutet für Duckworth zwar das Ende ihrer militärischen Laufbahn, ihre politische Karriere dagegen nimmt gerade erst Fahrt auf: In Januar kommenden Jahres zieht die Demokratin als erster weiblicher kriegsversehrter Veteran in den Kongress ein.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: