Franz Josef Jung:Der Notstands-Minister

Verteidigungsminister Jung macht Druck für ein Abschussgesetz. Ein solches jedoch darf es nicht geben.

Heribert Prantl

Es ist nicht gut, wenn ein Verteidigungsminister sich aufspielt. Es ist nicht gut, wenn er forsche Ankündigungen macht für eine Situation, die er nicht genau kennt:

Minister Jung avisiert, er werde entführte Flugzeuge abschießen lassen und sich auf "übergesetzlichen Notstand" stützen, gerade so, als hätte er schon vorab nicht nur rechtliche, sondern alle tatsächlichen Zweifel geklärt.

Ein Minister, der ankündigt, dass er im Fall des Falles nicht mehr lang prüfen und nachdenken, sondern befehlen wird, der kündigt die Begehung eines Verbrechens an. Das darf man Jung nicht unterstellen:

Er wird im Ernstfall, hoffentlich, sorgfältig prüfen. Aber er kokettiert vorab mit einer von Zweifeln unbeirrten Entschlussstärke.

Der Verteidigungsminister redet wohl auch deswegen so, weil er Druck machen will, ein Abschussgesetz zu erlassen. Ein solches Gesetz, das die Tötung unschuldiger Menschen erlaubt, darf es aber nicht geben. Das hat das Verfassungsgericht in größter Klarheit gesagt.

Die Diskussion über Verfassungsänderungen, die deshalb nun angeblich notwendig seien, ist unsinnig, weil die Menschenwürde (auf die Karlsruhe sein Urteil gestützt hat) nicht eingeschränkt werden kann. Ein Abschussbefehl kann sich allenfalls auf übergesetzlichen Notstand stützen, der aber eine schwierige und tragische Abwägung im Einzelfall verlangt.

Auf diese Basis lässt sich aber keine Richtlinie, keine generelle Handlungsanleitung à la Jung stützen.

Die Politik sollte damit aufhören, mit dem täglichen Gerede über atomaren Terrorismus und abzuschießende Flugzeuge sich in eine Sphäre des allgemeinen Notstands hinein zu reden, in der man dann, vermeintlich, die Grenzen des Rechts nicht mehr achten muss.

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