Französische Realpolitik in Birma:So lange Sanktionen nicht schaden

Paris ist für Sanktionen gegen die Militärjunta in Birma: Allerdings sollen diese nicht der Unternehmenspolitik von Total im Wege stehen.

Michael Kläsgen

Paris - Wenn es um den Ölkonzern Total und dessen Geschäfte in Birma geht, vertritt Frankreich eine widersprüchliche Haltung. Außenminister Bernard Kouchner polterte am Dienstag, Total würde von Sanktionen keinesfalls verschont, falls Paris diese ergreife. Das hörte sich gut an. Der Realpolitiker Kouchner fiel sich aber alsbald ins Wort und räumte ein: Sanktionen könne man zwar vorschlagen, man müsse aber wissen, dass sie keine sofortige Wirkung zeitigen würden. Mit anderen Worten: Zum Sturz der Militärjunta trügen sie nicht bei. Wozu also die Strafaktion?

In der vergangenen Woche hatte sich Staatspräsident Nicolas Sarkozy ebenso eindeutig zweideutig geäußert: Total solle seine Investitionen in dem Land einfrieren, forderte er. Auch das hörte sich gut an. Tatsache ist jedoch, dass Total offiziell seit knapp zehn Jahren kein neues Geld mehr in das Gasfeld im birmanischen Yadana gesteckt hat. Kouchner und Sarkozy machen also nur Schau. Ein namentlich nicht genannter Diplomat sagte dazu der Tageszeitung Libération: "Das Einfrieren von etwas bereits Eingefrorenem anzukündigen, ist nicht revolutionär. So kann man aber auf der Welle des New Deal für Menschenrechte surfen und gleichzeitig französische Wirtschaftsinteressen verteidigen." Sarkozy hatte jenen New Deal jüngst vor den Vereinten Nationen angekündigt - und vorher Atomkraftwerke an die Diktatur in Libyen verkauft.

"Frankreich hat nicht vor, sich in Birma von China oder Indien ablösen zu lassen", fügt der Diplomat hinzu. Dies bestätigte in entwaffnender Offenheit Rama Yade, Staatssekretärin für Menschenrechte in Paris: "Stellen Sie sich vor, Total zöge sich aus Birma zurück", sagte sie. "Was würde das ändern?" Total würde sofort von einem anderem Konzern ersetzt. Diese Analyse gleicht fast aufs Wort der einzigen öffentlichen Erklärung, die der verschwiegene Ölkonzern bisher zu der Affäre machte. Amerikanischen Unternehmen, die das Land verlassen hätten, seien chinesische Firmen gefolgt. "Ist das von Vorteil?"

Einsatz von Zwangsarbeitern

Total hält sich zugute, für einen sozialen Mindeststandard in Birma gesorgt zu haben. Dies hatte dem Konzern ein gewisser Bernard Kouchner bestätigt, als er noch kein Regierungsamt innehatte, sondern Berater war. Für die Expertise hatte Total ihn 2003 bezahlt. Der Befund widerspricht den Erfahrungen von Einheimischen. Oppositionsführerin und Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi beschuldigte Total schon vor zehn Jahren, die stärkste Stütze der Militärjunta zu sein. Noch heute sollen die Finanzspritzen des Konzerns sieben Prozent der Staatseinnahmen entsprechen. Im Gegenzug gewähren die Militärmachthaber Total das exklusive Recht, das Gasfeld in Yadana und die Gasleitung nach Thailand zu betreiben.

Beim Bau der Leitung, so behaupten birmanische Flüchtlinge, habe Total Zwangsarbeiter eingesetzt. Vier von ihnen sind in Belgien vor Gericht gezogen. Die Klagen von acht weiteren Flüchtlingen konnte der Konzern abbiegen, indem er sie Ende 2005 mit jeweils 10 000 Euro entschädigte und einen Wiedergutmachungsfonds in Höhe von 5,2 Millionen Euro einrichtete. Das tat dem Konzern nicht weh. Im vergangenen Jahr machte er einen Rekordgewinn von 12,5 Milliarden Euro und war gemessen am Börsenwert das größte französische Unternehmen. Gleichwohl kam die Zahlung einem Schuldeingeständnis gleich. Unternehmensberater Kouchner hatte dem Konzern 2003 noch attestiert, Zwangsarbeiter nicht eingesetzt zu haben. Das niederländische Parlament rief dazu auf, Total zu boykottieren.

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