Franz Josef Jung:Der überforderte Minister

Bundesminister Franz Josef Jung tritt zurück. Nach Vorwürfen der gezielten Desinformation über einen Luftangriff in Afghanistan zog er die Konsequenzen. Der Hesse galt von Beginn an als Verlegenheitslösung.

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Bundesminister Franz Josef Jung tritt zurück. Nach Vorwürfen der gezielten Desinformation über einen Luftangriff in Afghanistan zog er die Konsequenzen. Der Hesse galt von Beginn an als Verlegenheitslösung.

Franz Josef Jung stand in den verganenen Tagen massiv unter Druck. Die Opposition forderte seinen Rücktritt und drohte mit einem Untersuchungsausschuss.

Der Grund: Als Verteidigungsminister hatte Jung behauptet, bei einem Luftangriff in Afghanistan habe es keine zivilen Opfer gegeben. Einem geheimen Bundeswehrbericht zufolge soll Jung da bereits über das Gegenteil informiert gewesen sein.

Seit jeher gilt Jung auf bundespolitischer Ebene als ...

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... Verlegenheitslösung.

Er wurde 2005 nur deshalb Verteidigungsminister, weil Roland Koch in Hessen bleiben wollte. In seiner neuen Rolle blieb Jung blass und wirkte manchmal überfordert.

Seine Politikkarriere war von Beginn an eng mit dem Aufstieg von Roland Koch verknüpft.

Foto: dpa / Franz Josef Jung legt am 22.11.2005 den Amtseid als Verteidigungsminister ab.

Franz Josef Jung Hessen Landtag dpa

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Die Karriere

Seit je her gilt der 1949 geborene Jung auf bundespolitischer Ebene als Verlegenheitslösung. Als Mainzer Jurastudent zieht er für die CDU 1972 in den Kreistag des Rheingau-Taunus-Kreises ein, ab 1983 ist er Mitglied des hessischen Landtags. Unter Ministerpräsident Roland Koch wird Jung im April 1999 in Hessen Europa-Minister und Chef der Staatskanzlei. Zu Beginn von Kochs Regierung schwappt dann aber die Spendenaffäre der Bundes-CDU nach Hessen über. Jung tritt als Chef der Staatskanzlei zurück - und nimmt so seinen Freund Koch aus der Schusslinie. Koch ist Jung nun etwas schuldig und schafft es, den kaum bekannten Landespolitiker bei Kanzlerin Merkel 2005 als Verteidigungsminister durchzudrücken. Doch auch in diesem Amt bleibt Jung glücklos, wirkt meist unsicher und uninformiert.

Die Gründe für den Rücktritt

Im September 2009 hat Jung als Verteidigungsminister den Luftangriff auf zwei Tanklaster im nordafghanischen Kundus zu verantworten, bei dem zahlreiche Zivilisten verletzt werden und sterben. Jung behauptete zunächst, nur Taliban seien bei dem Angriff getötet worden - eine Informationspolitik, die ihm zum Verhängnis wird. Nach der der Bundestagswahl im Oktober 2009 wird er Bundesarbeitsminister - nachdem dann jedoch die wahren Umstände des Kundus-Angriffs bekannt werden, tritt er nach nur 33 Tagen im Amt zurück.

Was macht er heute?

Jung ist einfacher Bundestagsabgeordneter.

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Unter Ministerpräsident Roland Koch wurde Franz Josef Jung im April 1999 in Hessen Europa-Minister und Chef der Staatskanzlei.

Jung gilt als Weinbauexperte und spielte in der "Weinelf" - der Fußballmannschaft deutscher Winzer. Das Gut seines Vaters führt heute sein Neffe Alexander Johannes Jung.

Foto: dpa / Jung (vorne l.) und der hessische Ministerpräsident Roland Koch (r.) 2000 im Wiesbadener Landtag.

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Zu Beginn von Kochs Regierung schwappte die Spendenaffäre der Bundes-CDU nach Hessen über: Im Januar 2000 gestand der ehemalige hessische CDU-Vorsitzende Manfred Kanther die Existenz schwarzer Kassen ein. Auch Kochs Wahlkampf 1998/1999 war daraus finanziert worden.

Kaum jemand glaubte, dass Ministerpräsident Koch und sein Vertrauter Jung davon nichts gewusst hatten.

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Jung hielt den Kopf hin. Er trat als Chef der Staatskanzlei zurück - und nahm so seinen Freund Roland Koch aus der Schusslinie.

Koch war Jung nun etwas schuldig und schaffte es, den kaum bekannten Landespolitiker bei Kanzlerin Angela Merkel 2005 als Verteidigungsminister durchzudrücken.

Foto: dpa / Jung als bereits designierter Verteidigungminister neben Roland Koch.

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Jung war plötzlich verantwortlich für eine Armee im Umbruch und für Soldaten, die im Ausland ihr Leben riskieren.

Auf seinen Vorschlag wurde in Berlin ein Ehrenmal der Bundeswehr errichtet, um im Dienst getötete Soldaten zu ehren.

Er tat sich schwer mit seinem Wechsel nach Berlin ...

Foto: ddp / Jung bei seinem ersten Truppenbesuch in Afghanistan im Camp Warehouse am 22.12.2005.

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... und stiftete häufig Verwirrung.

So hatte er nicht mitbekommen, dass Kanzlerin Merkel und der damalige französische Präsident Jacques Chirac Anfang 2006 bereits einen europäischen Einsatz im Kongo beschlossen hatten.

Jung tat nach außen so, als sei die Frage noch offen - und musste sich dann fügen.

Foto: dpa / Jung besucht 2005 das Luftlandeunterstützungsbataillon 262 in Merzig, das ein Drittel des Personals für den Einsatz im Kongo stellen sollte.

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Dann der Einsatz der Deutschen Marine vor der libanesischen Küste 2006: Zum ersten Mal operieren deutsche Soldaten in der Nähe des jüdischen Staates Israel - ein sensibles Thema.

Jung sprach früh von einem Kampfeinsatz. Er wollte damit auf die Risiken für die Soldaten hinweisen. So viel Direktheit war der Kanzlerin gar nicht recht. Sie bremste Jung schnell aus.

Foto: ddp/ Jung am 25.09.2006 in Dschibuti auf der Fregatte Schleswig-Holstein. Er besuchte die deutschen Einsatzkontigente in Dschibuti, Libreville (Gabun) und Kinshasa (Kongo).

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Das gleiche Spiel wiederholte sich 2006, als Jung sagte, er würde von Terroristen entführte Passagierflugzeuge abschießen lassen. Nach massiver Kritik war Jung schnell wieder still.

Der Spiegel schrieb über den Verteidigungsminister im Jahr 2007: "Es hat den Eindruck, als traute sich der deutsche Verteidigungsminister nicht, deutscher Verteidigungsminister zu sein. Als hätte er ständig Angst, etwas falsch zu machen."

Dieser Eindruck verfestigte sich immer mehr.

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Erfolge waren in seiner Amtszeit selten. Im Oktober 2006 wollte er nach langem Hin und Her endlich seine Regierungserklärung zur Verteidigungspolitik vorstellen - das Weißbuch der Bundesregierung zur Sicherheitspolitik.

Doch genau an dem Tag erschienen in der Bild-Zeitung Fotos aus Afghanistan, auf denen Bundeswehrsoldaten auf öbszöne Weise mit menschlichen Gebeinen posierten.

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Im Amt konnte Franz Josef Jung lange kein eigenes Profil gewinnen: 2007 hatten 39 Prozent der Deutschen noch nie von ihm gehört.

Das änderte sich im September 2009 schlagartig. Doch der Grund für die neugewonnene Bekanntheit konnte Jung nicht recht sein.

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Jung hatte als Verteidigungsminister den Luftangriff auf zwei Tanklaster im nordafghanischen Kundus zu verantworten.

Lange versicherte er, dabei seien ausschließlich feindliche Taliban getötet worden.

Erst vier Tage nach dem Angriff räumte Jung schließlich ein, dass es möglicherweise auch zivile Opfer gegeben habe.

Foto: AP / Einer der zerstörten Tanklaster im Norden Afghanistans.

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Nach der Bundestagswahl wurde Franz Josef Jung Bundesminister für Arbeit und Soziales.

Jungs Nachfolger als Verteidigungsminister, Karl-Theodor zu Guttenberg, klagte, er sei über den Luftangriff bei Kundus schlecht informiert worden. Er denke über "personelle Konsequenzen" nach.

Die zog schließlich ...

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... der Generalinspekteur der Bundeswehr, Wolfgang Schneiderhan. Er bat um seine Entlassung, Guttenberg kam dem Wunsch nach.

Auch Verteidigungsstaatssekretär Peter Wichert trat zurück.

Doch der Opposition reichte das nicht.

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Die politischen Gegner fordern den Rücktritt von Franz Josef Jung.

Sie werfen ihm vor, Informationen über den Luftangriff bei Kundus vertuscht zu haben.

Der Verlegenheitsminister Jung muss sich nun womöglich einem Untersuchungsausschuss stellen.

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