Französische Parlamentswahlen:Was für Macron auf dem Spiel steht

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Emmanuel Macron versteht es, sich in Szene zu setzen. Dafür winkt ihm laut Umfragen sogar die absolute Mehrheit in der Nationalversammlung. (Foto: REUTERS)
  • Der französische Präsident braucht nach den Parlamentswahlen am 11. und 18. Juni eine absolute Mehrheit, sonst ist seine gesamte Amtszeit gefährdet.
  • Den Umfragen zufolge dürfte sein Plan aufgehen - trotz Skandals in seinem Regierungsteam.
  • Auch der Front National wird wohl deutlich zulegen. Künftig könnte die rechtsradikale Partei eine eigene Fraktion stellen.

Analyse von Leila Al-Serori

Nach jedem dritten Wort macht er eine Pause für die Extraportion Pathos. Er fixiert mit ernstem Blick die Videokamera. Dann sagt Emmanuel Macron einen Satz, für den er in den sozialen Medien anschließend gefeiert wird: "Make our planet great again."

Der französische Präsident verschafft sich mit dieser Reaktion auf Donald Trumps Ausstieg aus dem Klimaabkommen vergangene Woche genau die Aufmerksamkeit, die er haben will. Macron ist erst seit wenigen Wochen im Amt, aber er hat sie genutzt, um Format zu zeigen - vor allem gegenüber dem US-Präsidenten. Davon zeugt nicht nur das Video, sondern auch der besonders kräftige Händedruck, den er Trump beim Nato-Gipfel angedeihen ließ.

Macron setzt sich - wie schon im Wahlkampf um die Präsidentschaft - gekonnt in Szene. Und das muss er auch, denn diesen Sonntag wird in Frankreich im ersten Durchgang die Nationalversammlung, also das Unterhaus des Parlaments, gewählt. Am 18. Juni folgt die für Frankreich übliche Stichwahl, wenn in einzelnen Wahlkreisen keine absoluten Mehrheiten zustande gekommen sind.

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Von Benedikt Herber

Die Wahlen sind enorm wichtig, denn Macron braucht den größtmöglichen Rückhalt in der Nationalversammlung, um tatsächlich regieren zu können. Das Ergebnis entscheidet über den Erfolg seiner Amtszeit: Ohne eine absolute Mehrheit kann er seine Reformvorhaben kaum durchbringen, die innenpolitische Lähmung ginge weiter. Macron hat, um das zu verhindern, ein breites Bündnis für seine Bewegung République en Marche aufgestellt: Kandidaten aus der Mitte, aber auch ehemalige Sozialisten und Konservative, sowie absolute Politneulinge. Dazu hat er für sein bereits ausgewähltes Regierungsteam Premierminister Edouard Philippe sowie Wirtschaftsminister Bruno Le Maire und Haushaltsminister Gérald Darmanin aus dem Lager der konservativen Républicains abgeworben - der Partei, die ihm am gefährlichsten werden könnte.

Umfragen zufolge dürfte seine Rechnung aufgehen: Fast 400 der 577 Abgeordneten soll sein Bündnis künftig stellen - und das obwohl seine Bewegung gerade einmal ein Jahr alt ist. Zwar ist nur jeder dritte befragte Wähler bereit, für seine Kandidaten zu stimmen, doch im französischen Mehrheitswahlsystem reicht das für eine solide Kontrolle bereits aus. Allerdings erschwert eben dieses Wahlsystem genaue Prognosen.

Sollte Macron tatsächlich triumphieren, es wäre auf Kosten der früheren Großparteien: Die Konservativen können sich noch Chancen auf an die 100 Sitze machen, die Sozialisten hingegen dürften komplett abstürzen. Schon bei der Präsidentschaftswahl erlitten sie eine krachende Niederlage.

Skandal im Regierungsteam: ein Fleck auf der weißen Weste

Die außenpolitischen Reviermarkierungen gegen Trump lassen den Präsidenten auch einen ersten Skandal in seinem neuen Regierungsteam überdecken. Richard Ferrand, Macrons rechte Hand und Wegbegleiter der ersten Stunde, soll seine ehemalige Lebensgefährtin bei einem Immobiliendeal um mehrere hunderttausend Euro begünstigt haben - auf Kosten der Krankenversicherungsfirma, die er damals selbst leitete. Sein Amt als Minister für Wohnung und Städtebau darf er vorerst dennoch behalten.

Ein Fleck auf der weißen Weste, die Macron im Wahlkampf so offen vor sich her trug. Und den vor allem seine Konkurrenten für ihre Kampagnen ausnutzen. Marine Le Pen, Chefin des rechtsradikalen Front National (FN), stellte sofort den Vergleich zu François Fillon her - der konservative Präsidentschaftskandidat, der im Wahlkampf über seine vielen Affären stolperte.

Ihre Kritik hat natürlich ebenso Kalkül, sie will endlich in die Nationalversammlung einziehen. Le Pen unterlag Macron in der Stichwahl um die Präsidentschaft deutlich, aber sie konnte immerhin mehr als 30 Prozent der Wählerstimmen auf sich vereinen. Das lässt für die Parlamentswahlen einen deutlichen Zuwachs der FN-Mandate erwarten. Den Umfragen zufolge dürften es zumindest im ersten Durchgang an die 18 Prozent werden - das reicht allerdings wohl nur für 10 bis 15 Abgeordnete, da der FN in den meisten Wahlkreisen durch einen Schulterschluss der politischen Gegner bei der Stichwahl verlieren dürfte. Obwohl die Partei den Demoskopen zufolge im ersten Durchgang drittstärkste Kraft würde, wäre sie am Ende die kleinste Gruppierung im Parlament.

Le Pen muss ihre angeknackste Position in der Partei wieder festigen

Dennoch würden 15 Abgeordnete ein historisches Ergebnis für die Rechtsradikalen bedeuten. Das erste Mal in der Parteigeschichte wären sie in dieser Stärke im Parlament vertreten und könnten auch erstmals eine eigene Fraktion stellen. Le Pen würde Fraktionsvorsitzende werden, wenn sie ihren Wahlkreis in Nordfrankreich gewinnt. Ein Triumph, der ihre angeknackste Position in der eigenen Partei wieder festigen würde. Nach der Wahlniederlage Anfang Mai mehrten sich Berichte über interne Querelen und Machtkämpfe im Front National.

Auf der anderen Seite des Spektrums könnte Linkspopulist Jean-Luc Mélenchon erstmals in der Nationalversammlung sitzen. Der Kandidat von La France Insoumise, dem "unbeugsamen Frankreich", erreichte bei der Präsidentschaftswahl in einem Wahlkreis in Marseille fast 40 Prozent. Deshalb hat er sich nun hier aufstellen lassen - und damit gute Chancen auf einen Abgeordnetenposten.

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