Frankreichs Präsident:Macron könnte seinen ersten großen Fehler begehen

Frankreichs Präsident: Macron droht ein Skandal. Denn noch stützt er seinen belasteten Vertrauten Ferrand.

Macron droht ein Skandal. Denn noch stützt er seinen belasteten Vertrauten Ferrand.

(Foto: AFP)

Zwei seiner Minister stehen im Verdacht der Mauschelei, wenn nicht der Korruption. Das ist fatal für einen Präsidenten, der die Politik säubern wollte.

Kommentar von Stefan Ulrich

Frankreichs jungem Präsidenten ist ein Traumstart geglückt. Emmanuel Macron rückte in seinen beiden ersten Wochen sofort ins Zentrum der Europapolitik, er suchte und fand ein enges Arbeitsverhältnis zur deutschen Kanzlerin und er ging auf internationalem Parkett schlagfertig und selbstbewusst mit den beiden Problembären Wladimir Putin und Donald Trump um.

Auch innenpolitisch lief es gut, seine neue Regierung repräsentiert das Zentrum, die moderate Rechte und die moderate Linke. Und in Umfragen zeigt sich die klare Mehrheit der Franzosen mit dem Präsidenten zufrieden.

Bei der Parlamentswahl in zehn Tagen könnte Macron die Früchte seiner noch kurzen Arbeit ernten. Die absolute Mehrheit für seine neue Partei La République en Marche ist nah. Doch ausgerechnet jetzt erlebt der Novize im Élysée seine erste Krise: Zwei seiner Minister stehen im Verdacht der Mauschelei, wenn nicht der Korruption.

Das ist fatal für einen Präsidenten und eine Bewegung, die die Politik säubern wollen und mit diesem Versprechen die Präsidentschaftswahl gewonnen haben. Das Vertrauen in die Lauterkeit der Sieger ist im desillusionierten, verbitterten Frankreich ein großes Kapital. Doch es war leichter, es zu erringen, als es nun zu halten.

Heikel für Macron ist vor allem die Affäre Ferrand. Sie trifft einen seiner wichtigsten Vertrauten. Richard Ferrand war der erste Abgeordnete, der sich Macrons Marsch an die Macht anschloss, und er war die Schlüsselfigur seiner Kampagne. Er wurde mit dem Wohnungs- und Städtebauministerium belohnt. Jetzt holt ihn seine Vergangenheit ein.

Juristisch richtig, aber politisch dumm

Französische Medien berichten, Ferrand habe als Generaldirektor einer gemeinnützigen Krankenversicherung seine Lebensgefährtin bei einem Immobiliengeschäft massiv begünstigt. Außerdem soll er als Abgeordneter seinen Sohn im Parlament beschäftigt haben, was in Frankreich zwar noch nicht illegal ist, aber inzwischen als höchst anrüchig gilt.

Die Staatsanwaltschaft leitete am Donnerstag wegen der Versicherungsaffäre Vorermittlungen gegen den Minister ein. Doch der weigert sich zurückzutreten. Macron stützt ihn, vorerst. Das Argument: Ferrand sei bislang nichts Illegales nachzuweisen, es gelte die Unschuldsvermutung.

Das ist juristisch richtig, aber politisch dumm. Nicht alles, was (vielleicht gerade noch) legal ist, ziemt sich für einen Minister, zumal wenn er einer Partei angehört, die das Vertrauen des Volkes in die Politik zurückgewinnen will.

Schon der böse Schein des Nepotismus sollte dazu führen, dass der Verdächtigte zurücktritt, um sein Amt, die Regierung und den Präsidenten nicht zu beschädigen. Bleibt er stur, muss ihn der Präsident entlassen. Dies gilt zumal in einer Woche, in der die Regierung Macron ihr "Gesetz zur Moralisierung des politischen Lebens" vorstellt.

Der Schmelz der Tugend, der Macrons verblüffenden Aufstieg absicherte, ist eine empfindliche Glasur. Ist sie einmal gesprungen, lässt sie sich nicht mehr kitten. Der Präsident läuft Gefahr, seinen ersten großen Fehler zu begehen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: