Frankreichs Militäreinsätze:Kriegskasse für Europa

Wer nicht kämpft, soll wenigstens zahlen: Der Militäreinsatz in der Zentralafrikanischen Republik bringt Frankreich zwar viel Lob ein, aber wenig konkrete Unterstützung. Paris will, dass die EU-Partner die Kosten mittragen.

Von Christian Wernicke, Paris

Der neue Krieg eint die Nation. Abgeordnete aller großen Parteien unterstützen Frankreichs "humanitäre Intervention" in der Zentralafrikanischen Republik. Nur, ebenso einhellig schwillt in Paris der Zorn über die EU-Partner an: Die sollten, wenn sie schon nicht kämpfen, wenigstens zahlen. Zwar wünscht sich auch Präsident François Hollande eine kontinentale Kriegskasse. Noch aber weiß seine Regierung offenbar selbst nicht, wie ein solcher EU-Krisenfonds aussehen könnte.

"Wo ist Europa?", rief der konservative UMP-Politiker Pierre Lellouche. Die EU lasse Frankreich allein, schimpfte der frühere Europaminister, per "Pflichtausgaben" sollten alle Mitgliedstaaten sich an den Kosten der Militärintervention beteiligen. Ähnlich empört klingt die Sozialistin Annick Lepetit: "Unser Land kann nicht Schutzschild und Zahlmeister zugleich sein", beklagt die Abgeordnete, Europa müsse endlich "die Finanzierung der Auslandseinsätze vergemeinschaften". Und Jean-Louis Borloo, Chef der gemäßigten und zutiefst pro-europäischen Oppositionspartei UDI, riet Hollande gar, den EU-Gipfel nächste Woche zu boykottieren, wenn er keinen neuen EU-Fonds durchsetzen könne.

Angefacht hat die Debatte der Präsident selbst. Zwei Tage, nachdem Hollande 1600 französischen Soldaten den Befehl erteilt hatte, den drohenden Bürgerkrieg und Völkermord in der Zentralafrikanischen Republik (ZAR) per Operation Sangaris zu stoppen, verlangte er in einem Interview eine europäische Lastenteilung: Die EU brauche "einen Finanzfonds, der erlauben würde, die Kosten dieser Operationen zu decken". Genau das, so Hollande, wolle er beim EU-Gipfel nächste Woche in Brüssel vortragen, der ohnehin der europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik gewidmet ist.

In vertraulichen Gesprächen erkennen Brüsseler Beamte und europäische Diplomaten das französische Dilemma durchaus: Die Nation durchleidet eine Wirtschaftskrise, die Regierung muss sparen. Weil Frankreich aber - als ehemalige Kolonialmacht bis heute Afrikas "Gendarm wider Willen" - den Krisenkontinent besser kennt und über schlagkräftige Streitkräfte verfügt, muss die Republik immer wieder ran. Der Militäreinsatz in Mali, von UN und EU feierlich befürwortet, dürfte Frankreich allein 2013 mehr als 500 Millionen Euro kosten. Die Operation Sangaris wird billiger, weil kürzer. Aber sie ist auch gefährlicher: Zwei Franzosen sind bereits gefallen.

Brüssel bedauert - und verweist darauf, dass man Paris schon beistehe: Per Luftbrücke will die EU Hilfsgüter einfliegen. Und 50 Millionen Euro sollen aus der EU-Kasse fließen, um den Aufbau der afrikanischen Friedenstruppe Misca von derzeit 2600 auf bald 6000 Mann zu bezuschussen. Laut UN-Mandat sollen diese Soldaten an der Seite von Frankreichs Fallschirmjägern die ZAR stabilisieren - und sie nächstes Jahr ablösen. Nur, die geplanten EU-Zahlungen stammen sämtlich aus einem Entwicklungsfonds. Und der darf, per Definition, kein Geld an Mitgliedstaaten überweisen.

Einen Brüsseler Weg, Frankreichs Last in Afrika zu lindern, eröffnet - zumindest theoretisch - Europas Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Nur, auch dort verengen die Regeln schnell alle Spielräume. Frankreich kämpft zwar im Auftrag der UN, seine Intervention ist jedoch keine EU-Mission. Ohne das gibt es keinen Cent. Und selbst wenn Operation Sangaris eine EU-Mission wäre, müsste Paris als Truppensteller Sold, Kampfgerät und Einsatzkosten selbst zahlen. Nur die Kosten der Truppenverlegung und Ausgaben etwa für die Vernichtung der Gewehre entwaffneter Rebellen im Land könnten die EU-Partner übernehmen.

Hier aber steht sich die Regierung in Paris selbst im Weg: Sie macht keine Anstalten, ihren Einsatz als EU-Mission zertifizieren zu lassen. Angesichts von Chaos und eskalierender Gewalt habe man schnell eingreifen müssen, rechtfertigte Premier Jean-Marc Ayrault das Vorgehen: "Wenn wir gewartet hätten", so warnte er am Dienstag in der Nationalversammlung, "wäre es zu spät gewesen". Nun beginnt leise das kreative Denken in Brüssel. Falls Paris das Wappen einer EU-Mission nachträglich beantrage, könne man vielleicht rückwirkend ein paar Millionen erstatten.

Das wäre nur Kleingeld. Hollande aber verlangt eine große Lösung. "Einen Fonds" eben, eine EU-Kriegskasse. Noch ist freilich nicht sicher, dass er dazu beim EU-Gipfel einen Vorschlag präsentieren wird: "Vielleicht", heißt es aus dem Außenministerium. Ressortchef Laurent Fabius jedenfalls werde beim Treffen mit seinen 27 EU-Kollegen am Montag noch keine Idee vorlegen.

Hollande steht an der kriegsmüden Heimatfront unter Druck. Er muss aus Brüssel etwas nach Hause bringen. Für den Fall, dass es kein Kriegs-Fonds wird, hat seine Parteifreundin Élisabeth Gigou, die Vorsitzende des außenpolitischen Ausschusses in der Nationalversammlung, eine Idee für den Rückzug: Dann sollten endlich einmal Verbände der EU-Eingreiftruppe nach Afrika ausrücken - und Frankreich ablösen.

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