Frankreichs Präsident und Irans Bombe:Chiracs verlorenes Gespür für Diplomatie

Jacques Chirac hat Spekulationen über seine wahre Haltung gegenüber Iran genährt. In einem Interview wählte er undiplomatische Worte.

Gerd Kröncke, Paris

Wenige Monate vor dem Ende seiner Amtszeit hat sich Jacques Chirac in eine heikle Situation manövriert. Frankreichs Staatspräsident, der nach vierzig Jahren in der Politik über mehr Erfahrung verfügt als jeder andere französische Politiker, hat in einem Interview mit Journalisten Dinge gesagt, die seine geheimen Gedanken wiedergeben könnten.

Jacques Chirac

"Ich hätte besser aufpassen sollen bei dem was ich sagte": Jacques Chirac.

(Foto: Foto: AP)

In einem Gespräch mit den in Paris erscheinenden Blättern Herald Tribune und Nouvel Observateur ließ sich Chirac in Spekulationen darüber verwickeln, ob Iran bereits über eine Atombombe verfügt. Demnach hat Chirac räsoniert: ,,Wo will er diese Bombe denn abwerfen, etwa auf Israel? Noch bevor sie 200 Meter weit in die Atmosphäre gelangt wäre, würde Teheran dem Erdboden gleichgemacht.''

Solche Töne klingen fremd aus Chiracs Mund und sie haben ihn selbst erschreckt, allerdings nur mit Verzögerung. Nach dem Interview, das Anfang der Woche stattgefunden hatte, bat Chirac die Journalisten noch einmal zurück in den Elysée-Palast, um sie zu vergattern.

"Off the record"

Nach Darstellung der Korrespondenten versuchte er seine Worte ungeschehen zu machen, berief sich erst darauf, dass sie ,,off the record'' gefallen, also nicht autorisiert gewesen seien, um am Ende einzuräumen: ,,Der Fehler liegt bei mir, ich will das nicht bestreiten. Ich hätte besser aufpassen sollen bei dem was ich sagte, und vielleicht war ich ja on the record.''

Entgegen seiner bisherigen Haltung, mit der er sich in Übereinkunft mit seinen Bündnispartnern befand, erweckte Chirac den Eindruck, als habe er sich mit einem möglichen Atomwaffenbesitz Irans abgefunden. Nicht dies sei ein Problem, vielmehr bestünde die Gefahr, dass andere dem iranischen Beispiel folgten. ,,Warum sollte Saudi Arabien es nicht tun? Oder warum sollte es nicht Ägypten helfen, es ebenfalls zu tun? Das ist die eigentliche Gefahr'', sagte Chirac.

Vor allem die amerikanischen Journalisten ließen sich nicht darauf ein, dass der Interviewte ein Interview nach Belieben redigieren kann. In seinem zweiten Gespräch, mit dem der Schaden begrenzt werden sollte, versuchte Chirac denn auch die übliche diplomatische Sprache.

In aller Form zog er seine Bemerkung über Saudi Arabien und Ägypten zurück. Da beide Staaten keinerlei Erklärungen zu dem Problem gemacht hätten, sei es nicht an ihm, sich dazu zu äußern. In einer vom Elysée-Palast verbreiteten Version des Interviews stehen sogar Sätze, die er gar nicht gesagt hat, zum Beispiel: ,,Ich sehe nicht, nach welchem Szenario das iranische Streben nach einer Atombombe gerechtfertigt wäre''.

Rätselraten in Paris

Andererseits hatte sich Chirac, bevor auch Frankreich den UN-Sanktionen gegen Iran zustimmte, bemerkenswert versöhnlich gegenüber Teheran geäußert. Mit einer Warnung vor einer zu harten Gangart hatte er voriges Jahr sogar deutsche Irritationen hingenommen. Iran stand schon lange im Verdacht, unter dem Deckmantel eines zivilen Atomprogramms heimlich an der Bombe zu arbeiten. Die Regierung in Teheran hingegen beteuert ihre friedlichen Absichten bei der Nutzung der Atomenergie.

Zudem hat Chirac seine Neigung, eine Annäherung an Iran zu suchen, noch immer nicht aufgegeben. So hatte er vorigen Monat ernsthaft erwogen, Außenminister Philippe Douste-Blazy nach Teheran zu schicken, um auf höchster Ebene Gespräche mit Irans Regierung zu beginnen.

Chirac hoffte eine Entspannung im Nahen Osten einleiten zu können und Teheran sollte in diese Bemühungen eingebunden werden. Doch Douste-Blazy warnte seinen Chef angesichts der offenkundigen Aussichtslosigkeit, sodass Chirac schließlich auf die Initiative verzichtete. Für Teheran indes wäre schon der Versuch ein Erfolg gewesen.

In Paris wird darüber gerätselt, wie die neuen, zurückgezogenen Äußerungen des Präsidenten zu werten sind, mit denen er Teheran einerseits droht, wenn es je die Atombombe benutzen sollte, andererseits Irans Besitz der Bombe zu tolerieren bereit wäre.

Da das Interview eigentlich ausschließlich Umweltfragen gegolten hatte und sich der Präsident selbst durch einen Berater nicht bremsen ließ, wurde auch darüber spekuliert, ob der Präsident gegen Ende seiner Amtszeit weniger konzentriert sei, wenn es auf diplomatische Formulierungen ankommt.

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